Personal Quarterly 2/2021

30 PERSONALquarterly 02 / 21 SCHWERPUNKT _NEUES LERNEN D ie digitale Transformation zielt auf die Einführung neuer Technologien und neuer Arten der Arbeitsor- ganisation (u. a. agiles Arbeiten). Untrennbar ver- knüpft ist damit ein umfassender Lernprozess auf individueller und organisationaler Ebene, der gleichfalls durch steigende Digitalisierung und Agilität charakterisiert ist. Dies bedeutet eine Transformation des Lernens (Graf/Scamperle, 2020), denn in der agilen Welt finden Arbeiten und Lernen annähernd gleichzeitig statt (Edelkraut/Mosig, 2019). So be- darf es neuer Lernkonzepte, da selten auf klassische Lehr-/ Lernszenarien zurückgegriffen werden kann (Höhne et al., 2017). Daraus ergeben sich mehrere Folgen: 3 D ie Arbeitsorganisation integriert das Lernen. In agilen (Lern-)Prozessen wird auf häufige Reviews und Retrospek- tiven gesetzt. 3 D ie Mitarbeitenden sind sich bewusst, dass sie permanent lernen, sie reflektieren das Erlernte und bereiten es für Kol- legen auf. 3 D ie Rollen imLernen verändern sich. Da dasWAS (Lerninhalt) schnell veränderlich ist, während das WIE (Lernmethodik, Formate etc.) die zentrale Kompetenz im agilen Lernen wird, sollte Personalentwicklung sich als Experte für Lernprozesse positionieren und u. a. das informelle Lernen fördern. Eine Studie von Rowold und Kauffeld (2009) konnte z. B. zeigen, dass informelles Lernen den Kompetenzerwerb vorhersagt. Auch in der Metaanalyse von Cerasoli et al. (2018) ergab sich ein robuster positiver Zusammenhang zwischen informellem Lernen und Fähigkeitserwerb. Agiles Lernen Agiles Lernen ist kein Buzzword, sondern ein Ansatz, Lernen neu zu denken. Es leitet sich vom agilen Arbeiten ab und zielt auf die lebenslange, schnelle Anpassungs- und Innovationsfä- higkeit von Mensch und Organisation (Graf/Schmitz, 2019). Dabei weist es einige Parallelen zum informellen Lernen auf, das auch das Ausprobieren von Problemlösungsstrategien, den Austausch mit anderen Personen und die Reflexion der ei- genen Arbeitsleistung umfasst (Tannenbaum/Beard/McNall/ Salas, 2010), geht aber durch die agilen Werte und Prinzipien noch weiter. Digitale Transformationen mit agilem Lernen am Beispiel der DEGES GmbH Von Prof. Dr. Nele Graf (HS für angewandtes Management), Dr. Frank Edelkraut (Mentus GmbH) und Kay Morczinnek (DEGES Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH) Agile Lernformate spielen dabei eine wichtige Rolle und zeich- nen sich durch kurze, klar strukturierte Abläufe bei gleich- zeitiger Flexibilisierung und Individualisierung der Inhalte aus. Die Grenzen zwischen den Rollen Lerner und Lehrer sind fließend. Daneben können klassische Lehr-/Lernszenarien mit Vorgehen wie Eduscrum oder agilem Sprint-Lernen „agi- lisiert“ werden. In beiden Vorgehen werden die vorgegebenen Lernziele in handhabbare Inkremente (Sprints) herunterge- brochen. Neben regelmäßigen Meetings (Dailys oder Weeklys) zum Status der Bearbeitung sind u. a. die Sprintevaluation (bzgl. Lernziel) und die Retrospektive (bzgl. Lernprozess) wich- tige Elemente (vgl. hierzu „Eduscrum“ und „In Medias Res“). Zielorientierung, Kollaboration, Selbststeuerung, Dynamik und Retrospektiven prägen sowohl agile Lernformate als auch „agilisierte“ Lehr-/Lernszenarien. Zudem bedarf agiles Lernen eines passenden Mindsets (Selbstwirksamkeit und Entwicklungsfähigkeit), Skills (z. B. Lernkompetenzen) und einer passenden Fehler- und Lern- kultur sowie Rahmenbedingungen (z. B. Vereinbarungen zur Lernzeit, Zugang zu Ressourcen). Es zielt somit sowohl auf die Ebene der Personal- wie Organisationsentwicklung (Graf et al., 2019) Wie kann ein Unternehmen, wie können die für Personal- entwicklung verantwortlichen Personen agiles Lernen konkret gestalten? Wo sollte man ansetzen und sicherstellen, dass die notwendige Transformation von Arbeit, Organisation, Kultur und Lernen gelingt (vgl. hierzu: Graf/Edelkraut, 2020)? In der DEGES GmbH hat man sich genau diesen Herausforderungen gestellt. Die DEGES – Historie Die DEGES Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH verantwortet die Planung und Baudurchführung wichtiger Infrastrukturprojekte. Heute ist die DEGES für den Aus- und Neubau von Bundesfernstraßen mit einem Auftrags- volumen von über 37 Milliarden Euro verantwortlich. Die über 440 Mitarbeitenden betreuen im Auftrag des Bundes und der 12 Bundesländer alle planerischen, technischen, rechtlichen und kaufmännischen Fragen rund um den Aus- und Neubau von Bundesfernstraßen, Brücken und Tunneln.

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