Personal Quarterly 2/2021
21 02 / 21 PERSONALquarterly Prozessmodell liefert dafür wichtige Ansatzpunkte. Zusätzlich kann dieser Schritt auch die Evaluierung (Kauffeld, 2016) des Interventionsprogramms vorbereiten. Die entworfene Hilfe oder Lösung richtet sich an eine bestimmte Person oder Grup- pe, die zu Beginn identifiziert wurde. Am Beispiel Motivation lässt sich erkennen: Die extrinsische vs. intrinsische Motivation bei der Implementierung des Tools kann berücksichtigt werden, z. B. indem aufgezeigt wird, wie das Tool Nutzerinnen und Nutzer in der Befriedigung ihrer Bedürfnisse helfen kann. Zugehörigkeit: Zugehörigkeit könnte durch Kontakt zu Mitar- beitenden befriedigt werden (gemeinsam lachen und lernen), Kompetenz und/oder Autonomie durch die Möglichkeit, ei- gene Anliegen bearbeiten zu können. Man könnte zunächst extrinsische Anreize setzen, die die Mitarbeitenden zur ers ten Annäherung an das Tool ermutigen, z. B. durch virtuelle Coffee-Breaks oder Daily Huddles, die ein informelles, lockeres Gruppengefühl ermöglichen. Dies gibt die Möglichkeit, das Tool in entspannter Atmosphäre auszuprobieren, sich vertip- pen zu dürfen und Austausch mit anderen darüber zu haben. Wichtig sind Settings, die nicht das explizite Lernen, sondern die Befriedigung der Zugehörigkeit in den Vordergrund stellen (extrinsische Motivation wird schrittweise verinnerlicht und zu intrinsischer Motivation). So können Personen etwas aus- probieren, ohne Druck und Bedrohung zu spüren, der Nutzen des Tools wird erfahren, statt erklärt (Erfahrungslernen). Kompetenz: Nach der Annäherung sollten Mitarbeitende die aufgebauten Kompetenzen für sich nutzbar machen. Auch hier geht es um mehr als nur ein kompetentes Nutzen des Tools, sondern um die Verbindung der Nutzung mit bereits vorhan- denen intrinsischen Motivatoren und Kompetenzen. Sind Mit- arbeitende z. B. besonders kreativ, braucht es Gelegenheiten, um zu erfahren, dass sie diese Kreativität im Tool zeigen kön- nen. Autonomie: Selbstbestimmung kann in vielen Facetten imple- mentiert werden, z. B. dadurch, dass das Informationsmaterial zum Tool (z. B. Videos, Checklisten, Blogbeiträge, Podcasts) selbstständig navigierbar ist oder durch Nutzende mitgestaltet werden kann. Bedrohung und Selbstregulation: Auslöser für Bedrohung kennen (z. B. Misserfolg, Leistungsdruck, Wertewandel) und Möglichkeiten für Selbstwertschutz bzw. Schutz der eigenen Weltsicht geben durch kleine Erfolge im Umgang mit dem Tool, Interpretation des neuen Tools als stimmiges Element im Wertekanon der Person. Einbezug des Promotion/Prevention- Fokus in die Definition von Zielen und Gestaltung von Situ- ationen. Das neue Kollaborationstool könnte in der internen Kommunikation z. B. als innovativer und kreativer Kommu- nikationskanal beworben werden (=Promotion-Fokus) und als Programm, dass Umwege erspart, Chaos reduziert und Erreich- barkeit sichert (=Prevention-Fokus). Besonders für prevention- orientierte Mitarbeitende ist es förderlich, die Passung des Tools zum persönlichen motivationalen Fokus zu ermöglichen, z. B. indem im Infomaterial mit einschlägigen Worten/Ab- schnitten ein Bezug gesetzt wird („häufige Fehler vermeiden“, „Sicherheit im Umgang mit dem Tool“, „weniger Mühe“ etc.). Fazit Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass in unserem Bei- spiel nicht die eine Lösung erstellt wurde, um neues Lernen zu implementieren, sondern dass die Herangehensweisen vielschichtig und situationsübergreifend waren. Im Kontrast zu ersten intuitiven Lösungen für unser Beispiel „Interne Kommunikation“ wurde letztendlich auf verpflichtende Nach- schulungen oder Ermahnungen verzichtet. Stattdessen war es unser Ziel, die Situation in ihrer Komplexität tiefgreifend zu analysieren und zu verstehen. Dementsprechend werden die vorgeschlagenen Lösungen erfolgreicher sein, da sie die Haupt ursachen für das Problem (in unserem Beispiel verminderte Selbstregulationsfähigkeit) zielführend abdecken und somit nachhaltige Lösungsstrategien darstellen. Die Planung von Interventionen und Maßnahmen im Be- reich neues Lernen sind einerseits vielseitig, doch andererseits komplex und einem stetigen Wandel unterzogen. Die üblichen Denkmuster und bekannten Strategien können in vielen Be- reichen der Personalentwicklung nicht mehr angewendet wer- den. Das bedeutet für Personalentwickelnde, dass Lernziele weniger klar definierbar und planbar werden. Aufgrund der sich stetig wandelnden Möglichkeiten und Anforderungen, verspüren viele HR-Entwickelnde den Druck, schnelle Lösungen zu kreieren, und tappen dabei unter Umständen in die „Alltagstheorie-Falle“. Es ist daher umso wichtiger, Mitarbeitenden und Personalverantwortlichen den Erwerb von zwei Kompetenzen zu ermöglichen: (1) ein Verständnis für Digitalisierung und damit verbun- denen neuen Formen der Interaktion (Digitalkompetenz) und (2) die Fähigkeit, Lernen auf selbstständige und intrinsisch motivierte Art und Weise durchzuführen (Lernkompetenz). Um hier eine Unterstützung zu bieten, die umsetzbar ist und gleichzeitig neue Entwicklungen der Forschung einbezieht, wurde das PATH-Modell vorgestellt. Eine Evaluation der damit entwickelten Hilfsmaßnahmen ist dann letztendlich der nächs te Schritt, um auch langfristig aus den Veränderungen lernen und diese weiter anpassen zu können (vgl. Kauffeld, 2016). So lernen Sie aus den Lösungen von heute für morgen.
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==