Personal Quarterly 2/2021

10 PERSONALquarterly 02 / 21 SCHWERPUNKT _NEUES LERNEN H eutzutage sehen sich Organisationen mit noch nie zuvor dagewesenen Herausforderungen konfron- tiert: Globalisierung, Technologisierung und Digi- talisierung der Welt führen zu einer rasanten und stetigen Veränderung (vgl. Markgraf, 2020). Produzierende Technologieunternehmen weltweit sehen sich mit neuen und notwendigen Technologiesprüngen konfrontiert und müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben, diese im ersten Schritt er- lernen und/oder entwickeln und schlussendlich umsetzen. Um diese rasanten Herausforderungen zu meistern, setzt man seitens der HR-Abteilungen vermehrt auf die technische Weiterbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die aus unterschiedlichsten Nationen auf allen Kontinenten zusam- menarbeiten – meist durch formelle Trainings, die außerhalb der normalen Arbeitszeit stattfinden. Da diese in der Entwick- lung und der Durchführung meist zeit- und kostspielig sind, wird das selbstgesteuerte und formell unabhängige informelle Lernen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern immer wich- tiger (vgl. Kortsch et al., 2019). Formelles Lernen Eine Möglichkeit, Lernaktivitäten der Mitarbeitenden aktiv und effektiv zu steuern, ist das Aufsetzen und Durchführen eines formalen Lernprozesses in Form von Trainings. Unab- hängig davon, wie diese durchgeführt werden, eines haben sie gemein: Das Lernen basiert auf einem festen und forma- len Lehrplan, der meist in einem Klassenzimmer oder einer ähnlichen Einrichtung bzw. formellen Umgebung durchgeführt wird (vgl. Kauffeld, 2016). Informelles Lernen Nach Noe und Kollegen (2013) wird informelles Lernen als selbstgesteuert durch den Lernenden definiert, welches dann aufkommt, wenn Lernende durchReflexion in einer bestimmten Situation feststellen, dass weiteres Wissen oder Informationen benötigt werden. Dies kann der Fall sein, wenn vorhandenes Wissen durch die Arbeit an einem spezifischen Problem oder Fall angewendet werden muss und dies durch das bis zu die- sem Zeitpunkt vorhandene Wissen nicht gelöst werden kann oder ein unbekanntes Problem auftritt. Agiles Lernen weltweit: Wann informelles Lernen auf formelles Lernen folgt Von Svenja Richter und Prof. Dr. Simone Kauffeld (Technische Universität Braunschweig) Informelles Lernen kann demnach drei unterschiedliche For- men annehmen: die praktische Anwendung des erworbenen Wissens, den Versuch, ein Problem durch zwischenmensch- liche Hilfe zu verstehen, oder die Nutzung anderer nicht-perso- nell interaktiver Quellen, wie bspw. das Studium schriftlichen Materials (vgl. Abb. 1). Das Zusammenspiel von formellem und informellem Lernen als agiles Lernkontinuum Da formelle Lerneinheiten auch in Zukunft (bspw. für das stan- dardisierte und professionell angeleitete Lernen an hochau- tomatisierten Komponenten und neuen Technologien) nicht redundant werden, ist es für Unternehmen von immenser Wichtigkeit, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch nach formellen Lerneinheiten intrinsisch motiviert sind, ihr Wissen durch kontinuierliches Lernen zu erweitern und somit die Chancen eines gewinnbringenden und effizienten Trans- fers zu steigern. Ein agiles Lernkontinuum beschreibt hierbei das Zusammenspiel aus formellem und informellem Lernen. Nach einem notwendigen formellen Lernprozess folgt ein vom Lerner selbst initiierter informeller Lernprozess (Lernen von und mit anderen durch informellen Austausch, Selbstversuch oder Selbststudium) und mittels dieses kontinuierlichen Wei- terlernens wird das formell erworbene Wissen ständig und vor allem bei Bedarf erweitert. Ein solch weiterführender Wis­ senserwerb und anschließender Transfer ist die anzustrebende agile Lösung: Dieses Vorgehen ist den heutigen Gegebenheiten angepasst, da Wissen flexibel und schnell erweitert und ge- nutzt werden kann. Unstrittig ist, dass für den reinen Transfer nach einem Trai- ning die Zufriedenheit mit einem solchen keinen hohen Stel- lenwert innehat (vgl. Kauffeld, 2016). Befragungen nach der Zufriedenheit werden hier als „Happy Sheets“ oftmals nicht sonderlich beachtet, geschweige denn weiterverwendet (vgl. Hauser et al., 2020). Die bisherige Forschung konnte keine nennenswerten Auswirkungen der Zufriedenheit mit einem formellen Training auf das Lernen und dem im Nachgang statt- findenden Transfer feststellen (Kauffeld, 2016). Intrapersonelle Faktoren wie bspw. die Motivation zum Transfer, der Trainings- inhalt selbst, aber auch Umgebungsfaktoren wie die Unterstüt-

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