Personal Quarterly 4/2021

9 04 / 21 PERSONALquarterly S chneller, effizienter, innovativer: Die rasant steigenden Anforderungen der neuen Arbeitswelt verändern grundlegend die Art und Weise, wie Unternehmen handeln. Die meisten Unternehmen reagieren auf diese massive Veränderung in ihrer Umwelt mit einer tief- greifenden Neugestaltung von Strukturen, Prozessen und der Zusammenarbeit in der gesamten Organisation (Bruch et al., 2016). Der Umbruch der Arbeitswelt führt auch zu einer grund- legenden Neuausrichtung im Verständnis von Führung: Im 21. Jahrhundert kann in einer wissensbasierten Arbeitswelt keine einzelne Person Entscheidungen treffen, die der Kom- plexität und Unsicherheit jeder Situation gerecht werden. Die Aufmerksamkeit von Wissenschaft und Praxis verlagert sich dadurch zusehends von einer klassischen formal-hierarchisch agierenden Führungsperson auf Führungsprozesse, die sich innerhalb eines Teams und durch mehrere Teammitglieder ent- wickeln (Bruch et al., 2018). Eines der zentralen Konzepte in dieser Diskussion ist geteilte Führung (engl.: „Shared Leadership“), welches die Aufteilung von Führungsverantwortung, sprich eine Erweiterung der Ein- flussnahme um horizontale Elemente (das heißt, Mitarbeitende beeinflussen sich gegenseitig) nebst der klassischen vertikalen Führung von oben nach unten beschreibt (Zhu et al., 2018). Hierbei geht es aber nicht darum, eine Führungsposition for- mal auf zwei Personen aufzuteilen. Aufgaben, die typischerwei- se einer Führungskraft zugeschrieben werden, werden hierbei im Team aufgeteilt und Mitarbeitende können Entscheidungen auch selbst treffen (Bruch et al., 2018). Ein weiteres Element von Shared Leadership ist auch ein möglicher Wechsel der Führungsrollen: Die Führungsverantwortung rotiert im Team zu derjenigen Person, die in der jeweiligen Situation die Kern- expertise besitzt. Von immenser Bedeutung für die Unternehmenspraxis ist die Frage, wie man Shared Leadership innerhalb der eigenen Organisation fördern kann bzw. was die zentralen förderlichen Faktoren für die Entstehung dieser Art der Führung sind. Bis- herige Forschung konnte zeigen, dass sowohl das Verhalten der Führungskraft (z. B. ein transformationaler Führungsstil) als auch verschiedene Teamcharakteristika (z. B. die Teamzu- sammensetzung) die Entstehung von geteilter Führung fördern Shared Leadership und hierarchische Führung: Wirkung auf Energie, Erfolg und Innovation Von Leon Barton und Prof. Dr. Heike Bruch (Universität St. Gallen) können (vgl. z. B. Zhu et al., 2018). Des Weiteren konnte der po- sitive Einfluss von geteilter Führung auf verschiedene Aspekte der Teamperformance identifiziert werden, was die praktische Relevanz geteilter Führung unterstreicht. Allerdings ist bisher weder der Wirkmechanismus hinter dem Einfluss vertikaler Führung auf die Entstehung von ge- teilter Führung noch die Wirkung von geteilter Führung auf ganze Unternehmen ausreichend erforscht (Zhu et al., 2018). Aus diesem Grund beschäftigt sich die vorliegende Studie aus einer breiten Perspektive sowohl mit der Entstehung als auch mit der Wirkung von geteilter Führung auf Mitarbeitende und Organisationen. Hierfür werden die Ergebnisse aus einer groß angelegten Befragungsstudie aus den Jahren 2019 und 2020 ausgewertet und präsentiert. Zuvor wird als Grundlage für die vermuteten Zusammenhän- ge sowohl das Konzept der transformationalen Führung und deren Wirkung auf die Entstehung von geteilter Führung als auch die differenzierte Verbindung von geteilter Führung auf Innovation und Leistung näher skizziert. Transformationale Führung als Treiber geteilter Führung Bei der Entstehung von Shared Leadership steht paradoxerwei- se vor allem eine einzelne Person im Mittelpunkt: die formal-­ hierarchisch bestimmte Führungsperson. Denn sie kann sowohl durch die Zusammenstellung eines geeigneten Teams als auch durch gezielte Einflussnahme auf Motivation und Emotionen von Mitarbeitenden Shared Leadership fördern. Eine der re- nommiertesten und bewährtesten Führungstheorien stellt die transformationale Führung dar, welche im Kern aussagt, dass eine Führungskraft mittels der Vermittlung von einer Vision, von Inspiration, geistiger Anregung und individueller Berück- sichtigung die Mitarbeitenden dahingehend beeinflusst, ihre individuellen Ziele denen der Gruppe unterzuordnen und so höhere Leistung zu zeigen (Bass, 1985). In der vorliegenden Studie wird transformationale Führung auf Basis der Kategori- sierung nach Podsakoff et al. (1996) konzipiert. Das Verhalten einer transformationalen Führungskraft kann demnach durch die sechs Dimensionen Vorbildfunktion, Erschaffung einer Zu- kunftsvision, intellektuelle Anregung, individuelle Unterstüt-

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