Personal Quarterly 4/2021

7 04 / 21 PERSONALquarterly suggeriert, dass Führung das Problem ist und quasi Shared Leadership verhindert. Es gibt Situationen, in denen dies zu- trifft. Einfach loszulassen, ist dennoch nicht förderlich. Denn was wir dann haben, ist „Laissez-faire“, und in einem Füh- rungsvakuum entsteht kein Shared Leadership. Stattdessen zeigt sich, dass eine inspirierende Führung zur Förderung einer übergeordneten Sinnorientierung hilfreich ist genauso wie eine empowernde Führung, die Mitarbeitende zu Shared Leadership befähigt und bevollmächtigt. PERSONALquarterly: Wo sehen Sie die Risiken, wenn das Empower- ment nicht gelingt? Heike Bruch: Es gibt sicherlich Situationen, in denen Teams ein- fach überfordert sind, weil es ihnen an einer gemeinsamen Ziel- setzung fehlt und sie nicht genau wissen, wie sie ihre Freiräume ausfüllen sollen. Das stellen wir z. B. im Rahmen von New-Work- Transformationen fest, bei denen es vor allem zu Beginn nicht gelingt, Teams entsprechend zu empowern. Dann kommt es typi- scherweise zu starken Konflikten und großer Frustration. PERSONALquarterly: Nun plädieren Sie dafür, dass Führungskräfte nicht weniger, sondern mehr führen sollen, um New Work und Shared Leadership zu ermöglichen – dennoch dürften sich die Anforderungen an Führungskräfte nicht nur inkrementell wan- deln. Welchen Herausforderungen sehen sich Führungskräfte gegenüber, wenn sie beidhändig führen und situationsange- passt Shared Leadership fördern wollen? Heike Bruch: Der Wechsel zwischen beiden Führungsformen, wie zuvor beschrieben, ist (noch) nicht weit verbreitet und häufig dementsprechend nicht eingeübt. Vor allem bei Explorations- und Innovationsaufgaben empfiehlt sich Shared Leadership: Um empowernd zu führen und damit Shared Leadership zu fördern, ist bei Führungskräften ein Rollenwechsel notwendig. Zum einen müssen sich Führungskräfte darüber im Klaren sein, dass sie im Rahmen von Shared Leadership nicht mehr die Aufgabe haben, die Lösung selbst zu entwickeln und zu delegieren, wer welche Beiträge dazu leisten soll. Das ist dann nämlich zu großen Teilen dem Team selbst überlassen: Füh- rungskräfte sollen zwar einen Fokus setzen (das heißt, Ziele und Erwartungen definieren) und die Rahmenbedingungen für eigenständiges Arbeiten schaffen (das heißt, Konflikte moderieren, Ressourcen sicherstellen, dem Team den Rücken stärken), sich in inhaltlicher Hinsicht aber zurückziehen. Nicht selbst die Lösung zu entwickeln, fällt vielen Führungskräften jedoch sehr schwer. Viele kennen es nicht anders und sind so selbst erfolgreich geworden. Zum anderen müssen Führungs- kräfte lernen zu vertrauen – in dem Sinne, dass sie vielleicht mit einem anderen Ergebnis leben müssen, als sie selbst als Lösung entwickelt hätten. Beide Aspekte sind entscheidend, um ein Team zu empowern – ohne Vertrauen gelingt es nicht. Damit geht auch ein anderes Mindset einher: Führungskräfte PROF. DR. HEIKE BRUCH Professorin für Leadership an der Universität St. Gallen Heike Bruch studierte Betriebswirtschaftslehre an der Freien Universität Berlin, promovierte 1996 an der Universität Hannover und habilitierte 2001 an der Universität St. Gallen. Zwischen 1998 und 2001 arbeitete sie als Senior Research Fellow an der London Business School. Seit 2001 ist sie Professorin für Lea- dership und Direktorin des Instituts für Führung und Personal- management an der Universität St. Gallen. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich u. a. mit New Work & Culture, organisa- tionaler Energie und Dynamik und Leadership und gesunder Hochleistung. Heike Bruch berät Top-Führungskräfte in der Wirtschaft. Sie wurde mehrfach von der Zeitschrift Personalmagazin als einer der „40 führenden Köpfe“ im Personalmanagement ausgezeich- net – zuletzt 2021. © Enver Hirsch

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