Personal Quarterly 4/2021

6 SCHWERPUNKT _INTERVIEW PERSONALquarterly 04 / 21 PERSONALquarterly: Wenn über die „neue Arbeitswelt“ gesprochen wird, dann fallen Schlagworte wie: weniger Hierarchie, mehr Freiräume, mehr Empowerment. Doch was bedeutet das für die Führung in der neuen Arbeitswelt? Was sind die Gemeinsam- keiten und was die Unterschiede zwischen „New Leadership“ und klassischen Führungskonzepten? Heike Bruch: Zwei Punkte sind mir hier wichtig. Der erste ist: New Leadership heißt nicht weniger Führungsbedarf, sondern Leadership wird bestärkt. Es gibt ein leider weitverbreitetes Missverständnis, dass New Leadership mit „keine Führung“ gleichzusetzen ist. Die Gefahr hierbei ist eine Entwicklung hin zu einer „Laissez-faire“-Führung. Und das ist einer der größten Fehler, die man machen kann. Deswegen gilt grundsätzlich die Empfehlung, „Unbossing“ zu betreiben: Eine übermäßig hierarchische, command-and-control-artige und autoritäre Führungsform sollte abgebaut werden, nicht aber Leadership – Leadership muss sogar bestärkt werden. Auf keinen Fall darf es zu „Nicht-Führung“ oder einem Führungsvakuum kommen. Der zweite Punkt ist ein starker Fokus auf inspirierender Füh- rung. Die zentrale Aufgabe von Leadership ist es, Menschen zu inspirieren, Sinn zu vermitteln, und damit Mitarbeitenden Orientierung zu geben und ihre gemeinsame Identifikation zu stärken. Als Ergänzung zur inspirierenden Führung empfehle ich vor allem im New-Work-Umfeld eine beidhändige Führung. Das heißt: Je nach Situation oder Kontext soll Führung eher effizienzorientiert oder eher explorationsorientiert ausgerich- tet sein. Letzteres beinhaltet eine Ausrichtung auf Innovation, Disruption und die Entwicklung neuer Ideen, sodass Leadership stärker auf Empowerment und Shared Leadership fokussiert sein sollte. Welches Führungsverhalten jeweils passend ist, hängt sehr stark von den Aufgaben und Anforderungen ab. Es gibt Kontexte, in denen eher ergebnisorientiert geführt werden muss, weil es wichtig ist, dass sich Mitarbeitende an Vorgaben halten – wie zum Beispiel bei Porsche Motorsport, bei denen wir in einem empirischen Projekt das Konzept und unser Verständ- nis von beidhändiger Führung entwickelt haben. Dort ist der effizienzorientierte Kontext die Rennstrecke: Es gibt sehr klar definierte Prozesse, bei der Mitarbeitende enge Vorgaben haben, die keine Fehler erlauben und die unter absolutem Zeitdruck auszuführen sind. Dann gibt es aber auch Aufgabenkontexte wie bei Porsche Motorsport zum Beispiel die Fahrzeugentwick- Shared Leadership: Voraussetzungen, Chancen und Risiken Das Interview mit Prof. Dr. Heike Bruch führte Dr. Benjamin Krebs lung, die Explorations- und innovationsförderliche Führung erfordern. Hier geht es um eine Arbeitsweise ähnlich der von Start-ups, um Experimente, bei denen Fehler gemacht werden müssen, um zu lernen und Neues zu erschaffen. In solchen Situationen oder Kontexten spielt Shared Leadership eine be- sonders große Rolle, entsteht aber typischerweise nicht spontan und schon gar nicht durch „Laissez faire“. Stattdessen kommt der Führung die entscheidende Aufgabe zu, Shared Leadership aktiv zu fördern – durch empowernde, inspirierende Führung. PERSONALquarterly: Selbstkritisch betrachtet könnte der Fokus un- seres Special Issues auf Shared und Emergent Leadership einen Trend weg von hierarchischer, formeller Führung suggerieren. Aber das ist nicht der Fall? Heike Bruch: Nein. Shared Leadership konkurriert nicht mit hie­ rarchischer Führung. Ganz im Gegenteil: Wie auch unsere For- schung empirisch zeigt, u. a. auch unser Beitrag hier (Anm.: Seite 11ff), ist Shared Leadership sogar stärker ausgeprägt, wenn transformational geführt wird. An den Studienergebnissen wird deutlich, dass Shared Leadership nicht die alleinige Antwort ist – es ist zusätzlich inspirierende bzw. transformationale Füh- rung notwendig. Denn die Identifikation mit gemeinsamen über- geordneten Zielen unterstützt Shared Leadership genauso wie Wertschätzung, Vorbildhandeln und entwicklungsförderndes Handeln von Führungskräften. PERSONALquarterly: Zumindest auf den ersten Blick erscheint die Forderung paradox: Shared Leadership im Sinne informeller Führung, aber gleichzeitig mehr „traditionelle“ formelle Füh- rung. Das kann sicherlich Verwirrung stiften? Heike Bruch: Die Gleichung New Work bzw. New Leadership gleich No Leadership ist ein weitverbreitetes Missverständnis. Hinzu kommt noch die ebenfalls missverständliche Vorstel- lung, Shared Leadership sei eine Alternative zu inspirierender Führung, so als lägen beide auf einem Kontinuum und es gelte: entweder das eine oder das andere. Das ist vollkommen falsch. Shared Leadership ist sehr anspruchsvoll und geht daher oft schief. Förderlich ist es, wenn Selbstführung und Eigeninitia- tive aktiv von Führungskräften gefördert werden – und das ist mehr als loslassen. Die Vorstellung, dass Shared Leadership dadurch entsteht, dass Führungskräfte „einfach loslassen“,

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