Personal Quarterly 4/2021
57 04 / 21 PERSONALquarterly PROF. DR. ANTOINETTE WEIBEL Ordentliche Professorin für Personalmanagement FAA – Forschungsinstitut für Arbeit und Arbeitswelten Universität St. Gallen antoinette.weibel@unisg.ch www.faa.unisg.ch relevante Forschung vorantreiben“. Das bedeutet für sie eine praxisorientierte Forschung und eine Forschung, die auch die ethische Frage stellt: „Welche Art des Zusammenlebens wollen wir?“ Professorin Weibel setzt mit Kollegen die interdiszipli- näre Webseite www.goodorganisations.com au f, die sie einen „virtuellen Salon mit geladenen Leadern“ nennt und – als Bü- cherfan mit umfangreicher Hausbibliothek – auch „Bibliothek der guten Praxis“. Goodorganisations geht gerade an den Start und hat sich zum Ziel gemacht, der Organisationsforschung eine dezidiert humanistische Seite zu verleihen. Forschen macht Arbeit und Vergnügen, so wirkt es auf Ge- sprächspartner, wenn Antoinette Weibel von ihren Projekten berichtet. Wobei intensive Arbeit zwischen Büchern und in der Onlinewelt ohnehin Spaß zu machen scheint, weil sie die Neugierde teils zufriedenstellt, aber teils auch unbekannte Themenfelder öffnet. Und weil jede Forschungsfrage eigene Details in den Vordergrund stellt, entscheiden sich genau da- ran das Konstrukt und die Methoden, die angewendet werden am FAA. Quantitativ in Feld- oder Survey-Experimenten und Befragungen sowie qualitativ in Fallstudien: Bei den wissen- schaftlichen Methoden gibt es keine Denkverbote. „Außer Laborexperimenten habe ich schon alles gemacht“, sagt An- toinette Weibel. „Aber auch die will ich für die Zukunft nicht ausschließen.“ Wer das Vertrauen in die Europäische Union erforschen möchte, benötigt einfach andere Instrumente als derjenige, der Stakeholder-Misstrauen untersucht. Der Erfolg gibt ihr Recht: Antoinette Weibel erlangt in For- schungsrankings regelmäßig gute Platzierungen. Und auch die praxisorientierte Community hat sie entdeckt: In diesem Jahr zählt Antoinette Weibel erstmals zu den 40 HR-Köpfen, die das Personalmagazin alle zwei Jahre aus Wissenschaft, Management und Beratung auswählt. Ihre exzellente For- schung und ihre Zusammenarbeit mit Unternehmen spielten eine Rolle, aber auch, dass sie statt auf technische Überwa- chung von Mitarbeitenden auf ein höheres Einfühlungsvermö- gen der Führungskräfte setzt. Algorithmen beeinflussen das Vertrauensverhältnis Die passionierte Forscherin dreht ihr Vertrauensthema dyna- misch und mit einem konsequenten Blick auf Aktualität wei- ter. Natürlich haben auch die Algorithmen Einzug gehalten in ihrer Forschung. Ein noch junges Projekt geht der Frage nach, wie Algorithmen das Vertrauensverhältnis am Arbeitsplatz beeinflussen. Wie wirken Fehlermeldungen von Maschinen und wie die von Vorgesetzten? Es gäbe so viele Themen, so Weibel, dass sie vielen interessierten kommenden Akade- mikerinnen Bachelor- und Masterarbeiten anbieten und ihre Promotionen betreuen könne. Dabei gilt auch in der Lehre die Grundhaltung, über die die Hochschullehrerin forscht: Stu- dierende und Institutsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter er- halten einen Vertrauensvorschuss. Aber ein Vertrauensklima braucht auch klare Grenzen; schwierig wird es, wenn das Ver- trauen der anderen Teammitglieder wiederholt ausgebeutet wird. Hier bedarf es manchmal auch offener und kritischer Gespräche. Wenn keine Veränderung spürbar ist, muss man sich auch mal trennen. Ihren Studentinnen und Studenten, die in die betriebliche Praxis gehen, will die Hochschullehrerin „kritisches Denken mit auf den Weg geben“. Dazu gehört auch die Integration wirtschaftsethischer Diskurse in die Betriebs- wirtschaftslehre. Das bringt Antoinette Weibel auch in wissenschaftliche Netzwerke ein – als Präsidentin des First International Net- work of Trust Researchers (FINT) und als Vorstandsmitglied SAGW Schweizerische Akademie für Sozial- und Geisteswis- senschaften. Ob Ehrenamt oder Lehre, Forschung oder Unter- nehmenspraxis, Vortrag oder Diskussion – ihr Motto bringt USG-Professorin Weibel leicht unter: „Trust rocks.“
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