Personal Quarterly 4/2021
56 SERVICE _FORSCHERPORTRÄT PERSONALquarterly 04 / 21 Wie Vertrauensvorschuss funktioniert Die Arbeitswelt ist voller Misstrauen. Zu Unrecht. Das belegt HSG-Professorin Antoi- nette Weibel immer wieder mit Studien über Vertrauens- und Motivationsmanagement. Ruth Lemmer, Freie Wirtschaftsjournalistin in Duisburg A ntoinette Weibel hat ein positives Menschenbild. Die 52-Jährige sieht bei ihren Zeitgenossen Freu- de, intrinsische Motivation und Liberalität im ur- sprünglichen, nicht im eingeengten ökonomischen Sinn. „Der Mensch kommt eher gut auf die Welt“, meint die Professorin für Personalmanagement an der Universität St. Gallen. Doch es reicht ihr nicht, diese Meinung zu vertreten, sie überprüft sie am Forschungsinstitut für Arbeit und Arbeits- welten (FAA) empirisch. Sprühend vor Arbeitslust untersucht die Forscherin aus Leidenschaft, was bei Mitarbeitern Engage- ment und Motivation ausmacht, wie Vertrauensmanagement sich in Organisationen auswirkt und wie vertrauensbasierte Führung die Unternehmen voranbringen kann. Wie schon ihre Mentoren, die Professoren Margit Osterloh und Bruno S. Frey 1995 an der Universität Zürich, geht Weibel immer wieder Varianten der Frage nach Vertrauen und Macht auf den Grund. Geboren in Luzern, aufgewachsen in Berlin und in der Nähe von Zürich, studierte Antoinette Weibel Ökonomie an der Universität Zürich und arbeitete anschließend als wis- senschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für Organisation, In- novations- und Technologiemanagement. 2002 promovierte sie dort bei Professorin Osterloh. Ihr Thema: „Kooperation in strategischen Wissensnetzwerken. Vertrauen und Kontrol- le zur Lösung des strategischen Dilemmas.“ Die Ökonomin blieb als Oberassistentin am Osterloh-Lehrstuhl und präsen- tierte ihre Ergebnisse international auf Kongressen und in wissenschaftlichen Publikationen, bis sie 2008 nach ihrer Ha- bilitationsschrift „Governing Voluntary Work Behaviors“ die Lehrbefugnis für Betriebswirtschaftslehre erhielt. Noch im Jahr ihrer Habilitation ging Hochschullehrerin Wei- bel nach langen Zürcher Jahren auf Tour. Zuerst übernahm sie im Fürstentum Liechtenstein den Lehrstuhl für Management an der Universität in der Hauptstadt Vaduz. 2010 folgte die Professorin dem Ruf nach Deutschland: An der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften übernahm sie den Lehrstuhl für Personal, Führung und Entscheidung im öffentlichen Sektor. Es folgte im Herbst desselben Jahres der Wechsel an den Lehrstuhl für Verwaltungswissenschaft, ins- besondere Managementlehre, der Universität Konstanz. In dieser Zeit veröffentlichte Antoinette Weibel mit Forscherkol- legen Aufsätze zur Wirkung von Vertrauen auf Arbeitnehmer und über die Motivation, mit der Führungskräfte sich in ih- rem Führungsstil für Vertrauen oder dagegen entscheiden. Sie geht der Frage nach, ob Ver- und Misstrauen zwei Seiten einer Medaille sind und welche Rolle Vertrauen in virtuellen, oft zusätzlich internationalen Teams spielt, damit diese erfolg- reich arbeiten. Boni zerstören die intrinsische Motivation Seit 2014 hat die Schweiz ihre Staatsbürgerin wieder. An der Universität St. Gallen startete Antoinette Weibel im Gebiet Personalmanagement – als Ordinaria und Direktorin des In- stituts für Führung und Personalmanagement. Inzwischen ist das Personalmanagement angesiedelt im FAA und die Vertrau- ens- und Organisationsforscherin Weibel dort Direktorin. Ihre Schwerpunkte hat die Forscherin mitgebracht. Ihre Studien ergebnisse machen sie zu einer vehementen Gegnerin von Bo- ni, die ihrer Ansicht nach „auf der Teppichetage“ Fehlanreize schaffen und die intrinsische Motivation zerstören. Aktuell läuft an ihrem Lehrstuhl eine Dissertation über die Einfüh- rung von Team-Boni in einem Unternehmen – mit allen Ri- siken der Feldforschung. „In Unternehmen tobt das Leben“, sagt die Wissenschaftlerin. So manche modische Manage- mentmethode geht für Weibel in die falsche Richtung. Nicht nur, aber auch unter wirtschaftsethischen Überlegungen. So auch das Performance Management, an dem sie fundierte Kritik übt. New Work brauche eigenständige entscheidungs- freudige und kreative Mitarbeiter und Führungskräfte. Das System aber basiere auf Misstrauen, versuche zu vermessen, was nicht messbar ist, nämlich Kreativität und Einzigartigkeit. Und schließlich verursachten ständige Vergleiche und über- mäßige Leistungstransparenz eine emotionale Erschöpfung. „Der interne Wettbewerb ist wenig förderlich für die Motiva- tion des Einzelnen und das Arbeitsergebnis der Teams“, sagt Forscherin Weibel voller Überzeugung – und setzt ein klares Bekenntnis dagegen: „Vertrauen lohnt sich.“ Dieses Wissen muss in die Unternehmen getragen werden. „Wie kann man es gescheiter machen?“, fragt die Betriebswir- tin, die vorrechnet, dass für unsinnige Führungsmethoden viel Budget versenkt wird. Die Professorin will dagegen „eine
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