Personal Quarterly 4/2021

54 SERVICE _DIE FAKTEN HINTER DER SCHLAGZEILE PERSONALquarterly 04 / 21 D as Handelsblatt überschreibt den Artikel zu Janina Kugel am24.4.2021mit „Raus aus der Komfortzone“. Die ehemalige Siemens-Personalvorstandsfrau und ihr frischgedrucktes Buch, „It‘s now. Leben, Führen, Arbeiten. Wir kennen die Regeln, jetzt ändern wir sie“, ermu- tige alle Leser und Leserinnen, Zustände nicht zu beklagen, sondern sie zu ändern. Kugel hat Siemens im Zwist mit dem Vorstandsvorsitzenden Joe Kaeser verlassen, ist jetzt Multi- Aufsichtsrätin und Beraterin – und reiht sich ein in die Riege der Spitzenmanagerinnen, die ihre Posten räumen, statt klein beizugeben. Überraschende Wechsel innerhalb von Karrieren wie der ihre ist den Medien immer einen Artikel Wert. So war es in diesem Jahr auch bei Elke Eller, die mehrere Jahre den Bundesverband der Personalmanager BPM lenkte, als Per- sonalvorständin von Tui im Sommer ihren Abschied nahm – und sich nun bei Linkedin als freiberufliche Entrepreneurin, Coach und Beraterin bezeichnet. Für VW-Mann Bernd Oster- loh, der mit 64 Jahren vom Konzernbetriebsratschefsessel in den Vorstand der VW-Lkw-Tochter Traton wechselte, gab es gar ein ganzes Feuerwerk an Überschriften: „Ich bin kein Verräter“, titelte Zeit online am 28.4.2021. „Betriebsratschef Bernd Osterloh wechselt die Seiten“, hieß es etwas schlichter am 23.4.2021 in der Süddeutschen Zeitung. Und „Der mäch- tigste Betriebsrat tritt ab“, lautete die Dachzeile im Tagesspie- gel am gleichen Tag, in die Überschrift schaffte es auch dort der Seitenwechsel. Karriereverläufe zeichnen sich durch Stabilität aus Aber selbst weniger spektakuläre Karriereverläufe von Ma- nagern und Managerinnen beschäftigen Journalisten und Wissenschaftler. So promovierte Aleksandra Endemann 2017 an der Universität Hamburg über „Karrieremuster deutscher Führungskräfte“. Die Lehrbeauftragte im Fachbereich Sozial- ökonomie der Universität Hamburg nutzte dazu die Daten des Sozio-oekonomischen Panels SOEP. Sequenzen innerhalb von 20 Beobachtungsjahren ab 1994 analysierte die Forscherin. Die Ergebnisse sind in Band 56 der Schriftenreihe „Empirische Personal- und Organisationsforschung“ im Rainer Hampp Ver- lag erschienen. Hier eine Auswahl: Die Führungskräftekarrie- Karrieren haben individuelle Komponenten, aber Forscher entdecken auch Muster. Sie machen deutsche Führungskräfte, Frauen und Betriebsräte zum Gegenstand von Studien. Arbeitsintensiver Aufstieg ren zeichnen sich durch hohe Stabilität aus. Knapp die Hälfte der Führungskräfte stieg innerbetrieblich auf. Vor allem in grö- ßeren Unternehmen sind traditionelle Karrieren mit internen Aufstiegen wahrscheinlich. „Das sind geschützte, geschlossene Arbeitsmärkte“, beschreibt Endemann. „Und selbst bei den ex- ternen Wechseln geht beinahe die Hälfte der Karrieren nahtlos von einer Organisation zur nächsten weiter.“ Stabilisierende Faktoren für die traditionelle Aufstiegswahrscheinlichkeit in der ersten Hälfte des Beobachtungszeitraums sind regelmä- ßige Überstunden, eine geringe Freizeitorientierung und Kin- derlosigkeit. Im Vorteil ist auch, wer keine Arbeiterherkunft aufweist und aus Westdeutschland kommt. Insgesamt selten ist dagegen bei Führungskräften eine sprunghafte Mobilität. Unsichere Karriereverläufe mit Abstiegen, unfreiwilligen und sehr vielen Wechseln fand Forscherin Endemann lediglich bei einem Viertel der Führungskräfte. Stereotype Rollenzuschreibungen ignorieren Dieser breit angelegten Datenanalyse stehen Studien gegen- über, die ganz speziellen Fragestellungen nachgehen. So will Professorin Isabell Welpe wissen, wie die Karrieremuster der Frauen aussehen, die es in der Wirtschaft an die Spitze ge- bracht haben. Die Inhaberin des Lehrstuhls für Strategie und Organisation an der Technischen Universität München (TUM) initiierte ein Projekt, in dem sie und Theresa Treffers, Post- doc am Welpe-Lehrstuhl, 24 Interviews mit Managerinnen in Vorständen und Aufsichtsräten aus Dax und M-Dax führten – fragebogengestützt und anonymisiert. Ihren Aufstieg starteten diese Wirtschaftsfrauen, als Diversity und Frauenquote noch nicht wie heute auf der Tagesordnung standen. Kooperations- partner Manager Magazin ergänzte die Forschung mit Gesprä- chen, in denen einige Top-Frauen über ihre Karriereschritte berichteten (MM 7/2021). Welpe und Treffers suchen nach Gemeinsamkeiten und Un- terschieden in den Karrieremustern von Frauen und Männern – in der Forschungsliteratur und in eigenen Studien. Die Daten von Fidar, Destatis und TUM zählen 52 Prozent Hochschulab- solventinnen, 47 Prozent Erwerbstätige, aber nur 13 Prozent Vorständinnen und 33 Prozent Aufsichtsrätinnen. Im euro- päischen Vergleich liegen Frauen in Führungspositionen in Ruth Lemmer , Freie Wirtschaftsjournalistin in Duisburg

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==