Personal Quarterly 4/2021
50 SERVICE _NACHRUF PERSONALquarterly 04 / 21 New Work in Brandenburg Der Tod von Frithjof Bergmann im Alter von 90 Jahren gibt Anlass, einen Blick auf sein Lebenswerk und seine Einflüsse auf den Arbeitsmarkt zu werfen. Von Prof. em. Dr. Dieter Wagner (Universität Potsdam), Ursula Klingmüller und Prof. Dr.-Ing. Andreas Gebhardt (FH Aachen) D er kürzlich verstorbene Philosoph und Management- soziologe Frithjof Bergmann hat mit seinen Ideen zu „New Work“ auch das Human Resource Management nachhaltig beeinflusst. Vieles wie z. B. „Agilität“ oder „mobiles Arbeiten“ hat sich inzwischen verselbstständigt und gute Chancen, sich unter „Moden und Mythen“ einzureihen. Da- bei kann „New Work“ nach wie vor mehr sein als eine zeitgemäß erscheinende Managementtechnologie. Nahezu zeitlos ist bspw. die Frage, ob „Arbeit glücklich macht – oder krank“, wie sie in der Diskussion um den Wertewandel in den 80er Jahren gestellt wurde, oder ob sie doch ein Weg zu mehr „Individualisierung und Flexibilisierung“ jenseits von modern daherkommenden Rationalisierungsmethoden ist. Die folgenden Ausführungen beschreiben einige eher unbekannte Facetten des Wirkens von Frithjof Bergmann in Brandenburg und Berlin. Zum arbeitsmarktpolitischen Ansatz 1996 hielt Frithjof Bergmann imWissenschaftszentrum Berlin (WZB) einen Vortrag zum Thema „Neue Arbeit – Neue Kultur“. Auch die damalige Arbeitsministerin Regine Hildebrandt und der damalige Abteilungsleiter für Arbeit des Landes Branden- burg, Dr. Rolf Schmachtenberg, waren unter den Zuhörern. Etwa 2006 wurde über Umsetzungsmöglichkeiten von „New Work – New Culture“ nachgedacht. Bergmann hielt einen Workshop zu „Neuer Arbeit – Neuer Kultur“, organisiert durch die Landesagentur für Struktur und Arbeit (LASA), und unter- breitete im persönlichen Gespräch das Anliegen, eine Fabrik für Elektroautos zur Beschäftigung Langzeitarbeitsloser – in- spiriert durch Erfahrungen in Indien – zu gründen. Leider sah man sich außerstande, aus dem Ministerium heraus so ein Unternehmen zu gründen oder ein geeignetes Unternehmen dazu zu ermuntern. Allerdings gab es durchaus ein grundsätzliches Interesse von- seiten der Unternehmerschaft, auch wenn man seiner Vorstel- lung von selbstbestimmter Arbeit skeptisch gegenüberstand. Dabei wurde das Thema der digitalen Bauteilherstellung in der Diskussion mit Frithjof Bergmann über die Jahre zuneh- mend relevant. Dazu zählte die Frage, ob eine Digitalisierung der Arbeit, die ja auch den Erwerb von Kenntnissen (auch ein Grund für die Einrichtung von Center of New Work) erfordert, zu größerer Freiheit des Einzelnen beiträgt. Führt also „die Werkstatt auf dem Küchentisch“ zu mehr Freiheit für den Ein- zelnen? Unter demAspekt der Selbstversorgung auch mit High- Tech-Gütern war für ihn die Antwort eindeutig Ja. Sowohl für den Einzelnen als auch gesamtwirtschaftlich zählt allerdings auch die oft vernachlässigte Frage nach der Produktivität, also die Problematik, ob jeder all die Dinge, die er selbst herstellen kann, in der zur Verfügung stehenden Zeit auch wirtschaftlich herzustellen in der Lage ist. Darin begründet sich die Idee des Tauschhandels, in dessen Rahmen jeder das herstellt, was er am besten und damit auch am schnellsten kann. Bergmann war kein erklärter Freund des Tauschhandels, aber auch kein Feind dieser Idee. Diese Diskussion wurde leider nie zu Ende geführt. © Scott Mann
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