Personal Quarterly 4/2021
48 STATE OF THE ART _PSYCHOLOGISCHE SICHERHEIT PERSONALquarterly 04 / 21 ihrer Metastudie untersuchen die Autoren zunächst den di- rekten Zusammenhang zwischen psychologischer Sicherheit und Lernen und kommen – wenig überraschend – zu ähnlichen Ergebnissen, wie oben dargestellt. Darauf aufbauend untersu- chen sie näher, unter welchen Bedingungen der Zusammen- hang zwischen psychologischer Sicherheit und Lernverhalten besonders groß oder eher klein ist. Sie konzentrieren sich da- bei insbesondere auf die Intensität des Wissens (knowledge intensity), das für die erfolgreiche Aufgabenerledigung erfor- derlich ist, und können drei Charakteristika identifizieren, unter denen der Einfluss psychologischer Sicherheit auf das Lernverhalten besonders groß ist. Als wichtigster Faktor er- gibt sich die Komplexität der Arbeitsaufgaben, das heißt das Ausmaß, in dem die Aufgabenerledigung unterschiedliche Qualifikationen und Fertigkeiten erfordert: Je komplexer die Aufgabe, das heißt umso wissensintensiver die Aufgabenerle- digung, umso wichtiger ist psychologische Sicherheit für den Lern- und Teamerfolg. Darüber hinaus steigt die Bedeutung psychologischer Sicherheit, wenn die Natur der Aufgaben Kreativität und Sinnstiftung („sensemaking“, das heißt die Konstruktion eines sinnvollen Ganzen aus vielfältigen Infor- mationen) erfordert. Einflussfaktoren auf die psychologische Sicherheit Nachdem der positive Einfluss auf zentrale personalwirtschaft- liche Erfolgsgrößen nachgewiesen ist, stellt sich die Frage, wie psychologische Sicherheit erzeugt werden kann. Abbildung 2 fasst die wesentlichen Ergebnisse zusammen. Es zeigt sich, dass psychologische Sicherheit auf unter- schiedlichen Ebenen entstehen kann bzw. aus unterschied- lichen Quellen gespeist wird: Sowohl die Führungskraft als auch Kollegen und die Organisation können psychologische Sicherheit fördern. Auch die Aufgabengestaltung bzw. die Charakteristika der zu erfüllenden Aufgabe beeinflussen das subjektive Empfinden psychologischer Sicherheit. Demgegen- über spielen Persönlichkeitseigenschaften der Teammitglieder nur eine untergeordnete oder gar keine Rolle: Eine proaktive Persönlichkeit (r=0,35) und emotionale Stabilität (r=0,17) sind schwach bis mittel mit psychologischer Sicherheit korreliert. Offenheit hingegen bleibt in der Untersuchung ohne signifi- kanten Einfluss (Frazier et al, 2017, 129). Róisín O´Donovan und Eilish McAuliffe (2020) untersuchen konkrete Interventionstechniken wie Fallstudienbearbeitung oder Videopräsentationen zur Förderung psychologischer Si- cherheit, finden aber keine belastbaren Zusammenhänge, die die Vorteilhaftigkeit dieser Techniken belegen könnten. Gesamtmodell Die bisherigen Ausführungen zeigen, dass psychologische Sicherheit ein zentraler Faktor für den Teamerfolg ist und dieser Effekt insbesondere durch Lernen und Austausch im Team entsteht. Die komplexen Zusammenhänge haben Ingrid M. Nembhard und Amy C. Edmondson (2012) in einem Ge- samtmodell visualisiert, welches wir in vereinfachter Form in Abbildung 3 darstellen. Zusammenfassung und praktische Implikationen 3 P sychologische Sicherheit ist kein reines Modethema. Wis- senschaftliche Studien belegen den positiven Einfluss auf personalwirtschaftliche Ergebnisgrößen. 3 T eamerfolg ist gestaltbar und hängt nicht nur von der Team- zusammensetzung und der Verteilung von Rollen ab. 3 D ie Messung der psychologischen Sicherheit ist in der Praxis einfach und schnell durchführbar. Der Einsatz für die Team- diagnose in der Praxis ist empfehlenswert. 3 P sychologische Sicherheit entsteht durch positive Bezie- hungen zur Führungskraft (insbesondere transformationale Führung) und eine unterstützende Arbeitsumgebung, wobei diese Unterstützung sowohl aus der Organisation als auch von Kollegen kommen kann. 3 P sychologische Sicherheit hat einen besonders hohen po- sitiven Einfluss, wenn die Arbeitsaufgaben Kreativität und Sinnstiftung erfordern und wenn die Arbeitsaufgaben kom- plex sind.
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