Personal Quarterly 4/2021
39 04 / 21 PERSONALquarterly F usionen und Übernahmen (Mergers & Acquisitions, M&As) sind ein wichtiges Element erfolgreicher Un- ternehmensführung. Im Jahr 2018 überstieg das Vo- lumen der M&A-Deals 3,8 Billionen US-Dollar – eine Verdreifachung gegenüber dem Volumen von vor 15 Jahren. Ein wesentlicher Grund für diesen Anstieg sind neue Marktan- forderungen in Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung. Doch es ist Vorsicht geboten: Einige der bekanntesten Fusionen sind Citibank und Travelers, Chrysler und Daimler-Benz, AOL und Time Warner, MCI und World Com sowie Exxon und Mobil. Heute zeigt sich, dass jede dieser fünf Fusionen – und viele an- dere – dramatisch gescheitert ist. Und dies scheint weniger die Ausnahme als die Norm zu sein (Bauer/Matzler, 2014). Im Falle des Scheiterns einer M&A-Transaktion ist der Schaden für die Aktionäre oft enorm. So ergab z. B. eine Analyse von 16 groß- en M&As zwischen 1998 und 2012 eine Wertvernichtung von insgesamt nahezu einer Billion USD (Rathnow, 2014, S. 334). Viele Autoren sehen einen unzureichenden Umgang mit dem „Faktor Mensch“ als einen wichtigen Grund dafür, dass M&As häufig ihre Geschäftsziele nicht erreichen (DePamphilis, 2019; Distler, 2018; Rathnow/Walter, 2018). Dies ist kein neues The- ma für die Forschung. Die Beschäftigung mit dem Einflussfak- tor Mensch in organisatorischen Transformationen aller Art kann als einer der größten Trends in der Managementliteratur der letzten 20 Jahre angesehen werden (Angwin et al., 2016; Weber/Tarba, 2012). Es ist jedoch zweifelhaft, ob verantwort- liche Manager in M&A-Transaktionen aus diesem Diskurs und aus Fehlern der Vergangenheit gelernt haben (DePamphilis, 2019, S. 25). Der „Faktor Mensch“ in M&A-Transaktionen Bereits 1996 veröffentlichte Kotter seinen Bestseller „Leading Change“, in dem er seinen aus acht Schritten bestehenden Veränderungsmanagementprozess vorstellte. Dieser Prozess konzentrierte sich ausschließlich auf die Information, Befä- higung und Beteiligung der Mitarbeitenden als wesentliche Erfolgsfaktoren für organisatorische Transformationen (Kot- ter, 1996). Es überrascht nicht, dass diese und ähnliche Veröf- fentlichungen auch zu Untersuchungen der Rolle des „Faktor Mensch“ bei M&A-Transaktionen führte. Gute Übersichten Erfolgsfaktor Mensch bei M&As: Eigentlich sollten wir es besser wissen Von Prof. Dr. Götz Walter , Désirée Schweig und Prof. Dr. Peter Rathnow (International School of Management ISM) über den aktuellen Stand der Forschung in diesem Bereich geben Gomes et al. (2013) und Sarala et al. (2019). Eine pra- xisorientierte Auflistung über geeignete Maßnahmen in der Pre- und Post-Merger-Phase ist in Rathnow/Walter (2018) zu finden. Die Rolle des „Faktor Mensch“ bei M&A-Transaktionen repräsentiert ein vielschichtiges und komplexes Themenfeld. Im Folgenden wird ein Definitionsversuch des „Faktor Mensch“ bei M&A-Transaktionen vorgenommen. Sarala et al. (2019) definieren in ihrem Überblicksartikel sechs neue Wege für die Forschung über den „Faktor Mensch“ von M&As, die sich gut als Überblick über die verschiedenen Dimensionen dieses Begriffs eignen. Der „Faktor Mensch“ in M&A Transaktionen umfasst … 1. vielschichtige Identitätsdynamiken, die sowohl nationale als auch organisatorische Identitäten einschließen und von Ma- nagern und Mitarbeitenden genutzt werden, um sich selbst und andere zu kategorisieren, 2. emotionale Prozesse von Menschen, die in die Fusionen und Übernahmen involviert und davon betroffen sind, 3. Beteiligungs- und Änderungsprozesse, und wie sich diese auf die Akzeptanz des M&A auswirken, 4. Widerstand, das heißt, wie die Akteure Fusionen und Über- nahmen interpretieren, ihnen einen Sinn geben und auf sie reagieren, 5. Praktiken und Instrumente des Personalmanagements, wie z. B. Personalbesetzung, Schulung, Mentoring, Coaching, sowie 6. neue Formen der Kommunikation. Die Forschung identifizierte verschiedene Erfolgsfaktoren für das Management des „Faktor Mensch“ im Zusammenhang mit M&A-Transaktionen. Bspw. eine gute kulturelle Übereinstim- mung zwischen den fusionierenden Unternehmen, gründliche kulturelle Due-Diligence-Prozesse, eine Annäherungszeit vor M&A-Transaktionen, eine angemessene Kommunikation vor, während und nach M&A-Transaktionen, umUnsicherheiten und Ängste unter Mitarbeitenden zu vermeiden und die Integrati- onsbotschaft zu vermitteln, sowie ein engagiertes Post-Merger- Integrationsteam, welches die kulturelle und organisatorische Annäherung vorantreibt und vorhandene Erwartungshaltungen in allen beteiligten Organisationseinheiten aktiv managt (Gomes et al., 2013). Klendauer et al. (2003) fassen psychologische
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