Personal Quarterly 4/2021
PERSONALquarterly 04 / 21 30 SCHWERPUNKT _FÜHRUNG Überraschenderweise gab es sogar unter den 77 Mitarbei- tern, die das Rätsel falsch gelöst hatten, immerhin 10, die im Wissen, dass ihre Lösung falsch ist, auf ihr beharrten und dadurch ihre Auszahlung im Experiment reduzierten. Ein Teil der Teilnehmer wurde (wie beschrieben) gefragt, ob sie zu bestimmten Kosten darauf bestünden, dass die Lösung von ihnen kommt. Ein anderer Teil der Teilnehmer wurde ge- fragt, wie viel sie bereit wären, für die Ablehnung der Lösung auszugeben. Diese Messung wurde so gestaltet, dass die Antwor- ten der Teilnehmer nicht rein hypothetisch waren, sondern reale Auswirkungen hatten. Sie bekamen also eine geringere Auszah- lung, wenn sie bereit waren, mehr für die Ablehnung zu zahlen. Fast drei Viertel der Ablehnenden bezahlten mehr als 1,20 Euro für das rein symbolische Ersetzen der richtigen Lösung der Führungskraft durch ihre Lösung. Im Durchschnitt gaben die Ablehnenden dafür 2,10 Euro aus. Umdiese möglicherweise klein wirkenden Beträge in einen entsprechenden Kontext zu stellen: Die Teilnehmer verzichteten damit auf mehr als einen frisch hergestellten Cappuccino, den sie sich unmittelbar nach dem Experiment in der exklusiveren der beiden Cafeterias an der Uni Paderborn von dieser Summe hätten leisten können. Diese für die Teilnehmer durchaus attraktive Möglichkeit wur- de also für das symbolische Ersetzen der Lösung geopfert. Ein zweiter relevanter Vergleichsmaßstab war die relative Größe der Verluste. Damit die Teilnehmer des Experiments dieses ernst nahmen, richtete sich ihr Verdienst nach ihrem Stundenlohn (in diesem Fall dem einer studentischen Hilfs- kraft). Die aufgegebenen Summen stellten nun einen nicht zu vernachlässigenden Teil des im Experiment insgesamt durch eigene Entscheidungen erarbeitbaren Einkommens dar, näm- lich 15 bis 25 %. Gründe für die Ablehnung: Autonomie demonstrieren und Selbstwirksamkeit erfahren In der Gruppe, in der die Führungskraft nur erfuhr, dass ihre Unterstützung abgelehnt wurde, und in der alle drei Ursachen wirken konnten (R-Gruppe), lehnten fast ein Viertel die Unter- stützung ab. Wurde nun die Notwendigkeit für die Mitarbeiter entfernt, die eigene Kompetenz signalisieren zu müssen (RC Gruppe), dann sank die Ablehnung nicht (vgl. Abb. 1). Der Wunsch, der Führungskraft Lösungskompetenz zu signalisie- ren, spielte also zumindest bei den Versuchspersonen in dieser Situation keine Rolle. Erfuhr die Führungskraft nie von der Ablehnung, sodass die- se zum Signalisieren der eigenen Autonomie ungeeignet war (C-Gruppe), so lehnten signifikant weniger Mitarbeiter ab. Der Wunsch, gegenüber der Führungskraft die eigene Autonomie zu demonstrieren, spielte also eine Rolle bei der Ablehnung. Obwohl der Anteil der Ablehnung fällt, wenn Mitarbeiter durch die Ablehnung kein Zeichen für die Führungskraft set- zen können, verschwindet die Ablehnung nicht völlig. Mehr als jede zehnte Versuchsperson lehnte auch dann ab, wenn niemand von der Ablehnung erfuhr (C-Gruppe). Dieser An- teil unterscheidet sich signifikant von den knapp 3 %, die feh- lerhaft für eine Stückelung bezahlten, die sie ohnehin hätten bekommen können. Die Ablehnung in dieser Situation lässt sich durch den Wunsch des Mitarbeiters erklären, sich als selbstwirksam wahrzunehmen. Übertragbarkeit der Ergebnisse in die Praxis Die Erhebung der Daten an Studierenden im Labor ermöglichte die Verwendung echter Anreize und die genaue Identifikation der Gründe, warum Unterstützung abgelehnt wird. Sie werfen aber auch die berechtigte Frage auf, welche Rückschlüsse auf die Praxis aus dieser eher „künstlichen“ Situation und nicht repräsentativen Gruppe gezogen werden können. Als angehende Akademiker werden die Studierenden später im Berufsleben Aufgaben übernehmen, für die typischerweise ein transformationaler Führungsstil als geeignet angesehen wird. Insofern ist die Frage, wie sie mit Unterstützung um- gehen, relevant. Die im Experiment gefundenen Anteile sind natürlich so nicht direkt auf die Praxis übertragbar. Auch wäre es vorschnell anzunehmen, dass Mitarbeiter kein Interesse haben, ihre Kompetenz zu signalisieren. Anders als im Experi- Quelle: Eigene Darstellung Abb. 1: Ergebnis des Experiments 24,36% (19/78) 26,23% (20/76) 14,08% (10/71) nur von der Ableh- nung erfährt (R-Gruppe) von Ablehnung und Korrektheit der Lösung erfährt (RC-Gruppe) nur von Korrektheit und nicht von Ab- lehnung erfährt (C-Gruppe) Anteil der abgelehnten Unterstützung, wenn der Unterstützer ... nicht signifikant signifikant (5%-Niveau) signifikant (5%-Niveau) Fehlerrate: 2,8% (4/71)
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