Personal Quarterly 4/2021
29 04 / 21 PERSONALquarterly wusste, dass seine Lösung genauso richtig war wie die der Füh- rungskraft, änderte das Beharren auf seiner Lösung also nicht das Ergebnis. Er konnte nicht kontrollieren, wie die Lösung aussah, sondern nur wessen Lösung verwendet wurde. Um abzubilden, dass Insistieren mit Aufwand Stress etc. verbun- den ist, war Beharren im Experiment kostspielig. Bei reinem Interesse an einer maximalen Auszahlung gab es also keinen Grund, auf der eigenen Lösung zu beharren. Da die Ablehnung dem Mitarbeiter schadete, die Auszahlung der Führungskraft jedoch nicht beeinflusste, stellte sich der Mitarbeiter durch Ablehnung nicht nur absolut, sondern auch relativ schlechter. Warum wird eine Lösung abgelehnt, nur weil sie von jemand anderem kommt? Da im Experiment Führungskraft und Mitarbeiter nicht an- derweitig miteinander kommunizieren konnten, war die Ab- lehnung geeignet, um der Führungskraft etwas „mitzuteilen“. 2 Kompetenz signalisieren. Ein möglicher Grund, die vorge- setzte Lösung abzulehnen, ist, dass die Person durch die Ab- lehnung zeigen will, dass sie bereits allein die richtige Lösung gefunden hat. In diesem Fall geht es der Person um Anerken- nung ihrer Fähigkeiten. Die unnötige Ablehnung kann also vermieden werden, wenn die Person dennoch zeigen kann, was sie „draufhat“. Eigenständigkeit demonstrieren. Ein weiterer möglicher Grund ist, dass die ablehnende Person nach außen ihre Ei- genständigkeit demonstrieren will. Der fürsorgliche Eingriff könnte von Außenstehenden als Zeichen für Unmündigkeit oder Unselbstständigkeit wahrgenommen werden. Der Mitar- beiter wehrt sich, damit dieser Eindruck nicht aufkommt. In diesem Fall wäre es also wichtiger, dass die Führungskraft die Unabhängigkeit des Mitarbeiters anerkennt und nicht unbe- dingt seine Kompetenz. Als selbstwirksam wahrnehmen. Schließlich kann es sein, dass die Person den Eingriff nicht ablehnt, um irgendjemand etwas zu zeigen, sondern nur um sich selbst als autonomes We- sen wahrzunehmen. Die Ablehnung gibt ihr dann das Gefühl der Selbstwirksamkeit. Während eine Führungskraft Kompe- tenz und Autonomie anerkennen kann, ist der Wunsch des Mitarbeiters, selbstwirksam zu sein, nicht direkt erfüllbar. Die Führungskraft kann lediglich die Räume schaffen, in denen sich der Mitarbeiter als selbstwirksam wahrnehmen kann. Wie lassen sich die Ursachen der Ablehnung experimentell feststellen? Welches der drei Motive überhaupt zu einer Ablehnung führt, wird dadurch beeinflusst, welchen Informationsstand die Füh- rungskraft hat. Im Experiment variierten wir daher den Infor- mationsstand in unterschiedlichen Gruppen. Weiß die Führungskraft nur, dass der Mitarbeiter die Hilfe abgelehnt hat (Resistance- oder R-Gruppe), kann jede der drei möglichen Ursachen der Grund für die Ablehnung sein: Signa- lisieren von Kompetenz, Demonstrieren von Eigenständigkeit und selbstwirksame Wahrnehmung. Weiß die Führungskraft zusätzlich, dass die Lösung des Mitarbeiters korrekt ist (Re- sistance-Correctness- oder RC-Gruppe), dann entfällt für den Mitarbeiter das Motiv, die eigene Lösungskompetenz über die Ablehnung zeigen zu müssen. Die Führungskraft kennt diese Kompetenz ja bereits. Weiß die Führungskraft nicht, ob die Unterstützung abgelehnt wurde, sondern nur ob die Lösung des Mitarbeiters korrekt war (Correctness- oder C-Gruppe), dann kann die Ablehnung natürlich auch nicht benutzt werden, um der Führungskraft ein Signal zu senden, weder für Kompetenz noch Autonomie. Durch systematische Variation der zur Ver- fügung stehenden Information lassen sich also verschiedene Motive für die Ablehnung ausschließen. Ergebnis: kostspielige Ablehnung der richtigen Lösung Ungefähr ein Fünftel der Mitarbeiter nahm im Experiment echte Kosten in Kauf, um die richtige Lösung der Führungs- kraft durch die ebenso richtige identische eigene Lösung zu ersetzen. Um einen Eindruck davon zu bekommen, wie viele Versuchspersonen „aus Versehen“ dieselben Kosten ohne Ge- genleistung aufwenden, haben wir sie gefragt, ob sie bereit wären, für eine bestimmte Stückelung zu zahlen, die sie ohne- hin bekommen hätten. Nur knapp 3 % und damit signifikant weniger Teilnehmer haben diese Art von Fehler begangen – siehe Abbildung 1. ABSTRACT Forschungsfrage: Wann und warum lehnen Mitarbeiter Unterstützung durch ihre Führungs- kraft ab? Methodik: In einem Experiment können Versuchspersonen Unterstützung ablehnen und auf ihrer eigenen Lösung beharren. Um die Gründe für Ablehnung zu identifizieren, wird die Information variiert, die dem Unterstützer übermittelt wird. Praktische Implikationen: Bei gut gemeinten Hilfsangeboten sollten Führungskräfte Mit- arbeitern Raum geben, sich als selbstwirksam wahrzunehmen und dies zu zeigen – auch und gerade dann, wenn sie sich mit den Zielen der Führungskraft identifizieren. 2 Natürlich ist in der Wirklichkeit sehr viel mehr Kommunikation möglich. Allerdings gilt auch dort, dass Kommunikation, die durch kostspielige Handlungen unterlegt ist, besonders glaubhaft ist.
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