Personal Quarterly 4/2021

25 04 / 21 PERSONALquarterly dieser Art der Tätigkeitsausführung zwar oft in zumindest zu­ friedenstellenden Ergebnissen münden. Allerdings ist der Inno­ vationsgrad gering und die langfristigen Resultate sind in einer sich ständig wandelnden Arbeitswelt dann doch schnell unzurei­ chend. Hinzu kommt, dass bereits die ausbleibende aktive Annah­ me der von der Führungskraft delegierten Aufgaben durch die Teammitglieder aufseiten der Führungskraft als Bedrohung ihrer Rollenidentität wahrgenommen werden kann. Konkret kommt ein entsprechendes Teammitglied zwar den in seiner Aufgabenbe­ schreibung festgelegten Tätigkeiten nach (handelt also innerhalb des ihm oder ihr formal zugestandenen Handlungsspielraums), weicht damit aber dennoch von dem Erwartungshorizont der Führungskraft ab, welcher häufig ein aktiveres Verhalten der Teammitglieder beinhaltet (z. B. dass Teammitglieder delegierte Aufgaben explizit als angenommen rückmelden sowie Zwischen­ stände und den Abschluss der Bearbeitung ungefragt an die Füh­ rungskraft kommunizieren). Die ungünstigste Konstellation von formeller und infor­ meller Führung manifestiert sich dann, wenn die formelle Führungskraft mit der Einstellung „Ich führe selbst“ auf ein Team trifft, dass ebenfalls Führung beansprucht. Hier treten schnell Grabenkämpfe um soziale Einflussnahme auf, welche sich bspw. darin beobachten lassen, dass eigentlich unwichtige Nebensächlichkeiten (z. B.: Über welchen Kanal verschicken wir das Protokoll?) plötzlich zu großen Konfliktherden werden. Auch Generationenkonflikte können an dem Auftreten einer solchen Konstellation beteiligt sein: Die erfahrene Managerin, die ein junges Team übernimmt, oder der Manager, der vom hierarchisch orientierten Konzern in ein Start-up wechselt, müssen oft eine Neudefinition ihrer Identität als Führungs­ kraft durchlaufen, bevor sich die Zusammenarbeit in Richtung dynamischer Koordination verändern kann. Implikationen für die Personalarbeit Was können Mitarbeitende von Personalabteilungen, die auf der Basis neuster wissenschaftlicher Erkenntnisse zu einem besse­ ren Zusammenwirken von formeller und informeller Führung in ihrem Unternehmen beitragen möchten, aus der hier zusam­ mengefassten Forschung und Klassifizierung mitnehmen? Zuerst ist festzuhalten, dass das Angebot von Trainings­ programmen und Weiterbildungen für Mitarbeitende zu Führungsthematiken zentral ist für die Verbesserung der Zu­ sammenarbeit zwischen verschiedenen Hierarchieebenen in Unternehmen. Damit die dynamische Koordination gelingt und Mitarbeitende nicht selbst in einen passiven Zustand verfal­ len, sobald sie auf eine passive Führungskraft treffen, sollten Fortbildungen zu lateraler Führung (also Führung unter gleich­ rangigen Personen) oder „Führung von unten“ zum Standard­ repertoire gehören. Hier bieten sich innovative Formate an, die bspw. Erkenntnisse aus den Organisationsformen von Gras­ wurzelbewegungen einflechten. Zweitens empfehlen wir, den meist sowieso schon umfang­ reichen Katalog an kompetenzbezogenen Führungskräftetrai­ nings nicht noch weiter auszubauen. Vielmehr wird es für formelle Führungskräfte zentral werden, ihre rollenbezogene Identität kritisch zu hinterfragen (Maurer/London, 2018; Ste­ wart et al., 2017). Ein vielversprechendes inneres Konzept für das Selbstverständnis als Führungskraft ist bspw. die Rolle des unterstützenden Coachs, der Teil des Teams ist und die Werte des Teams verkörpert (vgl. Haslam et al., 2020). Um eine derartig gefestigte Identität zu erlangen, bieten sich vor allem individualisierte und kürzere Einzelsessions mit einer Traine­ rin oder einem Trainer an, die oft unbewusst vorhandene Rol­ lenverständnisse aufdecken, dekonstruieren und gemeinsam mit der Führungskraft neu entwickeln (Maurer/London, 2018). In diesem Prozess können auch Rollenvorbilder eine wichtige motivierende Wirkung haben, da diese authentisch aufzeigen, wie dynamische Koordination gelingen kann. Entsprechend ist für das Gelingen eines derartigen Ansatzes in einer Organisati­ on neben individualisierten Trainingsmaßnahmen die Vorbild­ wirkung der höheren Führungsebenen nicht zu unterschätzen. Im dritten Schritt – das heißt, nachdem die Führungskom­ petenzen von Mitarbeitenden ausgebaut und die Identität der Führungskraft als unterstützender Coach gestärkt wurden – können regelmäßige gemeinsameWorkshops mit der formellen Führungskraft und den Teammitgliedern zusätzliche Wirkung auf der Teamebene entfalten. Ausgehend von der sozialen Iden­ titätstheorie der Führung (Haslam et al., 2020; Kerschreiter/ Dick, 2017), nach der das Ausmaß des Einflusses einer Füh­ rungskraft im Team darauf beruht, dass sie eine gemeinsame soziale Identität der Teammitglieder verkörpert, voranbringt, gestaltet und zum Leben erweckt, wurde von Haslam und Kolle­ gen (2017) ein fünfstufiges Programm entwickelt, das es Teams ermöglicht, eine derartige gemeinsame soziale Identität zu ent­ wickeln und auszubauen. Im Hinblick auf ein geteiltes Verständnis davon, wie Füh­ rung idealerweise gestaltet werden sollte, ist es zudem viel­ versprechend, dass Führungskraft und Teammitglieder die jeweiligen expliziten und impliziten Idealvorstellungen von Führung und die daraus resultierenden Erwartungen an Füh­ rungskräfte und Teammitglieder kennenlernen. Hierzu bieten sich Übungen an, die mit bildlichen Methoden dazu beitragen, dass auch über Aspekte gesprochen wird, die nur schwer zu verbalisieren sind. Bspw. können Führungskraft und Teammit­ glieder zunächst getrennt überlegen und aufschreiben, welche Aspekte aus ihrer jeweiligen Sicht für Führung bzw. eine Füh­ rungskraft wichtig sind und was eine Führungskraft effektiv macht. In einem zweiten Schritt können Führungskraft und Teammitglieder dann darüber diskutieren, Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Sichtweisen herausarbeiten und schließ­ lich gemeinsam eine Zeichnung des Zusammenwirkens von Führung im teamspezifischen Kontext anfertigen. In größeren

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