Personal Quarterly 4/2021

20 PERSONALquarterly 04 / 21 SCHWERPUNKT _FÜHRUNG formale Führung nicht ersetzen soll. Vielmehr kann die Füh- rungskraft durch ihr aktives Führungsverhalten SL im Team steigern, um so die Teamarbeit zu verbessern. Führungskräfte sollten also nicht einfach Verantwortung und Entscheidungs- freiheit abgeben, sondern das Team auch bei geteilter Füh- rung weiter unterstützen. Teamführung (ob geteilt oder nicht) sollte immer individuell auf die Mitarbeitenden und das Team abgestimmt sein. Neben inspirierenden Teamzielen und der identitätsstiftenden Funktion der transformationalen Führung sollten auch die Bedürfnisse des Teams berücksichtigt werden, damit durch SL keine Be- oder Überlastung entstehen. Kom- munikation ist hier der Schlüssel, damit nur so viele Selbst­ organisationsanforderungen (über Entscheidungsfreiheit und Handlungsspielraum) gestellt werden, wie es den Kompe- tenzen und auch den Wünschen des Teams entspricht. Lern- und Entwicklungschancen Autonomie und Kompetenzaufbau der Teammitglieder kön- nen darüber hinaus gezielt gefördert werden. Führungskräfte spielen dabei eine wichtige Rolle, da sie in der Regel über die Gestaltung der Arbeitsbedingungen in den Teams großen Ein- fluss darauf haben, welche Lern- und Entwicklungschancen die Mitglieder ihrer Teams im Arbeitsalltag erhalten (Ribbat, 2020). Amundsen und Martinsen (2014) weisen auf Lern- und Entwicklungsförderung als wichtiges Element von formaler Führung hin, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu ei- genständigem Handeln und „Selbstführung“ zu befähigen. Neben den Vorteilen von transformationaler Führung für Leis­ tung, Motivation und Gesundheit kann dieser Führungsstil insbesondere auch als lernförderlich angesehen werden. Denn dieser Führungsstil ist darauf ausgerichtet, Kreativität und Neugier zu fördern, neues Wissen in die Teams zu integrieren, Wandel hervorzubringen und Empowerment bzw. Proaktivi- tät im Team zu fördern (Bucic/Robinson/Ramburuth, 2010). So können Führungskräfte ihre Teams aktiv auf selbststän- diges Agieren und Shared Leadership hin entwickeln. Dyer und Kollegen (2018) haben einen vielversprechenden Ansatz entwickelt, um Lernmotivation bei der Arbeit, individuelle Ent- wicklungspfade, lernorientierte Führung und die strategische Organisationsentwicklung miteinander zu verknüpfen. Dies geschieht durch sog. „Learning Contracts“, das heißt soziale Verträge, die die individuelle Kompetenzentwicklung unter der Berücksichtigung organisationaler Ziele regeln, die lern- förderliche Führungsrolle manifestieren und dadurch orga- nisationale Unterstützung erlebbar machen (Ribbat, 2020). Die Ergebnisse dieser Studie sprechen dafür, dabei auch die Teamebene einzubeziehen. Das heißt, das Erfahrungslernen mit Blick auf Wahrnehmungen, Einstellungen, Verhaltens- weisen und Interaktionen bei der Zusammenarbeit im Team ausreichend zu berücksichtigen und „Learning Contracts“ für gesamte Teams auszuarbeiten. Im Zuge des digitalen Wandels in der Arbeitswelt kann da- von ausgegangen werden, dass die Arbeit in mehr oder weni- ger eigenständig agierenden Teams eine immer größere Rolle spielen wird. Diese Entwicklung unterstreicht auch die ak- tuelle Relevanz der Studienergebnisse. Zum einen erfordert der Wandel immer wieder Anpassungsleistungen und dadurch eine schnelle, kreative und adaptive Arbeitsorganisation. Zum anderen schaffen die technologischen Entwicklungen neue Möglichkeiten zur Vernetzung und zur Flexibilisierung von Arbeitsort und -zeit. Dadurch bekommt auch die Förderung und Gestaltung geteilter Führung eine große Bedeutung. Für viele formale Führungskräfte bedeutet dies allerdings eine Veränderung ihrer bisherigen Führungsrolle, weg von einer klassischen hierarchischen Führung durch Entscheidung und Kontrolle, hin zum Ermöglichen eigenständiger Teamarbeit (INQA, 2014). Um geteilte Führung mit geeigneter formaler Führung zu komplementieren, bedarf es daher auch des Blicks auf die besonderen Anforderungen für Führungskräfte. Füh- rungskräfte sollten durch Qualifizierung auf ihre Rolle als Un- terstützer von geteilter Führung vorbereitet werden. Darüber hinaus benötigen sie ausreichend Handlungsspielraum, um dem Team Verantwortung und Entscheidungsfreiheit anlass- und bedarfsgerecht übertragen zu können. Gleichzeitig bedarf es organisationaler Regelungen, die einen Orientierungsrah- men geben, welche Verantwortung von wem getragen werden kann undwelche Verantwortung bei formalen Führungskräften verbleiben sollte (wie bspw. die Wahrnehmung der Fürsorge- pflicht des Arbeitgebers). Ein solch formaler Ordnungsrahmen im Sinne expliziter Führungskonzepte in den Organisationen ist auch deshalb relevant, weil Führungskräfte selbst aufgrund der hohen Anforderungs- und Rollenvielfalt ihres eigenen Ar- beitsalltags als wichtige Zielgruppe für Unterstützung durch die Organisation im Hinblick auf etwa einschlägige Qualifika- tion oder der Einräumung zeitlicher Spielräume für die Füh- rungsaufgabe angesehen werden müssen.

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