Personal Quarterly 3/2021
56 SERVICE _FORSCHERPORTRÄT PERSONALquarterly 03 / 21 Familienfirmen im Fokus Bei Christina Hoon dreht sich beinahe alles um die Familie. Denn die Professorin an der Universität Bielefeld lehrt und forscht über Familienunternehmen aller Branchen. Ruth Lemmer, Freie Wirtschaftsjournalistin in Duisburg F ür traditionsreiche Familienunternehmen interes- sieren sich Historiker, die Namen, Zeitreihen und Ereignisse auflisten und analysieren. Auch Psycho- logen finden Forschungsgegenstände in den Firmen von Inhaberfamilien, ihrer menschlichen Dynamik, der Har- monie der Verwandten oder auch den Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern. Aber Christina Hoon ist Wirtschaftswissen- schaftlerin und Personalspezialistin. Die Inhaberin der Stif- tungsprofessur Führung von Familienunternehmen an der Universität Bielefeld hat einen anderen Blick auf das Funktio- nieren oder eben auch auf das Nichtfunktionieren von Firmen, deren Gesellschafter privat eine Familie sind. Die Aspekte von Forschung und Lehre betreffen Eigentümer wie Mitarbeitende. Da geht es um die strategische Wandlungs- fähigkeit des familiären Managements, darum, das Überleben des Unternehmens zu sichern, indem rechtzeitig Neuorien- tierungen an Marktdynamiken angepasst oder noch besser vorweggenommen werden. Da wird untersucht, wie es gelingt, effizientes Management nicht in Gegensatz zu einer Unter- nehmensführung, die auf Familientradition basiert, geraten zu lassen. Es liegt die Frage nahe, wie das Spannungsverhält- nis zwischen Familie, Vermögen und Unternehmertum stra- tegische Entscheidungen beeinflusst. Zu beobachten ist auch, wie Identität und Identifikation sich in Familienfirmen nicht nur über Generationen von Inhabern herausbilden, sondern wie auch Mitarbeiterfamilien enge Bindungen pflegen, weil sie schon in der vierten Generation dem Unternehmen angehören. „Die soziale Kontrolle wird in solchen Familiengefügen gleich bei der Arbeitsorganisation mit betrachtet“, legt Professorin Hoon den Unterschied zu Konzernen dar. „Das prägt nicht nur nostalgisch die Erinnerungen an damals, es prägt auch die Zu- kunftsvorstellung – und zwar bei Beschäftigten wie Besitzern.“ Und es beeinflusst die Anforderungen an Führung. Die un- tersucht die Forscherin mit Fallstudien zum Management von Familienunternehmen. Und zwar nicht durch abstrakte Daten, sondern vor Ort in Familienunternehmen. Da geht es um das Schaffen von Leitplanken bei familiären Beziehungen am Ar- beitsplatz oder darum, wie Leadership aussehen kann und muss. Gerade wenn Inhaber noch selbst führen, können sie mitreißen oder Kreativität bremsen. Patentrezepte sucht For- scherin Christina Hoon nicht, eher die Vielfalt der ökonomisch realen Modelle in der Unternehmenswelt. Dazu gehört auch die Frage, wie positiv oder negativ Mitarbeiter ihre Führungs- kräfte bewerten. Auf der Bewertungsplattform Kununu hat das Team von Professorin Hoon zum Beispiel im vergangenen Jahr 40.000 Einträge zu 148 Arbeitgebern ausgewertet. Die Überraschung: Nur jeder fünfte Arbeitnehmer gibt seinen Füh- rungskräften schlechte Noten. Aber Führungskräfte, die als de- struktiv und übergriffig erlebt werden, vergiften das Klima und zerstören die Mitarbeiterzufriedenheit. Hoon: „Und das kostet Geld.“ Oder wenn sie es positiv formuliert: „In gute Führung zu investieren, das lohnt sich ökonomisch.“ Das Thema toxische Führung wird Christina Hoonweiter auf ihrer Agenda behalten. Besonders in kleinen und mittelgroßen Unternehmen möchte sie vertiefen, wie sich die Ergebnisse der Plattform-Studie im Unternehmensalltag auswirken und was dies für die Führung bedeutet. Dabei möchte die Wissenschaftlerin auch eruieren, warum bei 16 Prozent der analysierten Kununu-Firmen ein raues Klima Umsatz und Erfolg steigern. Denn offensichtlich ist ein Kuschelklima nicht immer der Weisheit letzter Schluss. „Dieser Ausreißer zeigt, dass es einen breiten Korridor dessen gibt, was Menschen als angemessenes Führungsverhalten ak- zeptieren“, sagt Professorin Hoon – und nimmt die Erkenntnis als wissenschaftlichen Ansporn, in Feldstudien genauer hin- zuschauen. Stifter der Professur bereichern als Praktiker die Lehre Die Hochschullehrerin setzt bei diesen Feldstudien auch auf den intensiven Kontakt zu den Stiftern der Professur. Zu dem geschlossenen Kreis der 14 Hauptstifter gehören Mittelständ- ler mit Produkten und Namen, die weit über die Region hinaus Erfolg signalisieren: Initiator und Bauunternehmer Goldbeck, Wäschereitechniker Herbert Kannegießer in Vlotho, der Her- steller von Haushalts- und Gastronomiewaren Melitta Bentz in Minden, Türenspezialist Schüco International in Bielefeld und Scharnier- und Beschlagproduzent Hettich Holding in Kirch- lengern. Die Westfälisch-Lippische Universitätsgesellschaft in Bielefeld gewann weitere Unterstifter. Für zehn Jahre, also bis 2025, finanzieren die Stifter die Forschung zu Familienunter- nehmen und die universitäre Ausbildung von Management-
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==