Personal Quarterly 3/2021
54 SERVICE _DIE FAKTEN HINTER DER SCHLAGZEILE PERSONALquarterly 03 / 21 D ie Wirtschaftswoche sucht online auf wiwo.de am 23. Februar dieses Jahres im Beitrag „Tiefstapler sind ganz hervorragende Führungskräfte“ nach Charaktereigenschaften für gute Führung. Im B2B-Online-Newsletter it-daily.net werden imOktober 2019 „11 Gründe für das Scheitern von Führungskräften“ aufgelistet – darunter Persönlichkeitsdimensionen wie Sprunghaftigkeit, übertriebene Skepsis, aber auch Draufgängertum und Dienst- beflissenheit. Die Welt gibt online im September 2020 unter der Dachzeile „Schlechte Führungskräfte“ den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen gleich „Sechs Tipps, um Ihren Chef er- folgreich zu führen“. Von Loyalität und Verständnis ist da die Rede und davon, den Chef zu schützen, selbst gut zu arbeiten und demVorgesetzten Feedback unter vier Augen zu geben. Al- lerdings endet der Artikel mit dem Rat, sich rasch nach einem neuen Job umzuschauen, wenn „die Situation zu krass“ wird. Nicht nur dem Persönlichen und Zwischenmenschlichen, son- dern auch den Rahmenbedingungen für gute Führung in den Unternehmen geht der Havard Business Manager auf manager- magazin.de im April nach. Die Zielrichtung des Artikels be- schäftigt sich mit der Zukunft. „Wie Sie Führungsnachwuchs gewinnen“ beschreibt, dass sich Nachwuchstalente nicht für Führungsaufgaben gewinnen lassen, wenn sie befürchten müssen, mit dem Aufstieg auch die Verantwortung für mieses Arbeitsklima und schlechte Managemententscheidungen zu übernehmen. Erst alle Aspekte des Führens, von der Persönlichkeit über die Kompetenz bis zu den Rahmenbedingungen in den Unter- nehmen ergeben ein rundes Bild. Da sind sich die langjährigen Forscher für Personalmanagement und Organisation Karlheinz Schwuchow, Volker Stein und die Forscherin Sonja Sackmann einig. Und auch darin: Zum Gelingen von Führung in der Un- ternehmenspraxis muss die HR-Funktion ihren Anteil leisten, sonst macht sie sich überflüssig. Professorin Sonja Sackmann forschte und lehrte an der Uni- versität der Bundeswehr München, zum Beispiel über das In- novationspotenzial, das Unternehmen und Institutionen aus demWertespagat zwischen Mensch und Ökonomie entwickeln können. Die Organisationspsychologin, die seit April dieses Jahres emeritiert ist, aber schon seit März 2020 im Homeoffice Ursachenforschung bei Führungsversagen: Die Rahmenbedingungen in Unternehmen behindern kluges Führungsverhalten oder die Führenden sind nicht gut qualifiziert. Teams mit Vertrauen voranbringen arbeitet, forscht und schreibt nun ohne Lehrverpflichtung wei- ter über Unternehmenskultur – darunter brandaktuell und gemeinsam mit Organization-Behavior-Professorin Nancy Ad- ler von der McGill University im kanadischen Montreal über Führung in der Pandemie. Digitale Führung, die durch die Covid-19-Pandemie einen Hype erlebt, geht mit Kontrollver- lust einher. „Der menschliche Faktor sollte nicht unterschätzt werden“, sagt Forscherin Sackmann, „vor allemwenn in Unter- nehmen nach dem Managementprinzip Ansage und Kontrolle regiert wird.“ Schon 2004 war alternierende Telearbeit für die Hochschullehrerin ein Thema. Und damals wie heute fiel es Führungskräften in klassisch geprägten Unternehmen schwer darauf zu vertrauen, dass die Beschäftigten ihre Aufgaben auch dann pünktlich und sorgfältig erledigen, wenn die Arbeitsfort- schritte nicht überwacht werden. In der oberen Führungsetage fehlen Vorbilder Doch mangelndes Führungsverständnis beginnt schon früher. An den Hochschulen fehlt die Führungskomponente in der zumeist rein fachdisziplinären Ausbildung. „ZDF – Zahlen, Da- ten, Fakten – das zählt immer noch mehr als der Umgang mit Menschen“, stellt Sonja Sackmann fest. In den Unternehmen wird diese Haltung gefestigt: „Personalkennzahlen werden im Vorstand nicht so gut verkauft wie zum Beispiel Vertriebs- zahlen.“ Und weil das so ist, können Manager mit guter Füh- rung nicht punkten. „Zu oft werden die besten Sachbearbeiter zum Chef gemacht und denen fehlen dann die Kenntnis und die Erfahrung in der Führungsarbeit“, sagt Sonja Sackmann. Das Know-how müssen sie in der Weiterbildung nachholen. Ob sie die firmeneigenen Führungsgrundsätze nachhalten, wird zu selten überprüft. In der obersten Managementetage fehlen zudem häufig die Vorbilder. Feedback werde zu selten gegeben: „Die Auseinandersetzung mit der Person fehlt.“ Dem stimmt Professor Karlheinz Schwuchow zu. Der Pro- fessor für internationales Management an der Hochschule Bremen hört noch zu oft die Einstellung durchklingen, dass „Feedback doch nur von der Arbeit abhält“. Die Sensibilität für HR finde keinen Nährboden imManagement, weil die Kontroll- größe fehle. Daran allerdings sind die HR-Verantwortlichen nicht unschuldig. Sie vermitteln nicht stark genug, dass Soft Ruth Lemmer , Freie Wirtschaftsjournalistin in Duisburg
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==