Personal Quarterly 3/2021

52 ESSENTIALS _REZENSIONEN PERSONALquarterly 03 / 21 D ankbarkeit liegt im Trend. Das hat nicht zuletzt mit der zunehmenden Popularität der positiven Psy- chologie zu tun, die Dankbarkeit schon länger als zentrale Strategie zur Steigerung des Wohlbefindens betrachtet. Dankbarkeit beschreibt ein positives Gefühl der Anerkennung als Reaktion auf eine Zuwendung, die man durch eine andere Person erhält. Das Empfinden von Dankbarkeit kann trainiert werden. Klassische Dankbarkeitsinterventionen beinhalten Übungen, in denen die Teilnehmenden eine Liste aller Dinge erstellen sollen, für die sie dankbar sind. Solche Interventionen können zu mehr Optimismus und Lebensfreu- de führen und z. B. Angst oder Depressivität reduzieren. Seit einiger Zeit finden Dankbarkeitsinterventionen auch in Or- ganisationen verstärkt Beachtung. Locklear, Taylor und Am- brose von der University of Central Florida wollten nun in einer Studie herausfinden, ob eine Dankbarkeitsintervention dazu beitragen kann, zwischenmenschliches Fehlverhalten in Organisationen wie Unhöflichkeit, Ausgrenzung oder Lästern zu reduzieren. Die Wissenschaftlerinnen interessierte dabei insbesondere die Frage, wie genau sich die Wirksamkeit einer Dankbarkeitsintervention entfaltet. Auf Grundlage verschie- dener theoretischer Ansätze wurden vier mögliche Erklärungs- mechanismen identifiziert. Zum einen wurde angenommen, dass eine Dankbarkeitsintervention die prosoziale Motivation der Teilnehmenden fördern könnte, sodass es zu weniger zwi- schenmenschlichem Fehlverhalten am Arbeitsplatz kommt. Durch das Erleben von Dankbarkeit könnten die sozialen Be- ziehungen bei der Arbeit aber auch direkt gestärkt werden, wodurch sich gleichzeitig unhöfliche oder ausgrenzende Ver- haltensweisen reduzieren sollten. Ein weiterer Ansatz betont, dass unzureichende Ressourcen für die Selbstregulation das Auftreten zwischenmenschlichen Fehlverhaltens begünstigen. Selbstregulation ist ein Sammelbegriff für die Fähigkeiten, mit denen Menschen ihre Gedanken, Gefühle und Handlun- gen steuern. Für die Ausübung von Selbstkontrolle müssen kognitive Ressourcen aufgewendet werden, die jedoch nur begrenzt verfügbar sind und durch bestimmte Situationen erschöpft werden können. Über Dankbarkeitsinterventionen werden Ressourcen zur Selbstregulation wieder aufgefüllt bzw. neu aufgebaut, sodass Personen sich bei der Arbeit mit gerin- Reduziert Dankbarkeit soziales Fehlverhalten? Lauren R. Locklear, Shannon G. Taylor & Maureen L. Ambrose, M. L. (University of Central Florida): How a gratitude intervention influences workplace mistreatment: A multiple mediation model. Journal of Applied Psychology. Advance online publication, 2020, https://doi.org/10.1037/apl0000825 gerer Wahrscheinlichkeit anderen gegenüber unhöflich oder ausgrenzend verhalten sollten. Es ist außerdem denkbar, dass eine Verringerung sozialen Fehlverhaltens am Arbeitsplatz über die wahrgenommene soziale Unterstützung durch die Organisation vermittelt wird. Diese Erklärung beruht auf der Theorie des sozialen Austauschs. Das Erleben von Dankbarkeit könnte dazu führen, dass Mitarbeitende verstärkt wahrneh- men, wie sie durch ihre Organisation unterstützt werden. Dies löst wiederum das Gefühl aus, eine Gegenleistung erbringen zu müssen, und trägt so dazu bei, organisationsschädigendes Verhalten zu vermeiden. In zwei Studien mit 147 bzw. 204 Mitarbeitenden sollte überprüft werden, welche Ansätze erklären können, warum eine Dankbarkeitsintervention zwischenmenschliches Fehl- verhalten in Organisationen reduziert. Dafür wurden die Teilnehmenden in zwei Gruppen eingeteilt. In der Interven- tionsgruppe füllten die Teilnehmenden über zehn Arbeitstage hinweg abends ein Dankbarkeitstagebuch aus, in dem sie alle Dinge notierten, für die sie an diesem Tag dankbar waren. Die Teilnehmenden der Kontrollgruppe schrieben über ihre allgemeinen Erlebnisse bei der Arbeit. Mitarbeitende, die ein Dankbarkeitstagebuch führten, erlebten nach zwei Wochen im Vergleich zur Kontrollgruppe tatsächlich mehr Dankbar- keit. Sie berichteten zudem über engere soziale Beziehungen bei der Arbeit (Studie 1 und 2), mehr Selbstregulationsres- sourcen (Studie 1 und 2) und eine stärkere wahrgenommene soziale Unterstützung durch die Organisation (Studie 2). Es zeigten sich zwar keine direkten Effekte der Intervention auf das soziale Fehlverhalten. Allerdings reduzierte die Dankbar- keitsintervention unhöfliches und ausgrenzendes Verhalten sowie Lästern indirekt über die Stärkung der Selbstregula- tionsressourcen. Dieser indirekte Effekt war besonders stark ausgeprägt bei Personen, in deren Organisation Dankbarkeit zum normativen Verhalten gehört. Die Ergebnisse zeigen, dass soziales Fehlverhalten am Arbeitsplatz durch eine sehr ein- fache und ressourcenschonende Dankbarkeitsintervention – zumindest kurzfristig – reduziert werden kann. Auch wenn die Effekte der Intervention insgesamt eher klein sind und keine direkten Effekte auf das soziale Fehlverhalten gefunden wur- den, ist der Nachweis der Wirksamkeit der Intervention insbe- sondere vor demHintergrund bemerkenswert, dass eine aktive Kontrollgruppe eingesetzt wurde. Das regelmäßige Schreiben über allgemeine Erlebnisse des zurückliegenden Arbeitstags könnte ebenfalls positive Effekte haben, sodass die tatsächliche Wirksamkeit der Dankbarkeitsintervention noch etwas höher sein könnte. Weitere Studien sollten der Frage nachgehen, über welchen Zeitraum hinweg sich die Wirkung der Intervention entfaltet und wie lange die positiven Effekte bestehen bleiben. Besprochen von Maie Stein , Lehrstuhl für Arbeits- und Organi- sationspsychologie, Universität Hamburg

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