Personal Quarterly 3/2021

51 03 / 21 PERSONALquarterly um die Redeanteile zu ermitteln und zu bewerten, wer wie viele Vorschläge eingebracht und Entscheidungen getroffen hat (bzw. eher zugehört und gezögert hat, Vorschläge einzu- bringen) und wer die Diskussion angeleitet hat (bzw. sich den Ideen des anderen meist angeschlossen hat). Die Bewertung nahmen zwei externe Beobachter, die blind gegenüber den Studienhypothesen waren, unabhängig voneinander vor. Zwei weitere externe Beobachter bewerteten unter denselben Bedin- gungen, inwiefern in die Diskussion eingebrachte Informatio- nen gemeinsam diskutiert (verarbeitet) wurden und inwiefern die Implikationen dieser Informationen miteinander kombi- niert (integriert) wurden, um zu einer finalen Entscheidung zu gelangen. Die Ergebnisse der Experimente unterstützen die Argumen- tation der Autoren: Wenn der „Team Leader“ (das heißt die Führungskraft) seine Aufmerksamkeit stärker auf das status- niedrige Teammitglied lenkte, war dies mit einer geringeren Diskrepanz in der Einflussnahme beider Teammitglieder auf die Diskussion und die finale Entscheidung des Teams ver- bunden, und diese wiederum mit einer besseren Verarbeitung und Integration der eingebrachten Vorschläge und Ideen, was sich dann auch in einer besseren Teamleistung niederschlug. Die selektive Steuerung von Aufmerksamkeit auf statusnied- rige Teammitglieder stellt eine simple und effektive (sowie leicht erlernbare) Methode dar, mit der Führungskräfte bspw. in Meetings und Workshops die negativen Auswirkungen von Statusunterschieden in ihren Teams kompensieren können. Dennoch ist diese Methode eher als Ergänzung, denn als Er- satz für systematische Ansätze auf organisationaler Ebene zu sehen, die unerwünschte Auswirkungen von (insbesondere leistungs-irrelevanten) Statusunterschieden auf die Kommu- nikation zwischen Mitarbeitern zu verringern suchen (Organi- sationskultur, Protokolle etc.). Besprochen von Dr. Benjamin P. Krebs , Lehrstuhl International Business, Universität Paderborn S chon als Babys folgen wir instinktiv den Blicken un- serer Eltern – worauf diese ihre Aufmerksamkeit len- ken, muss wichtig sein und erfordert also auch unsere Aufmerksamkeit. Als Erwachsene, so argumentieren him und Kollegen, sind es unsere Vorgesetzten, deren Blicke unsere Aufmerksamkeit lenken und uns signalisieren, was oder wer wichtig ist. Da es ungleich leichter fällt, Führungs- kräfte darin zu trainieren, ihre (visuelle) Aufmerksamkeit zu steuern als einen Kulturwandel in einem Unternehmen her- beizuführen, haben sich Shim und Kollegen gefragt, ob die- ser Mechanismus dazu genutzt werden kann, statusniedrige Teammitglieder, wie bspw. junge unerfahrene Mitarbeiter, zu „empowern“ – das heißt, ihre Perspektive, Ideen und Kritik (kurz: Informationen) einzubringen, die sie sonst gegenüber statushöheren Teammitgliedern zurückhalten würden. Diese Frage hat insbesondere, aber nicht nur, in Hochrisiko-Kon- texten wie bspw. Airbus-Cockpits und OP-Sälen Relevanz, in denen ein Fehler, der nicht zur Sprache gebracht wird, fatale Konsequenzen haben kann. Wenn eine Führungskraft ihre visuelle Aufmerksamkeit selektiv auf statusniedrige Team- mitglieder lenkt, könnte dies gemäß der Argumentation von Shim und Kollegen deren Beteiligung an Diskussionen und Entscheidungen des Teams steigern und innerhalb des Teams zu einer besseren Verarbeitung und Integration von Ideen und Perspektiven führen, was sich letztlich auch in einer besseren Teamleistung niederschlagen sollte. Um ihre Hypothesen zu testen, führten die Autoren zwei Experimente durch, die sich nur geringfügig im Aufgabentyp und Statuskriterium unterschieden. In den Experimenten wur- den „Team Leader“ eingesetzt, die darauf trainiert waren, ihre visuelle Aufmerksamkeit gezielt zwischen zwei Probanden (Teammitgliedern) mit stereotypisch verschiedenem Status zu variieren, während sie die experimentelle Aufgabe beschrie- ben. Den „Team Leadern“ wurde entsprechende Legitimität verliehen, indem die Probanden auf deren Führungserfahrung hingewiesen wurden. Nach einer individuellen Vorbereitungs- zeit kamen die Teammitglieder zusammen, um Informationen auszutauschen, diese zu diskutieren und schließlich zu einer Entscheidung zu gelangen. Diese Diskussion wurde gefilmt, Keine Macht den Status­ unterschieden So-Hyeon Shim (University of Hong Kong), Robert W. Livingston (Harvard University), Katherine W. Phillips (Columbia Universi- ty), & Simon S. K. Lam (University of Hong Kong): The Impact of Leader Eye Gaze on Disparity in Member Influence: Implications for Process and Performance in Diverse Groups, Academy of Management Journal, in press, 1–63.

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