Personal Quarterly 3/2021
PERSONALquarterly 03 / 21 44 NEUE FORSCHUNG _ARBEITGEBERATTRAKTIVITÄT einer linearen Mehrfachregression mit der Veränderung der Arbeitgeberattraktivität als abhängiger Variable (einfach und zusätzlich Prüfung als z-standardisierte Variable) und den Vi gnetten als erklärende Variable (Dummyvariablen). Die Mo deration wird in einem Interaktionsterm aus der erklärenden Variable und der erwarteten Abschlussnote bzw. der Selbst wirksamkeitserwartung abgebildet. Wir vermuten, dass lei stungsstarke Bewerber durch eine verlängerte Probezeit als Befristungsgrund weniger stark abgeschreckt werden, da sie davon überzeugt sind, dass sie sich auch in einem kompeti tiven Umfeld durchsetzen werden. Der Moderator „erwartete Abschlussnote“ zeigt zwar das zu erwartende positive Vor zeichen (standardisierter Regressionskoeffizient beta=0,31; das heißt, je höher/schlechter die Note, desto schwächer der Zusammenhang mit der Arbeitgeberattraktivität), bleibt aber insignifikant (p=0,50). Insignifikante Ergebnisse ergeben sich auch bei der Operationalisierung über die Selbstwirksamkeits erwartung (beta=-0,36, p=0,35). Wir untersuchen in diesem Zusammenhang insbesondere den Zusammenhang zwischen befristeten Beschäftigungsan geboten und den aus Bewerbersicht wichtigen Arbeitgeber eigenschaften Betriebsklima und Entwicklungsmöglichkeiten mithilfe linearer Regressionen (abhängige Variable: Betriebs klima bzw. Entwicklungsmöglichkeiten, z-standardisiert; unabhängige Variablen: Dummyvariablen für die drei Befris tungsvignetten „ohne Begründung“, „verlängerte Probezeit“ und „unsichere Absatzmärkte“, Referenzkategorie „unbefris tetes Beschäftigungsverhältnis“). Die Ergebnisse sind in Abbil dung 3 dargestellt. Die Regressionskoeffizienten zeigen zwar durchgängig ein negatives Vorzeichen, das heißt, die Befris tung führt zu einer negativen Wahrnehmung von Betriebs klima und Entwicklungsmöglichkeiten. Lediglich im Fall der Befristung mit der Begründung verlängerte Probezeit ist der Zusammenhang zur Wahrnehmung des Betriebsklimas sta tistisch signifikant. Einschränkend ist jedoch zu berücksich tigen, dass die Einschätzung des Betriebsklimas im Rahmen der Vignettenstudie deutlich weniger valide ist als die unmit telbare Einschätzung, ob der Bewerbungsprozess fortgesetzt werden würde. Insofern sehen wir hierin einen möglichen Hinweis, dass die befristeten Beschäftigungsangebote von den Bewerberinnen und Bewerbern nicht nur auf die konkrete Stel le, sondern auf die Beschäftigungssituation im Unternehmen insgesamt hin interpretiert werden. Begrenzungen Die Befragung fand innerhalb der erstenWelle der Coronakrise statt, was insbesondere zwei Implikationen nach sich zieht: Erstens war die Rekrutierung von Probanden wegen fehlender Vor-Ort-Lehrveranstaltungen erschwert, sodass wir den Befra gungszeitraum zeitlich ausdehnen und zudem auf Studierende unterschiedlicher Hochschulen zurückgreifen mussten. Zwei tens trübten sich innerhalb des Befragungszeitraums die Kon junktur und die Beschäftigungsaussichten deutlich ein. Es ist nicht auszuschließen, dass sich dadurch die Attraktivität von Arbeitgebern und Beschäftigungsangeboten generell erhöht. Wir haben diesen Effekt für unseren Datensatz geprüft und finden keine signifikante Korrelation zwischen dem Zeitpunkt der Befragung und der Attraktivitätseinschätzung. Ein Grund hierfür kann darin liegen, dass die eigentlichen wirtschaft lichen Folgen der Coronakrise erst im Zuge der zahlreichen Hilfspakete während der zweiten Welle offenbar wurden. Fazit und praktische Implikationen Das Angebot befristeter Arbeitsverträge führt im Vergleich zu unbefristeten Angeboten zu einer substanziellen Reduktion der Bereitschaft der Bewerber zur Fortsetzung des Bewerbungspro zesses. Unternehmen sollten deshalb nicht gedankenlos diese arbeitsrechtlich legitime Option einsetzen. Vielmehr sollten sie genau abwägen, ob die dadurch zu erzielende Risikoreduktion für unsichere Ereignisse, die zwischen dem 7. und 18. Monate der Beschäftigung eintreten, tatsächlich betriebswirtschaftlich höher zu bewerten ist als die daraus resultierende Reduktion der Arbeitgeberattraktivität. Auf Basis der Untersuchungser gebnisse empfehlen wir Unternehmen, gerade in umkämpften Arbeitsmarktsegmenten das Risiko zu tragen und unbefristete Beschäftigungsangebote zu unterbreiten. Die Coronakrise hat die Bedeutung der Arbeitsplatzsicherheit als Faktor der Arbeitgeberattraktivität aus Sicht der Bewerber erhöht. Gleichzeitig hat die Unsicherheit aus Unternehmens sicht zugenommen. Insofern gilt es zukünftig klug abzuwägen, in welchem Umfang Unternehmen Risiken in Form befristeter Arbeitsverträge an die Bewerber weitergeben wollen.
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==