Personal Quarterly 3/2021

PERSONALquarterly 03 / 21 40 NEUE FORSCHUNG _ARBEITGEBERATTRAKTIVITÄT I m Jahr 2018 erfolgten 38 % der Neueinstellungen in Deutschland in Form von befristeten Verträgen, seit 2010 liegt der Anteil relativ stabil zwischen 38 % und 46 %. Dabei beschränken sich Befristungen nicht nur auf Tä­ tigkeiten mit geringen Qualifikationsanforderungen: Für Fach­ kräfte beträgt der Befristungsanteil 37 % und für Spezialisten/ Experten 30 %. Der überwiegende Teil dieser Befristungen er­ folgt für eine Dauer zwischen 7 und 18 Monaten (Gürtzgen et al., 2019). Jedoch haben Arbeitgeber in der Mehrzahl der Fälle durchaus eine langfristige Beschäftigungsperspektive vor Augen und wollen nicht nur einen kurzfristigen Mehrbedarf decken. Tatsächlich spielen zeitlich begrenzte Mehrbedarfe verbunden mit einem Sachgrund für die Befristung nur eine untergeordnete Rolle (Bossler et al., 2020, S. 4). Hauptargumente: Verlängerte Probezeit und unsichere Absatzmärkte Zur Begründung des Widerspruchs zwischen langfristiger Be­ schäftigungsperspektive und befristetem Beschäftigungsan­ gebot können die wahrgenommenen Begrenzungen aufgrund der deutschen Kündigungsschutzgesetzgebung herangezogen werden. Da die Kündigung eines unbefristeten Arbeitsver­ hältnisses nach der Probezeit nicht ohne Weiteres möglich ist, setzen Unternehmen auf das Instrument befristeter Ar­ beitsverträge, um das Arbeitsverhältnis dennoch relativ un­ problematisch beenden zu können. Risiken können auf den Absatzmärkten vorliegen oder in der Unsicherheit der Eignung der eingestellten Kandidatinnen und Kandidaten („verlängerte Probezeit“) begründet liegen. Manche Arbeitgeber werden das Instrument sachgrundloser Befristungen auch eher gedanken­ los einsetzen, da das Arbeitsrecht diese Option bietet. Mögliche negative Effekte: Geringere Arbeitgeberattraktivi- tät und erhöhte Lohnforderungen Auf die Schattenseiten einer überbordenden Befristungspraxis weisen regelmäßig die Gewerkschaften hin und fordern ei­ ne generelle Abschaffung sachgrundloser Befristungen (DGB, 2020). Gerade junge Beschäftigte schätzen Arbeitsplatzsicher­ heit und Planbarkeit. Diese Argumentation ist auch betriebs­ wirtschaftlich relevant. Sofern Bewerber Wahlmöglichkeiten haben, werden sie unter sonst gleichen Bedingungen unbefris­ tete Beschäftigungsverhältnisse gegenüber befristeten vorzie­ hen oder eine finanzielle Kompensation für die übernommenen Risiken einfordern. Aus theoretischen Überlegungen heraus ist anzunehmen, dass die hier vorgenommene Risikoallokation zugunsten der Unternehmen und zulasten der Arbeitnehmer nicht effizient ist: Unternehmen haben bessere Möglichkeiten, Risiken über mehrere Beschäftigungsverhältnisse zu diversi­ fizieren und sind grundsätzlich weniger risikoavers als einzel­ ne Arbeitnehmer. Gesamtgesellschaftlich effizient wäre somit, wenn die Arbeitgeber das Risiko tragen und nicht die Arbeit­ nehmer. Zudem ist zu berücksichtigen, dass sachgrundlose Befristungen nur gegen Risiken schützen, die zwischen dem 7. und 18. Monat eintreten: In den ersten 6 Monaten greift noch das Instrument der Probezeit und Befristungen, die einen Zeitraum von mehr als 18 Monaten umfassen, kommen, wie eingangs bereits erwähnt, nur äußerst selten vor. Der genaue Umfang des so spezifizierten Risikos dürfte allerdings in wei­ ten Teilen branchen- bzw. betriebsspezifisch sein und lässt sich nur auf dieser Ebene näherungsweise quantifizieren. Bei der bisherigen theoretischen Diskussion bleibt offen, wie groß der Effekt der ineffizienten Risikoallokation ist. Diese Frage lässt sich letztlich nur empirisch klären. In der Praxis ist aber nicht davon auszugehen, dass es zu echten Aushand­ lungsprozessen zur finanziellen Kompensation zusätzlicher Risiken kommt. Vielmehr wird der Entscheidungsprozess von Bewerberinnen und Bewerbern beeinflusst, die bestimmte Ar­ beitsangebote annehmen oder nicht bzw. die Arbeitgeber mehr oder weniger attraktiv finden. Deshalb legen wir den Fokus auf die betriebswirtschaftlich negativen Effekte bezüglich der Arbeitgeberattraktivität und werden die nachfolgenden Frage­ stellungen beantworten: 1. In welchem Umfang reduzieren befristete Beschäftigungs­ angebote die unmittelbar empfundene Arbeitgeberattrakti­ vität? 2. Ist die Reduktion abhängig von der Begründung der Befris­ tung (unsichere Absatzmärkte, verlängerte Probezeit, ohne Begründung)? 3. Zeigen sich Unterschiede in der Reaktion der Bewerber? Wir unterscheiden diesbezüglich insbesondere nach der Befristete Beschäftigungsangebote bei Fach- kräftemangel: Unbedachte Schattenseiten Von Prof. Dr. Heiko Weckmüller (RheinAhrCampus Remagen der Hochschule Koblenz), Prof. Dr. Michael Knappstein (ISM International School of Management) und Fabienne Femppel

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==