Personal Quarterly 3/2021
31 03 / 21 PERSONALquarterly für Unternehmen (z. B. mit Fokus auf Dienstleistungen, Bera tung oder Forschung und Entwicklung), bei denen implizites Wissen genau wie bei EO von großer Relevanz ist. Überspitzt formuliert: Gerade in einem Umfeld, innerhalb dessen die In teraktion von Individuen einen großen Stellenwert einnimmt, schützt künstliche Intelligenz nicht vor analogemUnvermögen. (III) Einsätze sind gewissermaßen das Kernelement von EO. Es verwundert daher nicht, dass Lerneffekte insbesonde re aus großen Einsätzen bzw. äußerst komplexen Situationen resultieren. Daher münden gerade komplexe Einsatzsituati onen in Ausbildungskonzepte von Feuerwehr, Rettungsdienst oder Streitkräften. Der praktische Bezug zum realen Einsatz ist dabei immer möglichst hoch. Für Unternehmen lässt sich schlussfolgern, dass gerade innerhalb der Ausbildung oder beim Wissenstransfer für neue Mitarbeiter ein überaus ho her praktischer Anteil sichergestellt werden sollte. Gerade das Prinzip des „learning by doing“ – Einsatzkräfte würden hierzu sagen „train as you fight“ – lässt eine schnelle Einarbeitung bzw. ein schnelles Erlernen neuer Aufgaben erwarten. EO nutzen die persönlichen Erfahrungen ihrer Einsatzkräfte gezielt, um sich nach erfolgten Einsätzen auf neue Einsatz lagen vorzubereiten. Dabei gehen sie aber stets pragmatisch, schnell und unmittelbar vor. Dies bedeutet, dass gerade sehr komplizierte Handlungsmuster nicht anhand von verschrift lichten Informationen erlernt werden können. Im ersten Schritt werden wesentliche Erkenntnisse direkt nach Einsatzende ausgetauscht. Nachfolgend fließen diese dann in Übungen oder Simulationen ein. Da Improvisation für erfolgreiches Einsatzhandeln unabdingbar ist, wird versucht, eben dieses Wissen um jene Improvisationsfähigkeit adäquat zu berück sichtigen. Ein zu routiniertes Anwenden von Wissen kann für EO problematisch werden, dies wird im Besonderen von Ein satzkräften aus Spezialeinheiten der Polizei betont. Auch hier zeigen sich mögliche Anknüpfungspunkte zum Unternehmen salltag: Mitarbeiter sollten befähigt werden, trotz repetitiver Arbeitsschritte (bspw. innerhalb der Produktfertigung) stets eigeninitiativ und vorausschauend zu handeln. Dies setzt zwei felsohne einen gewissen Vertrauenszuschuss von Vorgesetzten voraus, könnte sich aber, genau wie bei EO, für die Fehlervor beugung als zweckdienlich erweisen. Mag die Bedeutung des Wissenstransfers aus Einsätzen auch noch so hoch sein, so muss dennoch betont werden, dass Ein satzkräfte immer dann eine hohe Reaktanz dagegen zeigen, wenn Wissenstransferaktivitäten zu viel Zeit in Anspruch nehmen. Für Unternehmen ließe sich ableiten, dass ein wie auch immer konzipiertes betriebliches Wissensmanagement sich an den eigenen Kerntätigkeiten ausrichten und möglichst schlank, unbürokratisch und so zeitsparend wie möglich kon zipiert sein sollte. (IV) Der Organisationstypus EO ist durch klare hierarchische Strukturen, die auch auf dem Prinzip von Befehl und Gehorsam basieren, gekennzeichnet. Es kann daher auf den ersten Blick der Eindruck entstehen, dies würde den Umgang mit Kreativi tät und hohen Freiheitsgraden hinsichtlich der individuellen Entscheidungskompetenz nahezu unmöglich machen. In Be zug auf den Umgang mit Wissen trifft dies jedoch nicht zu. Im Gegenteil: Einsatzkräfte verfügen – eingebettet in die straffe Organisationsform – über ausgeprägte und sehr individuelle Möglichkeiten, ihr Wissen im Einsatz anzuwenden. Müssen im Einsatz ad hoc Probleme gelöst werden, so entscheidet die Ein satzkraft vor Ort oftmals eigenständig und sehr situativ. Das erfordert neben ausgeprägten fachlichen Kompetenzen eine hohe Verantwortung und das Bewusstsein jeder Einsatzkraft, dass die individuelle Entscheidung gravierende Auswirkungen für den weiteren Einsatzverlauf haben kann. Wissen zielorientiert nutzen Auf Unternehmen gemünzt bedeutet dies, dass Mitarbeiter in einen stabilen organisatorischen Rahmen eingebettet sein sollten. Das Arbeitsumfeld sollte den Mitarbeitern also einer seits die Möglichkeit geben, das individuelle Know-how stets passgenau anwenden zu können und nicht zu starr an Richt linien festzuhalten. Andererseits ist es aber auch unabdingbar, dass sich die Mitarbeiter jederzeit bewusst sind, dass sie stets im Sinne ihres Unternehmens handeln – also ressourcenscho nend, verantwortungsbewusst und zielorientiert. Hier zeigt sich, dass eine Orientierung an EO nützlich sein könnte: So erlaubt die spezifische Struktur der EO, dass – völlig unab hängig vom Dienstgrad – die erste am Einsatzort eintreffen de Einsatzkraft berechtigt ist, Entscheidungen zu treffen. Für eben jene Entscheidungen bleibt oftmals nur wenig Zeit, was wiederum bedeutet, dass Einsatzkräfte qua Auftrag entschei dungsfreudig sein müssen. Nur so können sie auch auf Grund lage eines erfahrungsbasiertenWissens situationsangemessen zügig reagieren. Unternehmen, die den Spagat zwischen kla ren Hierarchien auf der einen und hohen Freiheitsgraden auf der anderen Seite vollziehen können, kommen dem Typus der spezifischen EO-Form sehr nahe. Allerdings ist es für die er folgreiche Aufgabenbewältigung im betrieblichen Alltag dann auch unerlässlich, dass sich Unternehmensangehörige am typisch eigenverantwortlichen und proaktiven Handeln von Einsatzkräften orientieren. Orientierungswürdig könnten darüber hinaus die wissens orientierten Rahmenbedingungen in EO sein. Die bloße Bereit stellung technischer Hilfsmittel zur Erledigung von Aufgaben – im Falle eines Katastrophenfalls z. B. die Lagebildermittlung mithilfe von Drohnen oder direkte Live-Bildübertragung aus dem Einsatz in ein Lagezentrum – ist nicht ausreichend, um Wissen entlang von Prozessen gezielt nutzen zu können. Un ternehmen sollten daher ebenso wie EO darauf achten, bspw. eine ausgeprägte Feedbackkultur zu schaffen – und diese auch zu leben. Nur so kann das eminent wichtige Erfahrungswissen
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