Personal Quarterly 3/2021

29 03 / 21 PERSONALquarterly ABSTRACT Forschungsfrage: Welches Wissen ist für die erfolgreiche Durchführung von Einsätzen rele- vant und wie wird der Transfer dieses Wissens beeinflusst? Methodik: In zwei Interviewstudien wurden 48 Einsatzkräfte befragt. Die transkribierten Interviews wurden, genau wie ergänzende Fachdokumente sowie Feldnotizen aus teilneh- menden Beobachtungen bei Großübungen, qualitativ ausgewertet. Praktische Implikationen: Der erfolgreiche Umgang mit Wissen aus hochdynamischen Einsatzlagen kann als Vorbild für die unternehmerische Praxis dienen. Der Transfer von implizitem Erfahrungswissen ist von größter Relevanz. Diesbezüglich werden potenzielle Anregungen für Unternehmen aufgezeigt. fahrung allerdings nahezu ausschließlich unmittelbar durch Einsätze erworben werden kann, ist eben jenes Wissen oftmals unzureichend vorhanden (Müller/Kern, 2018). Einsatzkräfte müssen deshalb stets zwischen improvisier­ tem Vorgehen und dem Rückgriff auf bewährtes Wissen ab­ wägen. Insofern kann festgehalten werden, dass die Ressource Wissen für EO eine hohe Relevanz aufweist, wenn sie ihre Kernaufgabe erfüllen: die Durchführung von Einsätzen. Je nachdem, wie sich ein Einsatzszenario darstellt, müssen lage­ angepasst und ad hoc spezifische Fähigkeiten kombiniert wer­ den (Röser, 2017). Dabei spielen drei Arten des Einsatzwissens eine wesentliche Rolle: Erfahrungswissen, fachliches Wissen sowie Wissen über Nichtwissen – also der Umstand, dass sich Einsatzkräfte über die unklare Wissens- und Informationsla­ ge in Bezug auf ihr Handeln bewusst sind. Der zielgerichtete Transfer dieses Einsatzwissens ist für die erfolgreiche Einsatz­ durchführung deshalb eine Conditio sine qua non. Welche Einsatzorganisationen betrachtet wurden Der Feldzugang zu EO ist im Gegensatz zum privatwirtschaft­ lichen Sektor mit vergleichsweise hohen Hürden versehen. Neben sicherheitsrelevanten Aspekten und dem daraus re­ sultierenden notwendigen Vertrauen zwischen Forschungs­ institution und Einsatzkräften bestehen auch praktische Zugangsschwierigkeiten – bspw. hinsichtlich der Teilnahme an Einsätzen oder der Beobachtung von Großübungen. Dennoch können wir unsere einsatzorganisationsspezifischen Ausfüh­ rungen auf ein breites empirisches Fundament stützen, das sich wie folgt zusammensetzt: Studie I (Müller, 2018): Befragung von 28 Experten aus fünf EO (Berufsfeuerwehr, Polizei, Polizei-Spezialeinheit, Katastro­ phenschutzorganisation und Streitkräfte). Ziel der Studie war es, neue Erkenntnisse über den Transfer von Einsatzwissen in EO zu gewinnen. Hierfür wurde ein exploratives Vorgehen an­ gewandt. Basierend auf den theoretischen Erkenntnissen eines Literatur-Reviews wurde ein Interviewleitfaden entwickelt, der einem Pretest mit Angehörigen von EO unterzogen wurde. Die Auswahl der Befragten wurde anhand bestimmter Kriterien getroffen: ein möglichst breites Spektrum an durchgeführten Einsätzen, eine lange Zugehörigkeit zur EO sowie Führen einsatzrelevanter Organisationseinheiten oder Ausbildungs­ erfahrung. Dieses „purposeful sampling“ lies eine hohe Aus­ sagekraft für die Fragestellung, wie EO mit einsatzrelevantem Wissen umgehen, erwarten. Die durchschnittliche Interview­ dauer betrug 46 Minuten, die Transkripte der Interviews um­ fassen in Summe 488 DIN-A4-Seiten Text. Die Daten wurden unter Zuhilfenahme der Software MAXQDA analysiert, codiert und mittels einer qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet. Er­ gänzend wurden organisationsspezifische Dokumente ausge­ wertet, wie bspw. Mustervorlagen von Einsatzberichten oder operativ-taktische Einsatznachbesprechungen. Diese Doku­ mente umfassen ein Volumen von 405 DIN-A4-Seiten. Des Weiteren stützen wir unsere Aussagen ergänzend auf die Daten von Studie II (Röser, 2017). In 20 Interviews wurden Angehörige von Feuerwehr und Rettungsdiensten hinsichtlich ihres Vorgehens in einem konkreten und von ihnen beglei­ teten Einsatz befragt. So sollte die Forschungsfrage, wie EO bei der Standardisierung von Einsatzprozessen vorgehen und wie diese Standards ein flexibles Einsatzhandeln ermöglichen, beantwortet werden. Die Datenerhebung erfolgte mittels halb standardisierte Interviews und nicht standardisierte Beobach­ tungen. Auswahlkriterien für dieses Sampling waren eine hohe Einsatzkomplexität sowie Führungserfahrung. Die Studie be­ inhaltet weiterhin die Dokumentation von fünf teilnehmenden Beobachtungen bei Übungseinsätzen, deren Transkripte – ge­ nau wie die der Interviews – softwaregestützt ausgewertet und analysiert wurden. Die gegenständlichen Studien erheben nicht den Anspruch auf Repräsentativität, vielmehr geben sie, ganz im Sinne der qualitativen Sozialforschung, Auskunft über bis dato nur un­ zureichend betrachtete Phänomene: den adäquaten Umgang mit einsatzrelevantem Wissen sowie die Standardisierung von wissensintensiven Einsatzprozessen. Was Unternehmen von Einsatzorganisationen lernen könn(t)en Vorweg sei angemerkt, dass wir im nun folgenden Kontext bewusst den Konjunktiv akzentuieren. Unsere empirischen Daten erlauben konkrete Aussagen über die Relevanz von und dem Umgang mit Wissen in EO sowie über spezifische aufbau-

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