Personal Quarterly 3/2021
12 PERSONALquarterly 03 / 21 SCHWERPUNKT _WISSENSTRANSFER ner geringeren psychologischen Beanspruchung am Ende des Arbeitstags für den Zurückhaltenden verbunden seien können (Venz/Nesher Shoshan, 2021). Was Knowledge Hiding nicht ist Im Kontext des organisationalen Wissensmanagements gibt es verschiedene Begriffe, die sich von Knowledge Hiding ab- grenzen lassen. Zunächst ist Knowledge Hiding nicht einfach das Gegenteil von Wissensweitergabe (Knowledge Sharing). Während eine Person Wissen freiwillig und proaktiv über ver- schiedene Kanäle zur Verfügung stellen kann, ist das Gegenteil hierzu der Verzicht auf Wissensweitergabe. Der Unterschied zu Knowledge Hiding ist, dass Wissen hier nicht zwingend vorher angefragt oder vorhanden sein muss. Das bedeutet, eine Person entscheidet sich bewusst oder unbewusst, ohne vorhe- rige Aufforderung ihr Wissen zur Verfügung zu stellen oder dies eben nicht zu tun. Knowledge Hiding setzt das bewusste Verweigern der Wissensweitergabe nach vorheriger Anfrage voraus. Knowledge Hiding lässt sich auch von Phänomenen wie dem Horten von Wissen (Knowledge Hoarding), bei dem Wissen zwar in großen Mengen angesammelt, regelmäßig aber auch geteilt wird und der Wissenssabotage (Knowledge Sa- botage) abgrenzen, bei dem absichtlich falsches und für den Anfragenden potenziell schädlich verfälschtes Wissen weiter- gegeben wird. Die unterschiedlichen Phänomene können zeitgleich in Un- ternehmen auftreten. Unternehmen, in denen viel Wissen ge- teilt und dieser Prozess explizit gefördert wird, können parallel auch ein hohes Knowledge-Hiding-Verhalten in der Belegschaft haben. Anders formuliert: Nur weil in Unternehmen ein reger Wissensaustausch stattfindet, kann trotzdem absichtlich und in großen Mengen Wissen zurückgehalten werden. Knowledge Hiding – ein unbekannter Begriff Nach dem Wissen der Autoren gibt es bisher keine qualita- tive Befundlage dazu, ob das Phänomen Knowledge Hiding bereits in den Köpfen deutscher Unternehmenslenker und -lenkerinnen angekommen und präsent ist. Welche Bedeutung spielt Knowledge Hiding in den Gedanken der Führungskräfte? Herrscht ein Bewusstsein darüber und werden bereits Maß- nahmen, und wenn ja welche, dagegen ergriffen? Um diese Fragen zu klären, haben wir 12 qualitative Inter- views mit Managerinnen und Managern deutscher Unterneh- men im Zeitraum von Januar bis Mitte Februar 2021 geführt. Die interviewten Führungskräfte waren in ihren Unternehmen vor allem für die Bereiche Human Resources und Wissensma- nagement verantwortlich. Die Interviewten kamen aus Unter- nehmen verschiedenster Größen, Strukturen und Branchen – von Dax-Konzernen, KMUs bis hin zu Familienunternehmen und Start-ups. Für die qualitative Datenerhebung wurden se- mistrukturierte Interviewleitfäden verwendet. Während der Interviewphase wurde schnell klar, dass Know- ledge Hiding bei fast allen Interviewten kein bekannter Begriff ist. „Knowledge Hiding habe ich so noch nicht gehört“, war ein oft ausgesprochenes Bekenntnis zu Beginn vieler Gespräche. Obwohl sich die Unternehmen der meisten Interviewten inten- siv mit dem Thema Wissensmanagement auseinandersetzen und Themen wie die Förderung der aktivenWissensweitergabe für alle eine wichtige Rolle spielen, hatten die Interviewten den Begriff Knowledge Hiding bisher nicht gekannt. ... aber ein verbreitetes Phänomen Unsere Interviews zeichnen ein klares Bild. Nachdem eine Erläuterung des Begriffs Knowledge Hiding im Verlaufe der Interviews erfolgte, zeigte sich, dass der Begriff an sich zwar unbekannt, das Verhalten aber häufig in den Unternehmen zu finden ist. „Es wäre naiv zu glauben, das Thema existiere nicht, nur weil es dafür keinen Namen gibt“, meinte etwa die Füh- rungskraft eines Dax-Konzerns. Bei allen Interviewten zeigte sich, dass das Phänomen des absichtlichen Zurückhaltens von angefragtemWissen negativ konnotiert ist. Eine HR-Managerin erläuterte, dass es wohl keine Initiative zu Knowledge Hiding in ihrem Unternehmen gäbe, da der Begriff zu negativ besetzt sei. „Damit möchte man nicht in Zusammenhang gebracht werden, dann fokussieren wir lieber den aktiven Wissensaus- tausch. Dies ist wie mit Diskriminierung – das Thema wird es ebenfalls nicht auf die Vorstandsagenda schaffen. Dafür treibt man dann Initiativen für mehr Vielfalt (Diversity).“ Quelle: Eigene Darstellung Abb. 2: Auswirkungen von Knowledge Hiding auf individueller, Team- und Organisationsebene Individuum • Demotivation • fehlende Wertschätzung • steigende Fluktuation • Expertentum Einzelner Team • Ineffizienz • Neidkultur • steigende Fehlerrate • geringe Innovationskraft Organisation • geringere (interne und externe) Kunden- orientierung • „Abteilungssilos“ • Qualitätsprobleme • steigende Kosten
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