Personal Quarterly 3/2021

10 PERSONALquarterly 03 / 21 SCHWERPUNKT _WISSENSTRANSFER K nowledge Hiding ist in den meisten deutschen Unter- nehmen kein bekannter Begriff. Unsere Interviews mit Führungskräften und HR-Verantwortlichen ver- schiedener deutscher Unternehmen zeigen, dass das Phänomen aber längst in deutschen Unternehmen ange- kommen ist. Nicht im Bewusstsein der Verantwortlichen und Führungskräfte, sehr wohl aber im Verhalten der Organisati- onsmitglieder. Knowledge Hiding wird in deutschen Unterneh- men betrieben, wird bei Mitarbeitenden und Führungskräften auch wahrgenommen, bleibt aber aufgrund der Begrifflichkeit eine große Unbekannte innerhalb des allgemeinen Themas Wissensmanagement. Der Austausch von Wissen ist ein essenzieller Faktor für den Erfolg und das überdauernde Bestehen von Unternehmen (vgl. z. B. vanWijk et al., 2008). Während die ThemenWissenstrans- fer und der erfolgreiche Austausch von Wissen seit Langem im Fokus der Wissenschaft stehen und auch die organisationale Praxis erreicht haben, wird das Phänomen Knowledge Hiding erst seit kurzer Zeit systematisch untersucht. Knowledge Hi- ding beschreibt das absichtliche Zurückhalten von Wissen, das aktiv von Kollegen und Kolleginnen und Mitarbeitenden ange- fragt wird (Connelly et al., 2012). Obwohl Knowledge Hiding erst seit 2012 in Form eines Fragebogenkonstrukts methodisch messbar gemacht wurde, liefern die bisherigen Forschungser- gebnisse bereits vielschichtige Erkenntnisse hinsichtlich der Entstehung, Verbreitung, Konsequenzen und Rahmenbedin- gungen dieses Verhaltens. Das absichtliche Zurückhalten von Wissen ist ein Verhal- ten, das sich bei Mitarbeitenden und Führungskräften auf der ganzen Welt wiederfindet und nicht auf eine spezielle Orga- nisationsform begrenzt ist. Forschungen haben gezeigt, dass Knowledge Hiding sowohl in akademischen Einrichtungen, in stark und wenig wissens- und forschungsintensiven Branchen sowie in wirtschaftlichen Unternehmen aller Größen auftritt. Umfragen aus Nordamerika zeigen, dass bis zu 76 % der Mit- arbeiter Wissen vor ihren Kollegen zurückhalten. In einer Um- frage von Peng (2012) im chinesischen Raum gaben 46 % der befragten Angestellten an, dass sie schon einmal absichtlich Wissen vor Kollegen zurückgehalten haben. Schlechtes organi- sationales Wissensmanagement schlägt sich auch in konkreten Knowledge Hiding in der Praxis: Eine Bestands­ aufnahme in deutschen Unternehmen Von Ass.-Prof. Dr. Florian Offergelt (Privatuniversität Schloss Seeburg), Simone Luibl und Dr. Christiane Novy (h&z Unternehmensbera- tung AG) Zahlen nieder. So verlieren allein die 500 umsatzstärksten US- amerikanischen Unternehmen jedes Jahr mehr als 31 Milliar- den Dollar aufgrund von Knowledge Hiding und nicht oder nur lückenhaft weitergegebenem Wissen (Babcock, 2004). Die Gründe und Auslöser für Knowledge Hiding finden For- schende aufseiten der Personen, der Teams und der ganzen Organisation. Selbige Vielfalt spiegelt sich auch auf der Seite der Konsequenzen wider. Knowledge Hiding: Auslöser und Konsequenzen Knowledge Hiding ist ein übergeordnetes Konstrukt, das aus drei Subdimensionen (bzw. Strategien) besteht (Connelly et al., 2019). Die erste Strategie ist das ausweichende Verstecken von Wissen (evasive hiding), bei dem die Angefragten nur kleine Teile des benötigtenWissens weitergeben oder behaupten, dass die benötigten Informationen zu einem späteren Zeitpunkt zur Verfügung gestellt werden, es aber nicht beabsichtigt ist, dies wirklich zu tun. Bei der zweiten Strategie stellen sich die An- gefragten unwissend (playing dumb) und behaupten, dass man die verlangten Informationen gar nicht habe oder nicht wisse, worüber die nachfragende Person spricht. Während das aus- weichende Verstecken von Wissen und das unwissend Spielen zwangsläufig eine Täuschung der nachfragenden Personen mit sich bringt, muss das für die dritte Strategie nicht zwangsläufig der Fall sein. Beim erklärenden Zurückhalten von Wissen (ra- tionalized hiding) stellen die angefragten Personen zwar auch kein Wissen zur Verfügung, sie rechtfertigen bzw. erklären ihr Verhalten aber gegenüber den Nachfragenden (z. B. durch die Vertraulichkeit von Informationen). Die Untersuchung von Knowledge Hiding kann abhängig von der Forschungsfrage auf Ebene des Gesamtkonstrukts oder der einzelnen Subdimensi- onen erfolgen. Aufseiten der Individuen selbst zeigt sich, dass z. B. Faktoren wie das fehlende Vertrauen in die Kollegen und Kolleginnen und Mitarbeitenden (Connelly et al., 2012), die Ausprägung bestimmter Persönlichkeitsmerkmale wie Machiavellismus (Pan et al., 2018), die Ausgrenzung durch die Kollegen (Zhao et al., 2016) oder das Besitzanspruchsdenken an das eigene Wissen Auslöser von Knowledge Hiding sein können. Wird einmal mit Knowledge Hiding begonnen, setzt eine rezipro-

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