PERSONAL quarterly 2/2020
52 ESSENTIALS _REZENSIONEN PERSONALquarterly 02/20 N ach der Arbeit mental abzuschalten und nicht an die Arbeit zu denken, ist eine zentrale Erholungserfah- rung. In zahlreichen Studien konnte gezeigt werden, dass das Gefühl, gedanklich Abstand von der Arbeit zu gewinnen, die Erschöpfung von Mitarbeitenden reduziert und zu mehr positivem Erleben (z. B. Zufriedenheit) führt. Eine kürzlich veröffentlichte Studie zeigt jedoch, dass es für das Wohlbefinden auch wichtig sein könnte, sich vor der Arbeit gedanklich auf den bevorstehenden Arbeitstag einzustimmen und sich dadurch mental wieder mit der Arbeit zu „verbinden“. Für die Studie wurden insgesamt 151 Personen aus verschie- denen Branchen über eine Arbeitswoche hinweg morgens und abends befragt. Es zeigte sich, dass Personen bei ihrer Arbeit ein höheres Arbeitsengagement erlebten, wenn sie sich mor- gens gedanklich mit dem anstehenden Arbeitstag beschäftigten und sich über bevorstehende Aufgaben und Herausforderungen Gedanken machten. Das höhere Arbeitsengagement äußerte sich in einer höheren Vitalität, mehr Hingabe zur Arbeit sowie dem Gefühl, in der Arbeit aufzugehen. Zudem fanden die Auto- rinnen heraus, dass das mentale Einstimmen auf die Arbeit mit einer stärkeren Aktivierung arbeitsbezogener Ziele einhergeht, sodass der Arbeitstag dann insgesamt positiver verläuft. Aller- dings gibt die Studie keinen Aufschluss darüber, wann und wo genau das mentale Einstimmen auf die Arbeit stattfinden sollte. Ob sich die Mitarbeitenden direkt nach dem Aufwachen, auf demWeg zur Arbeit oder erst bei ihrer Ankunft amArbeitsplatz gedanklich mit der Arbeit beschäftigen, könnte jedoch wich- tige Implikationen für ihr Erleben während der Arbeit haben. Die Autorinnen empfehlen auf Grundlage der Ergebnisse, dass Unternehmen Routinen entwickeln, die den Mitarbeitenden helfen, sich morgens mental auf die Arbeit einzustimmen. So ist es z. B. denkbar, dass es zu Beginn eines jeden Arbeitstags die Möglichkeit gibt, sich einige Minuten gedanklich auf die be- vorstehenden Aufgaben und Herausforderungen vorzubereiten, indem mithilfe von Checklisten die wichtigsten Arbeitsziele priorisiert werden oder kurze Planungsgespräche stattfinden. Besprochen von Maie Stein , Lehrstuhl für Arbeits- und Organi- sationspsychologie, Universität Hamburg Mentales Einstimmen auf den Arbeitstag Sabine Sonnentag (University of Mannheim), Kathrin Eck (University of Mannheim), Charlotte Fritz (Portland State University) & Jana Kühnel (Ulm University): Morning reattach- ment to work and work engagement during the day: A look at day-level mediators. Journal of Management, in press D ie Analyse von Unternehmen und Unternehmenslen- kern gehört zu den zentralen Aufgaben von Drittpar- teien wie Analysten. In diesem Zusammenhang wird den Persönlichkeitsmerkmalen von Vorstandsvorsit- zenden eine besondere Bedeutung zuteil, denn Drittparteien nutzen diese Hinweise, um Rückschlüsse auf Unternehmens- strategien und Unternehmenseigenschaften ziehen zu können. Da Drittparteien kognitiven Verzerrungen und unvollstän- digen Informationen unterliegen, sind beobachtbare Signale wie Sprache besonders wichtig. Daher interessiert die Autoren, ob Persönlichkeitssignale von Drittparteien als Hinweise ge- nutzt werden, um vereinfachte Abbildungen der Realität und „Schubladen“ hinsichtlich der Vorstandsvorsitzenden und der geführten Unternehmen zu entwerfen. Harrison et al. extrahie- ren dafür Sprache von Vorstandsvorsitzenden aus über 10.000 Konferenzgesprächen mit Analysten und trainieren damit ihr dynamisches Natural-Language-Processing-Modell. Zudem te- sten sie das Tool in verschiedenen Kontexten. Die Autoren hypothesieren, dass z. B. der Charakterzug Extraversion bzw. Neurotizismus zu einer höheren Risiko- einschätzung bezüglich der Aktie führen wird, während Ge- wissenhaftigkeit zu einer geringeren Risikoeinschätzung führen wird. Nach der Kontrolle von verschiedenen Alterna- tiverklärungen (z. B. Unternehmensgröße) in den größten US-Unternehmen (S&P 1500) kristallisiert sich ein zentraler Effekt heraus. Sprachliche Hinweise aus der Vergangenheit bezüglich Charaktereigenschaften werden von Analysten als Hinweise bezüglich der Vorstände und der geführten Unter- nehmen gesehen. Z. B. werden neurotischen Vorstandsvorsit- zenden Charakteristiken wie Irrationalität, Impulsivität und negative emotionale Zustände zugeschrieben, wodurch ein höheres Risiko der Aktie attribuiert wird. Jedoch werden nicht alle Eigenschaften gleich bewertet. Vermeintlich positive Cha- rakterhinweise wie Verträglichkeit können vom Markt auch als Passivität „bestraft“ werden. Schlüsselentscheidungsträger (z. B. Vorstände) sollten sich daher bewusst sein, dass be obachtbare sprachliche Hinweise (absichtlich oder unabsicht- lich) von Drittparteien als Inferenzobjekt genutzt werden. Besprochen von Johannes Brunzel, Lehrstuhl für Organisation und Führung, Technische Universität Braunschweig Wahrnehmung als Realität? Joseph Harrison, Gary R. Thurgood, Steven Boivie & Mike Pfarrer (Texas A&M University, 2019): Perception Is Reality: How CEOs’ Observed Personality Influences Market Perceptions of Firm Risk and Shareholder Returns. Academy of Management Journal. Advance online publication. https://doi.org/10.5465/ amj.2018.0626
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