PERSONAL quarterly 2/2020
43 02/20 PERSONALquarterly wanderungswahrscheinlichkeit konzentrieren. Der Lift-Wert für die höchsten 10 % der Risikowerte im Modell auf Firmen- Ebene beträgt 1,7 – folglich können durch eine Ansprache von 10 % der Mitarbeiter 17 % der Abwanderungsfälle adressiert werden. Für das Modell auf Individualebene beträgt dieser Wert 2,4 und ein kombiniertes Modell, welches Features bei- der Ebenen inkludiert, schafft einen Lift-Wert von 2,9 für die höchsten 10 % der Risikowerte, das heißt 29 % von Abwande- rungsfällen zu identifizieren. Dies bedeutet in der konkreten Anwendung, dass Personalverantwortliche, die mit Ressourcen ausgestattet sind, um für 10 % der Mitarbeiterschaft Maßnah- men zu entwickeln, es mittels der Analyseergebnisse schaffen können, deutlich effektiver zu sein und damit 29 % der poten- ziellen Abwanderungsfälle zu adressieren (statt 10 % bei einer zufälligen Verteilung). Personalverantwortlichen ist es folglich möglich, mittels eines Modells, wie exemplarisch von uns ent- wickelt, ihre Ressourcen dreimal effektiver einzusetzen. Damit wissen Personalverantwortliche deutlich früher, sogar bevor die möglichen Kündigungen dann tatsächlich eintreten, wie hoch die Abwanderung für verschiedene Profile in Zukunft sein wird, und können durch entsprechend in der Intensität angepasste Maßnahmen reagieren. Folglich können wir Abwanderung für Folgeperioden mittels Machine-Learning-Modellen auf unserer externen Datenbasis auf Ebene der individuellen Mitarbeiter vorhersagen, womit wir unsere Forschungsfrage bejahen können. Im Folgenden gehen wir nun auf den praktischen Nutzen für Personalverant- wortliche ein und zeigen einen konkreten Anwendungsfall von Pfadanalysen, der aus der Datenbasis möglich wird. Weitere Anwendungsgebiete: Pfadanalysen Unsere Fallstudie zeigt deutlich den Wert von datenbasierter Analytik und dem Einsatz von Machine-Learning-Modellen für Personalverantwortliche. Anhand des Falls der individuellen Abwanderung sehen wir, dass datengestützte Priorisierung von Zeit, Ressourcen und Maßnahmen eine effektivere Perso- nalarbeit ermöglicht. Konkret können Personaler: 3 Im Retention Management die Information einsetzen, um gezielt auf Mitarbeiter ihres Bereichs zuzugehen und Maß- nahmen für die Risikogruppe zum Verbleib im Unternehmen zu entwickeln. 3 In der aktiven Rekrutierung auf die potenziellen externen Kandidaten zugehen, die eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der Abwanderung aufweisen und damit offener für Vorschlä- ge sein könnten. Im Retention-Management ist in dem Zusammenhang auch die Unterscheidung zwischen gewollter und ungewollter Fluktua- tion zu erwähnen. So können Personalverantwortliche durch Hinzufügen der Leistungsdimension entscheiden, ob sie über- haupt gegen die anstehende individuelle Abwanderung des Mitarbeiters arbeiten wollen oder die Abwanderung geschehen lassen. Auch könnte ein Machine-Learning-Modell direkt auf Mitarbeiter mit starken Karriereperspektiven im Unterneh- men angewendet werden, da hier der Verlust am schwersten wiegt. Darüber hinaus sind auf Basis dieser Erkenntnisse weitere Analysen möglich. Während Personalverantwortliche heutzu- tage oft Probleme haben, systematisch zu erfassen, warum Mitarbeiter das Unternehmen verlassen haben und was ih- re nächste Station war, erlaubt unsere Datenbasis zumindest in Bezug auf die „Abwanderungsziele“ interessante Auswer- tungen (Campbell et al., 2012). Wir betrachten im Folgenden exemplarisch ein Unternehmen unserer Stichprobe. Neben der Erkenntnis über diese vergangenen und zukünftigen Abwan- derungsraten können mögliche Erkenntnisse über die Grün- de abgeleitet werden. Abbildung 4 zeigt eine beispielhafte Analyse auf Basis der bibliografischen Daten, die darstellt, zu welchen anderen Unternehmen abgewanderte Mitarbeiter ge- wechselt sind. Im konkreten Beispiel erkennt man, dass Mitarbeiter aus der Marketingabteilung historisch eher zu unmittelbaren Wettbewerbern gewechselt sind, während Mitarbeiter aus der Entwicklung tendenziell zu neu gegründeten Start-ups gehen. Mitarbeiter aus der Verwaltung hingegen sind eher zu Großun- ternehmen gegangen. Ergeben sich solche Systematiken, kann eine Diskussion im Unternehmen gestartet werden, warum sich diese Muster ergeben. Eine Abwanderung zu einem unmit- telbaren Wettbewerber könnte auf Gründe in der Entlohnung hindeuten, während systematische Abwanderung Richtung Start-ups auf mangelnder innovativer Unternehmenskultur und individueller Entfaltungsmöglichkeiten beruhen könnte. Der Wert von Data Analytics Bezug nehmend auf die Frage, ob Data Analytics einen Mehr- wert für Personalverantwortliche haben kann, können wir festhalten, dass in der Tat externe, frei verfügbare Daten über Unternehmen vorliegen, die auf Basis innovativer Auswer- tungsmethoden wichtige Erkenntnisse ableiten können. Die „Überprüfung“ der Prognosen zur Abwanderung in der Test- stichprobe haben gezeigt, dass sich Abwanderungswahrschein- lichkeiten in Form eines „Frühwarnsystems“ zur Steuerung von Ressourcen im Recruiting oder auch zum Gegensteuern auf Unternehmensebene, auf Ebene einzelner Funktionen/ Abteilungen und auf Ebene einzelner Individuen einsetzen lassen. Außerdem können weitergehende Analysen Gründe aufzeigen, warum Mitarbeiter abgewandert sind. Dies ist ein Mehrwert über die systematische Auswertung von Abschluss- gesprächen, da sie nicht von der wahrheitsgemäßen Aussage der Mitarbeiter abhängig ist und überdies strukturelle Gründe in Unternehmensbereichen aufdecken kann. Weitergehende Analysen erlauben sogar, Diskussionen intern anzustoßen, welche Gründe hinter Abwanderungen stehen könnten.
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