PERSONAL quarterly 2/2020
36 PERSONALquarterly 02/20 NEUE FORSCHUNG _HR-ANALYTICS Auswirkungen auf das Ausmaß an Glaubwürdigkeit, das durch HRA erreicht werden kann. Zunächst müssen die HRA-Mitarbeiterinnen und -Mitarbei- ter die Compliance von jedem Analytics-Projekt mit dem Be- triebsrat und dem Datenschutzbüro ausverhandeln. Gerade wenn personenbezogene Daten im Zentrum stehen, stellen diese Compliance-Fragen besondere verhandlungstechnische Herausforderungen dar. Um eine Basis für Glaubwürdigkeit sicherstellen zu können, müssen Praktikerinnen und Prakti- ker insbesondere ein Gleichgewicht zwischen einer sinnvollen Ergebnistiefe und dem Schutz von Mitarbeiterinnen und Mit- arbeitern in der Datenanalyse herstellen. Der durch die Ge- setzgebung erhöhte Verhandlungsaufwand und die dadurch gegebene Beschränkung der technischen Objekte verdeutli- chen den Einfluss der institutionellen Ebene auf das tägliche Praktizieren von HRA. Zweitens sind HRA-Praktikerinnen und -Praktiker mit ei- ner Reihe von internen Abhängigkeiten in Bezug auf wichtige Ressourcen konfrontiert. Diese Abhängigkeiten sind zum ei- nen mit Compliance-Fragen verbunden – etwa limitiert das „data-protection office“ den Zugang zu Daten je nach Analy- sezweck. Das HRA-Team hat daher nur Zugriff auf bestimmte Daten, während etwa die Data Scientists imAC Zugang zu allen Daten bei Techcom haben. Zum anderen waren auch große Abhängigkeiten in Bezug auf technische Fragen zu erkennen. Wenn es etwa um die Zusammenführung von Datenspalten in einer Datenbank ging, war das Team von einer Person in einem anderen europäischen Land abhängig. Im Zuge von Dashboard-Anpassungen konnten kurzfristige Ideen daher oft nicht umgesetzt werden. Schließlich mussten die HRA-Praktikerinnen und -Prakti- ker, um politische Spannungen, insbesondere zwischen ver- schiedenen CoEs, auszugleichen, Anpassungen in Dashboards vornehmen, die den erdachten Dramaturgien und Rationali- täten entgegenliefen. Das Nutzen von HRA-Potenzialen wird dadurch empfindlich eingeschränkt. Wie Valerie, Mitglied des HRA-Teams, meinte: „Also der gesamte Storyflow, den wir uns ausgedacht hatten, ist total dahin, weil eben gerade [das CoE 1] (...), die fühlen sich immer unterrepräsentiert und ja – da musst du immer irgend- wo sagen, ja, ihr seid wichtig. Haben wir jetzt viel zu viele KPIs drin, weil es politisch dann plötzlich (…) heißt: ‚Wenn ihr die jetzt rausnehmt, dann eskalieren wir das. Dann sagen wir, ihr wolltet keine [unserer] KPIs drin haben.‘“ Außerdem verhinderten politische Dynamiken auch teilwei- se den Zugriff auf Daten, welche für Zielgruppen wertvolle Erkenntnisse bringen könnten. Wie es das Teammitglied Marco berichtete: „Die wollen sich nicht so gerne in die Karten schauen lassen, habe ich manchmal das Gefühl. Also Daten liefern ja auch im- mer eine gewisse Transparenz. Und manchmal, habe ich das Gefühl, ist man froh, wenn man gar nicht so stark andere Leute in seinen Bereich reinschauen lässt, weil das deckt ja vielleicht manchmal auch ein paar Dinge auf, die man nicht aufgedeckt haben möchte.“ Fazit In Summe sehen wir im Aufbau von umfassenden HRA-Pro- zessen großes Potenzial, um zur Lösung altbekannter Pro- blemfelder der HRM-Funktion beizutragen, in dem sie die Glaubwürdigkeit und Autorität von HRM in Organisationen erhöhen. Zentral für das in diesem Sinne erfolgreiche Prakti- zieren von HRA ist die Interaktion mit einer Reihe von Stake- holdergruppen (bei Techcom: Zielgruppen) in der Organisation. Zum einen betrifft dies enge Beziehungen zu jenen Gruppen, welche die analytischen Outputs für ihre Entscheidungen heranziehen. Diese Beziehungen bilden die Basis, relevante Informationen zu akkumulieren, zu integrieren und an die Bedürfnisse der Stakeholder anzupassen. HRA kann auf diese Weise analytische Outputs liefern, die einen relevanten Beitrag im Alltag von Entscheiderinnen und Entscheidern spielen, was folglich die Glaubwürdigkeit von HRM erhöhen kann. In Bezug auf diesen Outcome besteht eine wichtige Limitation unseres Beitrags allerdings darin, dass wir ledigich die Wahrnehmung der Teammitglieder abbilden konnten. Ob und in welchemAus- maß die Glaubwürdigkeit vomHRM auch in der Wahrnehmung der Stakeholder gestiegen ist, bleibt offen. Zum anderen ist es aufgrund schwieriger Fragestellungen in Bezug auf die Rolle von Daten in Personalentscheidungen auch von besonderer Bedeutung, konstruktive Beziehungen zu regulativen Akteu- rinnen und Akteure zu unterhalten. Das Navigieren dieser viel- schichtigen Beziehungen hat wichtige Konsequenzen in Bezug auf die Glaubwürdigkeit von HRM.
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