PERSONAL quarterly 2/2020
35 02/20 PERSONALquarterly sprechen. Und HR hat das nie gemacht. Also (…) also es geht doch um die Leute, nicht wahr? Wenn du aber mit (...) HR Analytics auch einen Link herstellen kannst, was bringt mir das finanziell? Dann hast du ja eine ganz andere Diskussions- grundlage.“ Glaubwürdigkeit als Resultat von „epistemischer Anpassung“ Expertise und Vertrauenswürdigkeit sind zwei zentrale Kom- ponenten von Glaubwürdigkeit. In ihren epistemischen Prak- tiken akkumulierten die HRA-Praktikerinnen und -Praktiker Expertise, indem sie sich regelmäßig mit Stakeholdern weit über die HRM-Funktion austauschten, was ihnen erlaubte, Geschäftsprobleme durch die Augen ihrer Stakeholder zu er- kennen. Durch die Praktik des Anpassens der Dashboards an diese Perspektiven konnten sie den Stakeholdern für sie hoch- relevante Informationen zur Verfügung stellen, was in Folge die Basis für mehr Glaubwürdigkeit schafft. HR erlangte Ver- trauenswürdigkeit, indem es sich auf Zahlen und statistische Methoden stützte, die in ausgeklügelten Dashboards darge- stellt wurden. Das „Sprechen“ einer Sprache der Zahlen, das heißt die Darstellung von HRM-Themen in Form von Zahlen und Finanzindikatoren durch die HRA erwies sich nach Aus- kunft der Teammitglieder als zentral, um Glaubwürdigkeit vor allem beim Topmanagement zu etablieren (Dutton und Ash- ford, 1993). Da bei Techcom insgesamt eine starke kulturelle Verpflichtung vorherrschte, Entscheidungen datenbasiert zu fällen, wurde dieses Verhalten auch positiv entlang bestehen- der Normen rationaler Informationsnutzung im Unternehmen interpretiert (Feldman und March, 1981). Als Begriff für den Kernmechanismus hinter der Herstel- lung von Glaubwürdigkeit in HRA-Praktiken schlagen wir den Begriff epistemische Anpassung vor. Epistemische Anpassung meint, dass sich Praktikerinnen und Praktiker bei der Erstel- lung analytischer Outputs an der Wirklichkeitswahrnehmung ihrer Stakeholder sowie an vorherrschenden Normen der Wissenserzeugung orientieren und ausrichten. Wie aus den Beobachtungen und Interviews erkennbar, trägt diese episte- mische Anpassung im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit von HRM dazu bei, die mit HRM verbundenen, eingangs erwähnten Ambiguitäten zu verringern, indem der Beitrag von HRM zum Geschäftserfolg auf für Stakeholder relevante Art und Weise aufgezeigt werden kann (Legge, 1978). Was die Glaubwürdigkeit durch HR Analytics einschränkt Neben den Möglichkeiten von HRA deuten die Ergebnisse auch auf Grenzen auf mehreren Ebenen hin, welche die Potenziale von HRA teils stark einschränken, indem sie die Durchführung in der möglichen Qualität verhindern oder deren Ausführung mit einem hohen Maß an Koordinationsaufwand für die HRA- Praktikerinnen und -Praktiker verbunden sind. Dies hat auch Marco mit einem Lächeln anmerkte, wären Data Scientists sehr in die Daten und Visualisierungen verliebt, wodurch sie häufig Diagramme mit zu vielen Informationen erstellen. Daher ist es die Aufgabe des HRA-Teams, bei der Gestaltung von Dash- boards sicherzustellen, dass die Relevanz für die jeweiligen Zielgruppen erhalten bleibt. In einer dritten Praktik wird die akkumulierte und integ rierte Expertise für die Zielgruppen schließlich übersetzt, was vorwiegend im Zuge des Anpassens technischer Objekte ge- schieht. Auf Basis solcher Anpassungen übersetzen die Team- mitglieder die generierte Expertise, indem sie Ergebnisse und KPIs auswählen, die für sie am interessantesten erscheinen. Diese Auswahl basiert in der Regel entweder auf ihrem eige- nen Fachwissen oder indem die Teammitglieder versuchen, die Perspektive ihrer Zielgruppen einzunehmen. Ein gutes Bei- spiel dafür ist etwa das Anpassen eines Dashboards, welches Kommunikations-KPIs zeigt: Christopher, der Leiter des HRA-Teams, erhält einen Anruf von einem Kollegen aus der Kommunikationsabteilung. Die vierteljährliche Vorstandssitzung ist in zwei Tagen und es müssen noch einige KPIs im Zusammenhang mit der HRM- Kommunikation (z. B. Twitter-Follower oder Retweets von Vor- standsmitgliedern) in den Dashboards besprochen werden. Während des Anrufs sagt Christopher: „Wir haben diesen KPI hier und diesen KPI hier – und ich würde sie einfach zu- sammenführen. Die Vorstandsmitglieder sollen die Zielgrup- pe sein. Ich bin mir nicht sicher, ob dieser KPI tatsächlich ‚vorstandsrelevant‘ ist.“ Später schlägt er vor: „Ich würde den Retweets-KPI einfach so lassen, wie er ist, da dies darauf hin- weist, dass unsere Vorstandsmitglieder sehr aktiv sind und dies wahrscheinlich eine Leistung [im Zusammenhang mit einem strategischen HRM-Ziel] ist.“ Wie die Sequenz zeigt, wird Expertise in diesem Schritt vor allem übersetzt, indem selektiert, also hervorgehoben, konso- lidiert oder ausrangiert wird, um die wichtigsten Informatio- nen zielgruppengerecht zu präsentieren. Dieses Selektieren geschieht in Bezug auf KPIs hauptsächlich durch das Anpas- sen von Dashboards. Im Zusammenhang mit komplexeren Analyseprojekten übersetzten die Mitglieder des HRA-Teams Expertise, indem sie sog. „Business Cases“, also konkrete An- wendungsfälle eines statistischen Modells für eine zu treffende Entscheidung, entwickelten. Mithilfe dieser Business Cases soll den Zielgruppen vor allem der Wert der Verwendung der technischen Objekte nähergebracht werden. Hier generierte das HRA-Team Glaubwürdigkeit auch durch die Demonstrati- on ihres „Mehrwerts“. Vor allem könne durch eine „Sprache in Zahlen“ in den technischen Objekten die Aufmerksamkeit auf relevante HRM-Themen gelenkt und Vertrauenswürdigkeit hergestellt werden. Dies gilt vor allem für Finanzkennzahlen. Wie Sabrina bemerkte: „Wenn du die Aufmerksamkeit des Vorstands haben willst, dann musst du auch seine Sprache
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