PERSONAL quarterly 2/2020

34 PERSONALquarterly 02/20 NEUE FORSCHUNG _HR-ANALYTICS ermöglicht, das Thema Reorganisation mit den Augen ihrer Stakeholder zu betrachten und zu verstehen, welche Analysen aus deren Sicht von Interesse sein könnten. Expertise wur- de auch durch eigene Berufserfahrungen akkumuliert. Marco etwa, nun Teil des HRA-Teams, arbeitete einige Jahre als HR Business Partner, was bei der Ausrichtung der Analyseprojekte ebenfalls von Bedeutung war. Eine zweite rekurrierende Praktik ist das Integrieren der ak- kumulierten Expertise, welches vorwiegend in der Erstellung technischer Objekte stattfindet. Marco erhält einen Anruf von Tim, einem Data Scientist aus dem AC, um einige Ergebnisse durchzugehen, die Tim berech- net hat. Bei der Erforschung der Gründe, warum Mitarbeite- rinnen und Mitarbeiter Techcom verlassen, stellte sich heraus, dass China im Vergleich zu anderen Regionen Auffälligkeiten zeigt. In einigen früheren Meetings hatten sie bereits das For- schungsdesign und die Variableninputs spezifiziert, auf deren Basis Tim ein Random Forest Model (vgl. Bodenstedt und En- gelen Seite 38) erstellt hat. In dem Anruf gehen die beiden die Ergebnisse durch und tauschen ihre jeweiligen Interpretati- onen der entdeckten Muster aus. Marco fordert einige Ad-hoc- Berechnungen und Diagramme an, z. B. Ergebnisse nach Board Area oder hierarchischer Ebene. Sie kommen zu dem Schluss, dass für die Verlassenswahrscheinlichkeit die Bezahlung die wichtigste Rolle zu spielen scheint, während das Alter die ge- ringste Rolle spielt. Am Ende weist Marco Tim an, ausgewählte Ergebnisse auf eine bestimmte Art und Weise darzustellen, damit sie für die Vorstandsmitglieder auch verständlich und relevant sind. Bei der Fertigung technischer Objekte hat das HR-Team eine weitere Basis für Glaubwürdigkeit geschaffen, indem es das Fachwissen verschiedener HR-Praktikerinnen und -Praktiker in die technischen Objekte integriert hat. Tim hat Kenntnisse über fortgeschrittene empirische Methoden eingebracht, was vor allem Vertrauenswürdigkeit bei den Zielgruppen schafft. Marco wusste als ehemaliger HR-Business-Partner bei Tech- com, welche Informationen für welche Zielgruppen relevant sind, was die Ergebnisdarstellung wesentlich geformt hat. Wie Abb. 1: Rekurrierende epistemische Praktiken von HR Analytics bei Techcom Zielgruppen oder Teammitglieder haben eine Idee für eine Analyse­ thematik. Die Teammitglieder sprechen mit einer Reihe an er­ fahrenen Personen, um Expertise für diese Thematik zu generieren. Auf dieser Basis bekommen sie ein „Gefühl“ für die Thematik aus Sicht ihrer Zielgruppen und können entsprechende Analyse­ möglichkeiten ausloten. Nachdem die Analyse festge­ macht ist, wird das Wissen der Zielgruppen, Methodenwissen und IT-Wissen integriert, um Dashboards zu erstellen. Dabei wird besonders darauf geachtet und intensiv diskutiert, ob die darin aufscheinenden Analysen in das strategische Gesamtbild passen und auch Mehrwert für Zielgruppen schaffen. Die technischen Objekte werden für bestimmte Meetings bzw. auf Basis von Feedback der Zielgruppen angepasst. Insbeson­ dere werden bestimmte Zahlen hervorgehoben, konsolidiert oder ausrangiert, um die wichtigsten Informationen zielgruppengerecht zu präsentieren. HR Analytics als epistemische Praxis Anwendung statistischer Methoden und Entwicklung von Dashboard-Dramaturgien Konkretisierung epistemischer Objekte Intensiver Kontakt zu Zielgruppen Akkumulieren von Expertise Erstellung technischer Objekte Anpassung technischer Objekte Quelle: Eigene Darstellung Integrieren von Expertise Übersetzen von Expertise

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