PERSONAL quarterly 2/2020
33 02/20 PERSONALquarterly getroffen werden soll. Die Personalentwicklung bietet zahl- reiche Schulungen mit dem Ziel, dieses „Mindset“ auch imHin- blick auf HRM in der gesamten Organisation zu verankern, an. Das Ziel des HRA-Teams ist es, relevante Outputs in Form technischer Objekte für verschiedene Zielgruppen in der Or- ganisation zu generieren. Zu den technischen Objekten zählen einerseits Dashboards mit generell interessanten KPIs, ande- rerseits auch komplexere Analyseprojekte zu ausgewählten Themen, die für das HR-Vorstandsmitglied, das Führungsteam des Centers of Excellence, HR-Business-Partner, sowie Lini- enmanager auf verschiedenen Ebenen gebaut und berechnet werden. Um diese Outputs zu generieren, greift das Team auf eine Reihe an unterstützenden Akteuren zurück wie etwa Data Scientists aus dem „Analytics Center“ (AC). Das AC erbringt Analytics-Leistungen für alle Bereiche der Techcom und hat dabei ein Team, das auf HR-Fragen spezialisiert ist. Außerdem gibt es regen Austausch mit der Abteilung für Mitarbeiterum- fragen, um Daten aus regelmäßigen Umfragen in die Analysen einfließen zu lassen. Der Betriebsrat und das Datenschutzbüro stellen wichtige regulatorische Akteure dar, welche die Com pliance der Analytics-Projekte überwachen, die bei personen- bezogenen Daten besonders komplex sind. Wie das HRA-Team Glaubwürdigkeit herstellt Nach Einschätzung der Teammitglieder ist die Glaubwürdig- keit von HRM bei Techcom in den letzten Jahren beträchtlich gestiegen. Dies ist einerseits darauf zurückzuführen, dass Techcom die Bedeutung von HRM für sich erkannt hat, um als Technologieunternehmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter akquirieren und binden zu können. Andererseits spielt dabei aber auch HRA eine Rolle. Christopher, der Leiter des HRA- Teams meinte etwa: „Inzwischen sind wir auf dem Stand, dass die Leute sagen: Mensch, wir bräuchten noch viel, viel mehr Analytics, weil … alles irgendwie besser wird, und weil wir dann Antworten auf unsere Fragen haben. (…) [M]it dem Datenthema kriegt man da (…) eine ganz andere Wucht rein. Also das heißt, ich glaube, da kommen (…) [zwei] Effekte zusammen: dass HR insgesamt glaubwürdiger wird und [für Techcom] wichtiger wird.“ (Chris topher, eigene Hervorhebung) Durch die Linse epistemischer Praktiken betrachtet, zeigt sich insgesamt, dass HRA bei Techcom aus drei rekurrierenden epistemischen Praktiken besteht: demKonkretisieren von epis temischen Objekten, der Erstellung technischer Objekte und dem Anpassen technischer Objekte (vgl. Abb. 1). Durch Aus- übung dieser Praktiken generiert das HRA-Team die oben ge- nannte Glaubwürdigkeit, indem es Expertise 1) akkumuliert, 2) integriert und 3) übersetzt. Im Folgenden veranschaulichen wir diese Prozesse anhand von Beispielen aus unseren Beob achtungsdaten. Das Akkumulieren von Expertise passiert vorwiegend im Zuge des Konkretisierens von epistemischen Objekten. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Projektstart, der sog. „Reorg-KPI“, welchen wir mit unseren Beobachtungen festhalten durften: Strukturelle Reorganisationen haben bei Techcom in den letzten Jahren beträchtlich zugenommen. Der HRM-Vorstand tritt daher an das HRA-Team mit der Bitte heran, KPIs zu den Auswirkungen von Reorganisationen auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in sein Dashboard zu integrieren (z. B. wie sich Reorganisationen auf das Wohlbefinden und die Produktivität der Mitarbeiter auswirken). Zwei Mitglieder des HRA-Teams, Susanne und Richard, werden mit der Aufgabe betraut. Sie beginnen zunächst, Reorganisation zu definieren und stellen erste Überlegungen an, welche Informationen für ihre Ziel- gruppen am relevantesten sein könnten. Nachdem sie eine erste Vorstellung davon haben, was eine Reorganisation ist, tre- ten sie an Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Abtei- lungen heran, die Erfahrungen, Kenntnisse und/oder Daten zu Reorganisationen haben. Durch die Akkumulation dieser Ex- pertise erhalten sie ein differenziertes Bild, welche Aspekte der Umstrukturierung aus Sicht ihrer Zielgruppen relevant sein könnten. Sie haben einen Überblick darüber, welche Formen von Reorganisationen es gibt, welche Daten verfügbar sind, um bestimmte Ergebnisse von Umstrukturierungen aufzuzeigen, und eine erste Ahnung, welche Bedenken der Betriebsrat in Bezug auf Reorganisationen haben könnte. Auf dieser Basis entwerfen sie erste Ideen zu relevanten „Reorg-KPIs“. Durch das Akkumulieren von Expertise und Ressourcen (wie etwa Daten) haben Susanne und Richard eine bedeutende Basis geschaffen, um Glaubwürdigkeit herzustellen, weil es ihnen ABSTRACT Forschungsfrage: Die HRM-Funktion gilt in vielen Organisationen als wenig glaubwürdig. Wir stellen die Frage, ob und wie HR-Analytics (HRA) die Glaubwürdigkeit von HRM in Organisationen erhöhen kann. Methodik: Eine ethnografische Fallstudie eines HR-Analytics-Teams in einem großen, multinationalen Unternehmen. Praktische Implikationen: Durch einen hohen Interaktionsgrad mit Stakeholdern generieren HRA-Praktikerinnen und -Praktiker Expertise, auf deren Basis sie relevante Outputs in „der Sprache der Zahlen“ liefern können. Dies stärkt die Glaubwürdigkeit von HRM bedeutend.
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