PERSONAL quarterly 2/2020
25 02/20 PERSONALquarterly ziehbares und attraktives Entwicklungsziel motiviert werden. Diese Kraftanstrengung für eine erfolgreiche Kulturentwick- lung ist umso besser wirksam zu machen, je überzeugter und konsequenter die führenden Köpfe für diese Veränderungen stehen und je intensiver die Mitarbeitenden sich beteiligen können. Das bedeutet aber auch: Je älter – und größer und damit auch mutmaßlich heterogener in der Mitarbeitenden- zusammensetzung – die Organisation, umso schwerer fällt es naturgemäß, diese Veränderungen zu erzielen bzw. umso langfristiger müssen die Anstrengungen zur Weiterentwick- lung der Kultur angelegt sein. Daher haben Neugründungen und kleinere Organisationen einen natürlichen Anfangsvorteil: Sie agieren (noch) in überschaubaren Strukturen, ziehen in der ersten Phase über eine Selbstselektion der Mitarbeiter viele Gleichgesinnte an und entwickeln darüber quasi automatisch eine starke, tragende Unternehmenskultur, die grundlegend neue Ansätze einfacher durchsetzbar machen. New Work fordert mehr Selbstverantwortlichkeit New-Work-Konzepte werden häufig in Reaktion auf mitarbei- terseitige Wünsche nach besserer Vereinbarkeit und Indivi- dualisierbarkeit realisiert. Doch zu konstatieren ist auch, dass Ziele wie Individualisierung oder größere Partizipation natür- lich etwas einfordern: z. B. eine größere Selbstverantwortlich- keit in der Gestaltung von Arbeitszeiten, Selbstbegrenzung zur Vermeidung übergroßer Entgrenzung von Arbeits- und Le- benswelten, eine ausdrückliche Kompromissfähigkeit in Bezug auf Kollegen und deren Bedürfnisse sowie die Bereitschaft, deutlich mehr und intensiver Themen abzustimmen, Verhal- tensformen zu klären, Regeln zu definieren, an (und nicht nur in) der Organisation zu arbeiten. Auch deshalb ist es so wichtig, New-Work-Konzepte unter systematischer Mitgestal- tung und Mitverantwortlichkeit aller Beteiligten zu realisieren. Diese Mitgestaltung hat sich bei den befragten Unternehmen ausgezahlt. Und sie ist letztlich auch systemimmanent. Der Arbeitsalltag ist, gerade in zunehmend wissensorientierten und digitalen Arbeitskontexten, nur mit und durch die Organi- sationsmitglieder gestaltbar – und eben nicht über ihre Köpfe hinweg. Nach New Work kommt „New Mitbestimmung“ Wahrzunehmen ist, dass Formen von New Work Grundprin- zipien der kollektiven Mitbestimmung in eine andere Perspek- tive stellen. Hochgradig individualisierbare Formen, z. B. der Arbeitszeitgestaltung, stellen kollektive Aushandlungen in- frage. Kollegen, die sich im Team stärker selbst und dezentraler organisieren und damit auchManagementkompetenz überneh- men, durchbrechen die bisherigen Zuordnungssystematiken von Arbeitnehmern und Arbeitgebern bzw. leitenden Ange- stellten und bilden nicht zuletzt auch neue Vertretungskollek- tive. Brauche ich noch einen Betriebsrat, wenn ich individuell meine Arbeitskonditionen zusammenstellen kann? Ja, könnte die Antwort sein – weil diese Wahlmöglichkeiten ja auch ein Verhandlungsergebnis der Sozialpartner sein könnten. Ande- rerseits vermindert die größere Individualität von Arbeitsbe- dingungen eventuell auch das Bedürfnis des Einzelnen, durch die eine starke Stimme vertreten zu werden. Zumindest, so unsere Schlussfolgerung, regen diese durch New Work indu- zierten Konstellationen ein Überdenken bisheriger Mechanis- men der Mitbestimmung an – technisch, terminlich, langfristig auch in Bezug auf das jeweilige Rollenverständnis und die eige- ne Aufgabendefinition von Sozialpartnern. Auf mittlere Sicht befeuern diese Formen von NewWork auch die Diskussion, für welche Kundengruppe(-n) betriebliche und gewerkschaftliche Interessensvertretungen arbeiten, welche Angebote in welcher Differenzierung gemacht werden müssen, welche Vertretungs- ansprüche wo gefragt sind und wie die konkrete Zusammenar- beit vor Ort aussehen kann. Ein fortwährender Prozess der Umgestaltung und Reflexion New Work in der digitalen Transformation fördert und fordert ein großes Maß an Veränderungsfähigkeit, die gleichsam zur wichtigsten Metakompetenz wird – individuell wie organisati- onsbezogen, das ist eine der zentralen Erkenntnisse der Studie. Veränderungsfähigkeit definiert sich für uns als eine Kompe- tenz, die den einzelnen Mitarbeitenden und die Führungskraft auszeichnen muss, aber auch die Organisation als Ganzes in ihrer strukturellen Ausformung. In der logischen Konsequenz impliziert das ein dauerhaftes „Change Management“, das Aus- gangs- und Zielsituationen ständig neu definieren muss. Denn bisher gehen Ansätze des Veränderungsmanagements in der Regel von einer Ist-Situation, von der sich wegbewegt, sowie von einer Soll-Situation aus, auf die sich hinbewegt wird. Nach der „Move“-Phase gibt es dort in der reinen Lehre immer auch ein „Freeze“, ein Einschwingen auf den neuen Zustand (vgl. Bauer/Hofmann, 2018). Wir erwarten, dass sich diese Soll-Si- tuationen immer weniger statisch beschreiben lassen werden, sondern vielmehr die dauerhafte Veränderungsfähigkeit als solches der Zielzustand sein wird. Das macht es notwendig, auch in der Anlage von Strukturen und Prozessen und der Arbeitsformen auf höchstmögliche Beweglichkeit und Anpass- barkeit zu achten. Mit New Work werden sich alle Beteiligten dauerhafter aus der Komfortzone des eingeschwungenen Zu- stands herausbewegen und die Vorgehensweisen der Planung und Kommunikation auf größere Partizipation anlegen müs- sen. Das bedeutet in der Schlussfolgerung: Die Arbeit an der Organisation wird Dauerthema – und fordert eine ergebnis- offenere Kommunikation, Organisations- und Arbeitsgestal- tung, an der die Mitarbeitenden aktive Teilhabe bekommen müssen und für deren erfolgreiche Umsetzung in deutlich grö- ßerem Maß Change- und Kommunikationskompetenzen vor- handen sein müssen.
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