PERSONAL quarterly 2/2020

20 PERSONALquarterly 02/20 SCHWERPUNKT _NEW WORK die Analyse von funktionalen und dysfunktionalen Verhalten- sprozessen in Meetings als einzigartige Möglichkeit erwiesen, die Stärken und Schwächen eines Teams hervorzuheben und einen Reflexionsprozess im jeweiligen Team zu starten (Kauf- feld/ Lehmann-Willenbrock, 2016). Neben der Einzelbetreuung findet einmal pro Woche eine Gruppenreflexion mit einem Coach und einer Gruppe von Aus- zubildenden statt. Ziel des Termins ist es, gemeinsam den aktu- ellen Istzustand in den Teams zu reflektieren und gemeinsam Ideen zu Impulsen zu entwickeln, die sie zukünftig setzen können. Durch diese Treffen werden die teamübergreifende Zusammenarbeit und die gemeinsame Bearbeitung von Prob­ lemstellungen gefördert. Die größte Herausforderung besteht in der Koordination. Es müssen rechtzeitig Teams für die neuen Scrum Master gefun- den werden. Die verschiedenen Trainer, Experten und Coaches müssen koordiniert werden, damit die Qualifizierung einem einheitlichen Standard folgt. In einigen Fällen hat sich die vier- wöchige Coaching-Phase als zu knapp erwiesen; insbesondere bei Personen, die in einem Cluster als erster Scrum Master gestartet sind und bei Problemen daher auf keine erfahrenen Scrum Master zurückgreifen konnten. Peer-Learning. Organizational Communities of Practice (OCoP) sind gewinnbringende Strukturen, die in Gruppen neue Erkenntnisse erzeugen und die organisationale Leis­ tungsfähigkeit erhöhen (Kirkman et al., 2011). Lernen findet in praxisbezogenen Gemeinschaften statt, die an ähnlichen Aufgaben arbeiten, als Konsequenz aus eigenen Erfahrungen sowie durch aktive Partizipation in der sozialen Community. Der Austausch in OCoP eignet sich besonders, um weniger formalisiertes Wissen zu teilen. Mit Start des Qualifizierungsprogramms wurde darauf ge- achtet, dass es genügend Raum für den Aufbau einer Com- munity unter den Scrum Mastern gibt. Bis zu einer Größe von circa 80 Scrum Mastern fand jeden Monat ein zweistün- diges, selbstorganisiertes Community-Treffen statt, in deren Rahmen aktuelle Themen in der Organisation sowie konkrete Herausforderungen in der praktischen Arbeit diskutiert und Best Practices geteilt wurden. Aufgrund des Wachstums der ScrumMaster wurde der Community-Aspekt auf die einzelnen Cluster/Bereiche verlagert, in denen sich die Scrum Master selbstorganisiert austauschen. Zusätzlich findet in der ersten Qualifizierungsphase ein wöchentlicher einstündiger Jour fixe unter den angehenden Scrum Mastern statt. In diesem werden kollegiale Beratungs- methoden wie das Reflecting Team (vgl. Kauffeld, 2016) ver- wendet, herausfordernde Praxissituationen reflektiert und Lösungen erarbeitet. Beim Start jeder neuen Qualifizierungs- gruppe wird genügend Zeit für den Austausch zwischen den zukünftigen Scrum Mastern eingeplant, um die Bildung von Lernpartnerschaften zu fördern. Als Austauschplattform steht den Teilnehmern ein Share- point mit Chat-Funktion zur Verfügung. Dort können sich die Teilnehmer gegenseitig unterstützen, hilfreiche Materialien ablegen und Best Practices teilen. Implikationen für die Praxis Das Qualifizierungsprogramm, wie hier dargestellt, ist das Er- gebnis mehrerer Durchläufe und kontinuierlicher Weiterent- wicklung. Die wichtigsten Erkenntnisse für die Durchführung sind folgende: 3 Alles steht und fällt mit der Auswahl der Kandidaten. Per- sonen mit Erfahrung in Change Management, Entrepre- neurship, Moderation, Teamführung und agilem Arbeiten konnten sich schneller in die Anforderungen der neuen Rolle einfinden. Teilnehmer mit weniger Erfahrung hatten häufig Schwierigkeiten in der Selbstorganisation und Priorisierung der vielfältigen Aufgaben, die ein ScrumMaster wahrnehmen muss sowie bei der lateralen Führung des Scrum Teams. Vor Qualifizierungsbeginn fanden offene Infoveranstaltungen zum agilen Arbeiten, Scrum und dem Programm statt. Die Veranstaltung endete mit einer Gruppenarbeit, in der die Teilnehmer einen Scrum Flow simulierten und so einen ers­ ten Eindruck von Methode und Teamdynamik erhielten. 3 Eine weitere Herausforderung besteht in der Entwicklung ei- ner neuen Haltung und Denkweise: weg vom Delegieren von Aufgaben hin zum lösungsorientierten Denken als Coach für das Team und als Change Agent. Die Beobachtung zeigt, dass es den angehenden Scrum Mastern zu Beginn schwerfällt, Probleme aus einer Perspektive zu betrachten, die sie zuvor noch nie eingenommen haben. Das Verinnerlichen dieser Denkweise ist ein Prozess, der durch regelmäßige Austausch- formate während der Qualifizierung sowie durch Reflexions- gespräche bestmöglich begleitet wird. 3 Sobald sie in der zweiten Qualifizierungshälfte eigenständig mit einem Team arbeiten, zeigt sich, ob die Theorie in die Praxis umgesetzt werden kann. Die größte Herausforderung ist es, als Scrum Master nicht zu dogmatisch vorzugehen, sondern empathisch auf die Bedürfnisse und die Geschwin- digkeit des Teams einzugehen und klare Regeln für die Zu- sammenarbeit aufzustellen, die von allen getragen werden. Die Begleitung und das Coaching durch einen erfahrenen Scrum Master hat sich in dieser Phase als äußerst wichtig erwiesen. 3 Das Qualifizierungsprogrammwurde anfänglichmit externen Trainern und Experten für die Shadowing- und On-the-Job- Learning-Phase durchgeführt. Nach einem Jahr Praxiserfah- rung konnten sich die Scrum Master freiwillig als Trainer und Experten für das Qualifizierungsprogrammmelden. Dies wurde mit einem Train-the-Trainer-Seminar unterstützt. Die rund 250 ausgebildeten Scrum Master sind inzwischen aus den neu gebildeten Bereichen der Commerzbank AG nicht

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