PERSONAL quarterly 2/2020
14 PERSONALquarterly 02/20 SCHWERPUNKT _NEW WORK notwendige Wissen im Unternehmen vorhanden ist und deren Bearbeitung weder Kreativität noch interdependente Zusam- menarbeit benötigt (wie bei der Herstellung einer Plastikzahn- bürste), dann sollte die Einführung von New-Work-Maßnahmen eher weniger Potenzial haben, das Empowerment-Erleben der Mitarbeiter zu stimulieren. Muss aber eine Zahnbürste mit au- tomatischer Plaqueerkennung entwickelt werden, die mit dem Nutzer und dem Zahnarzt via App kommuniziert, dann ist die Aufgabe komplex, erfordert Kreativität und viele unterschied- liche Menschen müssen zusammenarbeiten, um die Aufgabe zu bewältigen. Dieselben New-Work-Maßnahmen passen nun viel besser zu den drei Kriterien und zu den Aufgaben, die in der Organisation bewerkstelligt werden müssen und sollten daher stärkere Wirkungen entfalten. Organisationskultur als Moderator Ein wichtiger Moderator auf der Organisationsseite ist die Or- ganisationskultur. Dabei handelt es sich um Normen, Wer- te und Praktiken einer Organisation, die die Organisation gegenüber anderen Organisationen abgrenzen. Damit eine New-Work-Maßnahme sich positiv auf das psychologische Em- powerment auswirken kann, ist eine Übereinstimmung zwi- schen der Organisationskultur und den Werten von New Work wichtig. Cooke und Szumal (1993) unterscheiden zwischen passiv-defensiven, aggressiv-defensiven und konstruktiven Organisationskulturen. Konstruktive Organisationskulturen sind humanistisch orientiert; Werte für Freundlichkeit, Par- tizipation und Selbstverwirklichung bestimmen den interper- sonalen Austausch. New-Work-Maßnahmen sind in der Regel mit Werten für Partizipation und Verantwortungsübertragung assoziiert und passen daher vor allem zu konstruktiven Orga- nisationskulturen. Implikationen für den Personalbereich Wenn New-Work-Maßnahmen in einem Unternehmen einge- führt werden, sollten sich die Verantwortlichen darüber im Kla- ren sein, dassNewWorknicht direkt zu positivenKonsequenzen führt. Vielmehr werden die erwünschten Konsequenzen über eine Steigerung des Erlebens von psychologischem Empower- ment vermittelt. Aus dem vorgestellten Modell lassen sich ver- schiedene Implikationen für Personaler ziehen: Erstens sollte das unmittelbare Ziel von New Work die Stei- gerung des Erlebens von psychologischem Empowerment sein. Dieses Ziel kann durch einen Fragebogen (siehe Schermuly, 2019), der das psychologische Empowerment misst und vor und nach der Einführung von New Work eingesetzt werden kann, überprüft werden. Zweitens sollten Personaler die Menschen und ihre perso- nenbezogenen Variablen berücksichtigen, wenn New Work eingeführt wird. Vor und während der Anwendung von New- Work-Maßnahmen sollten Personaler die Menschen kennen- lernen, die in den neuen Strukturen arbeiten sollen. Welche Kompetenzen, Motive und Interessen besitzen sie und welche nicht? Besteht kein „Fit“ zwischen New Work und den zu- künftigen New Workern, dann muss der Personalbereich Per- sonalentwicklungsmaßnahmen anbieten. Es kann aber auch notwendig werden, dass die Maßnahmen mit Blick auf die Mit- arbeitenden angepasst werden müssen. So kann es abhängig von den Personenvariablen vernünftig sein, dass die Mitarbei- ter nur ihre Führenden in temporären Projektteams wählen oder dass nur Teile eines holokratischen Systems eingeführt werden. Als Drittes sollten Personaler kritisch prüfen, ob New-Work- Maßnahmen überhaupt zur Arbeit passen, die die Mitarbeiter zu erledigen haben. Herrscht eine hohe Komplexität im Ar- beitsbereich? Müssen kreative Leistungen erbracht werden? Bestehen Interdependenzanforderungen? Fallen die Antworten innerhalb desselben Unternehmens unterschiedlich aus, so kann ggf. in der Produktion weiterhin klassisch zusammen- gearbeitet werden, während im Marketing demokratischere Strukturen eingeführt werden. Mit Blick auf die Organisationskultur sollten Personaler letztlich kritisch prüfen, ob diese zu New Work passt. Liegt keine konstruktive Kultur vor, so sollte zunächst Kulturarbeit betrieben werden. Die Organisation sollte sich von passiv-de- fensiven und aggressiv-defensivenWerten entfernen und mehr Wertschätzung für humanistische entwickeln. Dieser Prozess kann lange dauern, da Kulturen manifest und häufig unbe- wusst wirksam sind. Zusammenfassend lässt sich der New-Work-Prozess mit- hilfe der vorgestellten Theorie besser planen und bewältigen. Gleichzeitig erscheint er auch komplexer, als viele Personaler wahrscheinlich erwartet und erhofft haben.
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