PERSONAL quarterly 2/2020
13 02/20 PERSONALquarterly und dabei weniger psychisch belastet. In unserer Forschung konnten wir weitere Konsequenzen von psychologischem Em- powerment nachweisen (siehe für eine Übersicht Schermu- ly, 2019). So ließ sich längsschnittlich zeigen, dass zu wenig psychologisches Empowerment Depressionen und Burn-out vorhersagen kann. In einer Interviewstudie berichteten 1.485 Arbeitnehmer, die 55 Jahre oder älter waren, dass sie durch das Empowerment-Erleben nicht nur psychologisch, sondern auch körperlich weniger Belastung erlebten. Weiterhin wollten die älteren Arbeitnehmer, wenn sie mehr Empowerment erleben, erst später in Rente gehen. Auch konnte ein Zusammenhang zwischen psychologischem Empowerment und Flow, das heißt einem Gefühl besonderer intrinsischer Arbeitsmotivation, nachgewiesen werden (Schermuly, 2019). New-Work-Maßnahmen besitzen somit das Potenzial, einen psychologischen Zustand zu stimulieren, der sich mit psycho- logischem Empowerment charakterisieren lässt. Das psycho- logische Empowerment löst dann die Wirkungen aus, die von vielen Organisationen als positive Konsequenz von New Work antizipiert werden. These 2: Der Zusammenhang zwischen New-Work-Maßnahmen und psychologischem Empowerment wird von personen bezogenen Variablen moderiert Die Zusammenhänge zwischen Maßnahmen aus dem Bereich New Work und psychologischem Empowerment sind nicht schwach, aber auch nicht sehr stark, was sog. Moderatoren wahrscheinlich macht. Moderatoren sind Variablen, die den Zusammenhang zwischen anderen Variablen verstärken oder abschwächen können. Je nach Ausprägung der Moderatorvari- able fällt der Zusammenhang höher oder niedriger aus. Wie bereits erläutert, handelt es sich bei der Empowerment- Konzeption von Spreitzer um ein auf die Psyche des Menschen ausgerichtetes Konstrukt. Menschen unterscheiden sich in ih- ren personenbezogenen Variablen wie Persönlichkeitsfaktoren und Motiven. Dies greift meine zweite These auf: Je nach Ausprägung einer personenbezogenen Variable verändert sich der Zusam- menhang zwischen New Work und psychologischem Empo- werment (Pfad 3a). Die theoretische Grundlage dafür liefert die sog. Person-Environment-Fit-Theorie (French/Rodgers/ Cobb, 1974). Diese geht von der Idee aus, dass es für eine op- timale Beanspruchung eines Menschen einer hohen Passung zwischen der Umwelt und der Person bedarf. Zwischen zwei „Misfits“ wird dabei unterschieden: Beim „abilities-demands- misfit“ passen die Kompetenzen nicht zu den Anforderungen. Dagegen bedeutet ein „need-supplies-misfit“, dass die Bedürf- nisse nicht zum Befriedigungspotenzial passen. Ich möchte diese beiden Misfits am Beispiel der agilen Projektarbeit dar- stellen, die häufig im Zuge von New Work in Unternehmen eingeführt wird. Agile Projektarbeit unterscheidet sich dadurch von der tra- ditionellen Projektarbeit, dass die Teams mit mehr Autono- mie, Gleichberechtigung und Flexibilität, das heißt in kurzen Sprints unter Einbeziehung der Kunden, arbeiten (Schermuly/ Koch, 2019). Den Einfluss einer personenbezogenen Variablen auf den Zusammenhang zwischen der Agilität im Team und dem psychologischen Empowerment konnten wir in einer aktu- ellen Studie nachweisen (Koch/Schermuly, subm . ). Als perso- nenbezogene Variable wurde das Sensation Seeking erhoben. Sensation Seeker präferieren neue, komplexe und aufregende Situationen (Zuckerman, 1994). Die Neigung zu Komplexität und Abwechslung bei Vermeidung von Routineaufgaben passt besser zu agilem Projektmanagement und so konnten wir zei- gen, dass sich die Agilität stärker auf das psychologische Empo- werment und die affektive Bindung bei Menschen mit hohem Sensation Seeking auswirkt. Ein Einfluss personenbezogener Variablen, die die Kompe- tenzen betreffen, ist ebenso bei der Einführung von agiler Pro- jektarbeit denkbar. So zeigte eine Befragung von jeweils mehr als 60 Experten für agile sowie traditionelle Projektarbeit, dass sich das agile Kompetenzprofil und das traditionelle Kompe- tenzprofil deutlich unterscheiden (Schermuly/Arlt/Geissler, 2019). Vor allem Kompetenzen wie Nutzerorientierung, Eigen- verantwortung, Lernbereitschaft, Flexibilität und Selbstrefle- xion wurden im agilen Profil als wichtiger eingeschätzt. Je stärker die Kompetenzen der Mitarbeiter zu den Anforderun- gen des agilen Arbeitens passen, desto mehr sollten sie in ihrem Erleben von Kompetenz, Bedeutsamkeit, Selbstbestim- mung und Einfluss von der agilen Projektarbeit profitieren. These 3: Der Zusammenhang zwischen New-Work-Maßnahmen und psychologischem Empowerment wird von Kontextfaktoren moderiert In dem in Abbildung 1 dargestellten Modell werden nicht nur personenbezogene, sondern auch Kontextfaktoren als Mode- ratoren postuliert (Pfad 3b). Es wird davon ausgegangen, dass die Wirkung von New-Work-Maßnahmen davon abhängig ist, welche Organisationen (bzw. Organisationsteile) mit welchen Aufgaben diese einführen. Pearce (2004) hat Aufgabenmerkmale definiert, die den Ein- satz von geteilter Führung erleichtern bzw. erschweren. Ge- teilte Führung ist eine besondere Form der Demokratisierung, in welcher sich die Teammitglieder bei Führungsaufgaben ab- wechseln. Geteilte Führung ist vor allem dann geeignet, wenn die Aufgaben komplex sind und deren Lösung Kreativität und Interdependenz erfordert (Pearce, 2004). Interdependenz be- deutet, dass die Aufgaben nicht alleine gelöst werden können, sondern dass die Expertise von Menschen aus verschiedenen Organisationseinheiten verknüpft werden muss. Dieser Ansatz kann auf andere New-Work-Maßnahmen erweitert werden. Wenn z. B. einfache Aufgaben bearbeitet werden, über die alles
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