PERSONAL quarterly 2/2020
11 02/20 PERSONALquarterly ABSTRACT Forschungsfrage: New-Work-Initiativen haben nicht immer Erfolg. In diesem Artikel wird ein Theoriemodell vorgestellt, das zeigt, unter welchen Umständen New-Work-Initiativen gelingen können. Methodik: Anhand der Arbeiten von Bergmann (2017) und Spreitzer (2008) wird die Zielset- zung von New Work erfasst und ein theoretisches Prozessmodell postuliert, was anhand von Studien belegt wird. Praktische Implikationen: Das Theoriemodell kann Praktikern helfen, unter Berücksich- tigung von Persönlichkeits- und Kontextvariablen New-Work-Initiativen in Organisationen besser zu implementieren. ganisationale Makroebene und besitzt den Kerngedanken, dass Organisationen ihre Strukturen so verändern sollten, dass die Mitarbeiter mehr Verantwortung und Entscheidungs- kompetenzen übertragen bekommen (Spreitzer, 2008). Das Herrschafts- und Verteilungsproblem einer Organisation soll demokratischer gelöst werden (Schermuly, 2019). New-Work- Maßnahmen wie Holokratie, geteilte Führung, flache Hierar- chien, Scrum oder teilautonome Gruppen verbindet die Idee einer Demokratisierung von Organisationsstrukturen. Des- wegen definiere ich New Work als ein Bündel verschiedener Maßnahmen, die dem strukturellen Empowerment-Ansatz zu- zurechnen sind und das Ziel haben, Strukturen in Organisati- onen zu demokratisieren. Doch zeigt z. B. Kühl, dass die Demokratisierung von Struk- turen mit erheblichen Nebenwirkungen wie Identitäts-, Po- litisierungs- und Komplexitätsproblemen einhergehen kann (Kühl, 1998). Bspw. differenzieren sich nach Kühl (1998) in flachen Hierarchien starke Bereichsidentitäten aus, die eine Zusammenarbeit erschweren (z. B. die Personaler gegen die Softwareentwickler). Politisierung bedeutet, dass die Organisa- tionsmitglieder mehr Zeit und Kraft in die Aushandlung ihrer Interessen investieren müssen, was zu mehr Konflikten führen kann. Letztlich wird der Alltag der Mitarbeiter in flachen Hie- rarchien komplexer, was nicht für alle Organisationsmitglieder bewältigbar und erwünscht ist. Der psychologische Empowerment-Ansatz Laut Spreitzer (2008) werden beim strukturellen Empower- ment-Ansatz die Menschen vergessen, die in den Strukturen arbeiten müssen. Hier setzt der psychologische Empowerment- Ansatz an. Psychologisches Empowerment besteht aus vier Dimensionen. Es handelt sich um das Erleben von Selbstbe- stimmung, Einfluss, Kompetenz und Bedeutsamkeit (Spreit- zer, 2008). Selbstbestimmung meint das Ausmaß, in dem ein Mensch das Gefühl hat, seine Arbeit frei gestalten zu können. Es ist der Grad an Autonomie, der in der Verrichtung der Ar- beitstätigkeiten wahrgenommen wird. Einfluss ist das Ausmaß an Macht und damit an Wirksamkeit, das das eigene berufliche Handeln in der Wahrnehmung eines Berufstätigen besitzt. Kompetenz meint die berufliche Selbstwirksamkeit; es han- delt sich um das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten bei der Arbeitsausführung. Die Bedeutsamkeitsdimension betrifft das Sinnerleben der Mitarbeitenden während der Arbeit. Es ist das Ausmaß, in demMitarbeiter mit ihrem individuellenWertesys tem die Arbeitsausführung als wichtig erachten (Spreitzer, 2008). Zusammen ergeben die vier Dimensionen die Gestalt von psychologischem Empowerment (vgl. für metaanalytische Belege zur Faktorstruktur Seibert et al., 2011). Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Konzepte Spreitzer erwähnt in ihrer Arbeit Bergmann nicht und um- gekehrt, doch existieren Überschneidungen zwischen den Konzepten. Bergmann fordert eine Arbeit, „deren Zweck darin besteht, die Menschen, die diese Arbeit ausführen, zu stärken und sie zu ermächtigen“ (2017, S. 423). Arbeit, die wirklich gewollt wird, ist bedeutsame Arbeit. Durch die Hightech-Ei- genproduktion sollen Autonomie sowie die Kompetenzen von Menschen gefördert werden. Weitere Belege für die Ähnlichkeit finden sich in der aktuellen New-Work-Debatte. In der gerade von dem Thinktank Humanfy veröffentlichten New-Work-Charta (Väth/Soballa/Gstoettner, 2019) finden sich die vier Dimensionen von Spreitzer, auch wenn die Autoren keine wissenschaftliche Verankerung und keinen expliziten Bezug zu Spreitzer hergestellt haben. Die Charta postuliert fünf Prinzipien. Die Prinzipien Freiheit und Selbstverantwortung ähneln der Selbstbestimmung und dem Einfluss bei Spreitzer. Das Prinzip Sinn deckt sich mit der Be- deutsamkeit und das Prinzip Entwicklung zielt auf die Kompe- tenzdimension. Nur das Prinzip soziale Verantwortung findet sich nicht bei Spreitzer, wobei es auch das am wenigsten trenn- scharfe Prinzip der Charta ist. Bei den Gemeinsamkeiten existiert ein großer Unterschied. Spreitzer hat die vier Dimensionen des psychologischen Em- powerments wissenschaftlich operationalisiert und durch ein Instrument messbar gemacht. Es sind nicht nur Begriffe, sondern Konstrukte, die in ihrer Funktionalität und in ihrem Zusammenspiel mit anderen Konstrukten untersucht werden können. Dadurch konnte ein Forschungszweig begründet wer- den, der bereits zu Hunderten für die Praxis nutzbaren Studien geführt hat. Im Folgenden sollen die Perspektiven von Berg-
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