PERSONALquarterly 3/2020

51 03/20 PERSONALquarterly lassen; Video- und Telefonkonferenzen lassen wenig Raum für Smalltalk, Beziehungen und andere Dimensionen mensch- licher Interaktion. Professorin Burmeister sieht bei diesen Mängeln keinen Unterschied zwischen Unternehmen und Hochschulen oder zwischen Mitarbeitenden und Studierenden. Nähe müsse die Führungskraft wie die Hochschullehrerin online aktiv mana- gen. „In meiner ersten Videovorlesung habe ich die Hälfte der Zeit damit verbracht, über Emotionen zu sprechen und der Frustration Raum zu bieten“, erzählt Burmeister. „Vertrauen kann man nur schaffen, indem man den Elefanten im Raum nicht totschweigt.“ Nach dieser Session konnten sich alle 150 Studierenden auf den Lernstoff konzentrieren. Allerdings müs- sen Dozenten online die Formen der Ansprache ändern. Inter- aktion muss erlaubt und stärker eingefordert werden. „Soziale Mini-Aktionen und Körpersprache sind weniger sichtbar“, sagt Anne Burmeister. „Aber gesehen werden reicht nicht.“ Zeitverschwendung ist für die Lehrende, wenn der reine Stoff vermittelt wird: „Erarbeiten können sich die Studierenden die Inhalte alleine, in der virtuellen Lektion müssen die Ergeb- nisse diskutiert werden.“ Dazu gehöre es, auch Halbfertiges und Innovatives weiterzuentwickeln – laut Burmeister bisher nicht gerade die Stärke digitaler Kommunikation. Herauszufinden, wo Online-Nutzung effizienter und wann Präsenz überlegen ist, das beschäftigt auch Swetlana Franken. Die Professorin für Personalmanagement und Schlüsselqua- lifikationen an der FH Bielefeld sieht „den Zwang, den die Corona-Realität in Sachen Digitalisierung schafft, durchaus positiv“. Eingeübt werde gerade die Technik – eine Grund- voraussetzung. Manchmal liegt der Gewinn auf der Hand: Abschlussarbeiten werden im PDF-Format statt als gebun- dene Exemplare abgegeben und auf der Hochschulfestplat- te archiviert, Abstimmungen über Termine oder Ergebnisse in Arbeitsgruppen werden schneller. Strategische Diskussi- onen und die Entwicklung von Ideen scheinen dagegen in vertrauten Präsenzsituationen einfacher. „Ich bin sicher, dass wir wieder in die Präsenzlehre eintauchen, wenn wir dürfen“, meint Franken, „aber wir werden die positiven digitalen Ent- wicklungen in den Alltag einbinden.“ Die Ergebnisse ihres Forschungsprojekts Gender 4.0, in dem Young Professionals nach ihrer Einstellung zur Digitalisierung befragt wurden, be- stärken sie in dieser Haltung. Lebendige Vorurteile gegenüber Frauen in der Technik Immerhin nehmen 95 Prozent der jungen Menschen ihr Smart- phone überall mit hin. Für junge Frauen und Männer sind die Vorteile der Digitalisierung wie flexibles und mobiles Studie- ren und Arbeiten im gleichen Maße wichtig. Allerdings gibt es auch Unterschiede. Zwar haben beide Geschlechter Interesse an digitaler Technologie, doch Frauen wollen die Geräte vor allem benutzen, während Männer sich mit der Funktionswei- se beschäftigen und häufiger Apps entwickeln. „Frauen sind einfach pragmatischer“, resümiert Professorin Franken. „Sie verschaffen sich stets einen Überblick, was digital sinnvoll ist, aber sie müssen nicht selbst programmieren.“ Die Förderung der Frauen in MINT-Fächern dürfe, fordert Swetlana Franken, daher nicht nachlassen. Vor allem auch deshalb nicht, weil die Stereotype hinsichtlich Frauenkompetenzen bei der Nutzung der digitalen Technik selbst in der jungen Generation verbrei- tet sind. Die Studie zeigt: Junge Männer bewerten die digitale Kompetenz von Frauen geringer, als es die Frauen selbst tun. Die Vorurteile gegenüber Frauen in der Technik sind also im- mer noch lebendig. Das schafft für Frauen Barrieren bei der Studien- und Berufswahl sowie bei der Weiterbildung. Wenn also – hoffentlich bald – wieder die Wahl herrscht zwischen Präsenzveranstaltungen und digitalen Formaten, dann sollten die Stärken der Digitalisierung von allen und für alle gleicher- maßen eingesetzt werden. V. l. n. r.: Prof. Dr. Henning Kehr (Hochschule Worms), Prof. Dr. Anne Burmeister (Rotterdam School of Management), Prof. Dr. Swetlana Franken (FH Bielefeld) Foto: Florian Schmitt

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