PERSONALquarterly 3/2020
PERSONALquarterly 03/20 42 STATE OF THE ART _VIRTUELLE TEAMARBEIT K ann mich jemand hören, ist pandemiebedingt zur Eingangsfrage vieler Onlinemeetings geworden. Zwar war durch die fortschreitende Digitalisierung von Arbeits- und Kommunikationsprozessen in Or- ganisationen die Verbreitung virtueller Zusammenarbeit in Teams in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen, sie hat aber aufgrund der aktuellen Entwicklungen der Corona- Pandemie in den meisten Unternehmen einen rasanten, aber wenig gut vorbereiteten Sprung gemacht. Selbst für Organisati- onen oder Branchen, in denen Homeoffice und Digitalisierung bisher eine geringe Rolle spielten, stellt sich demnach nicht mehr die Frage, wann oder zu welchem Anlass virtuelle Zu- sammenarbeit vorzuziehen ist, sondern nur, wie diese schnell umgesetzt werden kann. Die optimale Gestaltung virtueller und digitalisierter Zusammenarbeit hat entsprechend massiv an Bedeutung gewonnen. Daher möchten wir in diesem Beitrag die Forschung zu virtuellen Teams aufgreifen und Handlungs- empfehlungen für HR ableiten. Ein relevanter Unterschied virtueller Teams im Vergleich zu traditionellen „Face-to-Face“-Teams sind veränderte und anonymer werdende Kommunikationsprozesse, die in virtu- ellen Teams nicht oder nur begrenzt in persönlichen Treffen stattfinden können. Kommunikation wird durch technikba- sierte, zumeist computervermittelte Formen der Kommuni- kation ergänzt oder sogar vollständig ersetzt. Ein früherer State-of-the-Art-Beitrag in PERSONALquarterly ging bereits auf die erfolgreiche Zusammenarbeit in Teams ein (Biemann/ Weckmüller, 2012), weswegen wir in diesem Beitrag unseren Fokus auf Auswirkungen und Erfolgsfaktoren virtueller Zu- sammenarbeit legen. Den Rahmen für unsere Analysen bil- det ein Modell von Marlow, Lacerenza und Salas (2017) zur Kommunikation in virtuellen Teams (vgl. Abbildung 1). Wir gehen auf einzelne Aspekte dieses Modells ein und leiten darauf aufbauend Handlungsempfehlungen ab, wie HR die veränderten Rahmenbedingungen in virtuellen Teams best- möglich umsetzen kann. Für eine einfache und übersichtliche Darstellung kontrastieren wir hierbei rein virtuelle Teams und traditionelle Face-to-Face-Teams mit häufigen physischen Treffen. In der betrieblichen Praxis variiert der Grad der Vir- tualisierung zwischen diesen beiden Extremen, da die meisten organisationalen Teams weder rein virtuell noch rein phy- sisch zusammenarbeiten. Trotzdem hilft ein Blick auf diese beiden Extremgruppen, um relevante Gestaltungsparameter zu identifizieren, anhand derer ein virtuelles Team erfolgreich gestaltet werden kann. Da es zu spezifischen HR-Aspekten vir- tueller Teams bisher in Teilbereichen eine noch überschaubare Anzahl empirischer Studien gibt, wird im Folgenden für eini- ge Gestaltungselemente unseres Rahmens auf Meta-Analysen zurückgegriffen. Wir beleuchten im Folgenden zunächst Informationsaus- tausch und Vertrauen in virtuellen Teams, da beides von der Virtualität beeinflusst wird und zentrale Erfolgsfaktoren für den Teamerfolg sind. Anschließend betrachten wir ver- schiedene Aufgaben, die sich eher für virtuelle oder eher für traditionelle Teams anbieten, und geben dann Handlungsemp- fehlungen für virtuelle Projektteams. Informationsaustausch in virtuellen Teams Das zentrale definierende Merkmal virtueller Teams ist de- ren Möglichkeit zur digitalisierten und zumeist internet basierten Kommunikation, da diese Teams mit weniger bis gar keiner persönlichen Interaktion auskommen müssen. Es resultieren besonders bei textbasierter Kommunikation (z. B. per E-Mail) eingeschränkte Kommunikationskanäle – bspw. werden nonverbale oder informelle Kommunikationsinhalte stark reduziert, da sich Onlinemeetings in Organisationen zumeist durch einen hohen Grad an Aufgaben- oder Projekt orientierung auszeichnen. Diese sog. Kanalreduktion hat ei- nen eher negativen Einfluss auf den Informationsaustausch in Teams, was Mesmer-Magnus, DeChurch, Jimenez-Rodriguez, Wildman und Shuffler (2011) in einer Metaanalyse zeigen. So ist in virtuellen Teams die Bereitschaft zum offenen und nicht strategischen Informationsaustausch (der z. B. durch das bewusste Zurückhalten von Informationen gekennzeich- net ist) etwas geringer als in traditionellen Teams (korrigierter Korrelationskoeffizient rc = 0,22) – gleichzeitig ist aber diese Offenheit eine wichtigere Voraussetzung für den Teamerfolg als in traditionellen Teams. Im Gegensatz dazu ist das Tei- len besonderer Informationen („unique information“) für den Erfolg traditioneller Teams von größerer Bedeutung als für Von Prof. Dr. Torsten Biemann (Universität Mannheim) und Prof. Dr. Oliver Rack (Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW) Handlungsempfehlungen für erfolgreiches digitalisiertes Zusammenarbeiten
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