PERSONALquarterly 3/2020

39 03/20 PERSONALquarterly dass neue Kollegen, welche beim Einsatz von Forced-Distri- bution-Systemen möglicherweise als Konkurrenten um gute Bewertungen angesehen werden, schlechter integriert werden und dass das Verhältnis zu den direkten Vorgesetzten, die bei Forced-Distribution-Systemen weniger „freigiebig“ gute Bewer- tungen vergeben können, schlechter ist als in einer Situation ohne Forced-Distribution-System. Um zugleich zu untersuchen, welche positiven Effekte mit Forced-Distribution-Systemen verbunden sein könnten, haben wir die Teilnehmer der Befragung zusätzlich nach ihrer Mo- tivation bzw. – genauer – nach der Motivation ihrer Kollegen gefragt, gute Leistungen zu erbringen, und wir haben sie nach ihrer Motivation gefragt, besser sein zu wollen als ihre Kolle- gen. Die Motivation, besser sein zu wollen als die Kollegen, erfasst einerseits den von den Befürwortern der Forced-Distri- bution-Systeme intendierten Wettbewerbsgedanken und bildet andererseits den Nährboden für potenzielle adverse Effekte. Die beiden Fragen lauteten: 7. Wie motiviert sind Ihre Kollegen, gute Leistungen zu erbrin- gen? 8. Wie wichtig ist es Ihnen, besser zu sein als Ihre Kollegen? Die Antworten wurden erneut mittels einer 7er-Likert-Skala erhoben, wobei der Wert „1“ für „sehr wenig motiviert“ bzw. „sehr unwichtig“ und der Wert „7“ für „sehr motiviert“ bzw. „sehr wichtig“ stand. Ergebnisse Abbildung 2 stellt zunächst die Antworten der Befragten auf die Fragen nach der absoluten und relativen Leistungsmoti- vation dar – jeweils getrennt für Befragte, deren Leistungs- bewertung einem Forced-Distribution-System unterliegt, und für Befragte, bei denen dies nicht der Fall ist. Was die Frage nach der absoluten Leistungsmotivation (Frage 7) anbelangt, so zeigt sich interessanterweise, dass die Befragten, die einem Forced-Distribution-System unterliegen, ihre Kollegen im Durchschnitt nicht als motivierter wahrnehmen als Befragte, die keinem Forced-Distribution-System unterliegen. Im Gegen- teil, die (absolute) Leistungsmotivation wird von den Befragten in einem Umfeld ohne Forced-Distribution-System sogar als signifikant höher eingeschätzt als von den Befragten in einem Umfeld mit Forced-Distribution-System. Während der Unter- schied in der absoluten Leistungsmotivation in ergänzend durchgeführten multivariaten Analysen nicht länger signifi- kant ist (zu den Kontrollvariablen siehe weiter unten), ist der beobachtete Unterschied in der relativen Leistungsmotivation (Frage 8) auch in multivariaten Analysen signifikant: Mitar- beitern, die einem Forced-Distribution-System unterliegen, ist es wichtiger, besser zu sein als ihre Kollegen, als Mitarbeitern, die keinem Forced-Distribution-System unterliegen. Ob dieser – mutmaßlich über das Forced-Distribution-System induzierte – Wettbewerbsgedanke als positiv zu bewerten ist oder nicht, ist eine offene Frage. Die Antworten auf die Fragen 1-6 (vgl. Abb. 3) deuten jedoch darauf hin, dass eher Letzteres der Fall sein könnte. Abbildung 3 zeigt das Antwortverhalten der Befragten auf die Fragen zum Arbeitsklima und zur wahrgenommenen Kooperationsbereitschaft – wiederum getrennt für Befragte, deren Leistungsbewertung einem Forced-Distribution-System unterliegt, und für Befragte, bei denen dies nicht der Fall ist. Die Ergebnisse zeigen, dass zwischen Befragten, die einem Forced-Distribution-System unterliegen, und solchen, die kei- nem Forced-Distribution-System unterliegen, deutliche und statistisch signifikante Unterschiede im Antwortverhalten be- stehen: Mitarbeiter, deren Beurteilung einem Forced-Distribu- tion-System unterliegt, bewerten das Arbeitsklima (Frage 1), die Zusammenarbeit (Frage 2), die Hilfsbereitschaft (Frage 3), den Informationsaustausch (Frage 4), die Integration neuer Kollegen (Frage 5) und das Verhältnis zum direkten Vorgesetz- ten (Frage 6) jeweils signifikant schlechter als Mitarbeiter, die keinem Forced-Distribution-System unterliegen. Die gemessenen Unterschiede im Antwortverhalten zu den Fragen 1-6 bleiben dabei –mit einer Ausnahme (Frage 5) – auch dann signifikant, wenn man in einer multivariaten Regression eine Reihe personen- und kontextbezogener Variablen kontrol- liert: auf Ebene der Befragten das Geschlecht, die Betriebszuge- hörigkeit, die Wahrnehmung einer Vorgesetztenfunktion und die subjektiv wahrgenommenen Beförderungschancen und auf Ebene der Abteilung die Abteilungsgröße, den Anteil an Frauen und die abteilungsspezifisch potenziell variierende Bedeutung kooperativen Verhaltens. Die Berücksichtigung der zuletzt genannten Kontrollvariable („Bedeutung kooperativen Ver- haltens“) erscheint dabei deswegen von besonderer Relevanz, weil der (selektive) Einsatz von Forced-Distribution-Systemen erwartbar davon abhängen dürfte, wie wichtig kooperatives Verhalten im entsprechenden Unternehmensbereich ist. In un- serer multivariaten Analyse finden wir, dass der Einsatz von Forced-Distribution-Systemen, unabhängig davon, wie wichtig kooperatives Verhalten im jeweiligen Abteilungskontext ist, mit einem als schlechter wahrgenommenen Arbeitsklima, ei- ner schlechteren Zusammenarbeit, einer geringeren Hilfsbe- reitschaft, einem weniger intensiven Informationsaustausch und einem schlechteren Verhältnis zum direkten Vorgesetzten verbunden ist. Limitationen Während die Berücksichtigung von Kontrollvariablen in multi- variaten Analysen erste wichtige Rückschlüsse darauf erlaubt, ob die univariaten Zusammenhänge auch bei Kontrolle weiterer potenziell relevanter Variablen erhalten bleiben, so lassen sich die von uns gemessenen Zusammenhänge doch nicht ohneWei- teres kausal interpretieren: So ist es etwa denkbar, dass in Un- ternehmensbereichen, die durch eine schwächere Performance

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