PERSONALquarterly 3/2020
37 03/20 PERSONALquarterly K aum einem anderen Aspekt des Performance Ma- nagements wurde in den letzten Jahren mehr öf- fentliche Aufmerksamkeit zuteil als sogenannten Forced-Distribution-Systemen. Forced-Distribution- Systeme sind eine spezielle Form der relativen Leistungsbe- urteilung, bei der ein Vorgesetzter bei der Beurteilung seiner Mitarbeiter an eine vorgegebene Verteilung in einzelne Leis tungskategorien gebunden ist. Abbildung 1 illustriert ein fik- tives Beispiel eines Forced-Distribution-Systems, bei der der Vorgesetzte seine Mitarbeiter in fünf vorgegebene Leistungs kategorien eingruppieren und dabei jeder Kategorie einen vor- ab festgelegten Anteil an Mitarbeitern zuordnen muss. Das wohl bekannteste Beispiel eines Forced-Distribution-Sys- tems in der Praxis ist die von Jack Welch in seiner Zeit als CEO von General Electric eingeführte sogenannte „20-70-10-Regel“, bei der die am besten bewerteten 20 % der Mitarbeiter eines Jahres in den Genuss besonders attraktiver Prämien kamen und die am schlechtesten bewerteten 10 % entlassen wurden (vgl. Welch/Welch, 2014). Weitere bekannte Beispiele aus der Praxis waren die Eingruppierung der Mitarbeiter bei Ford und Goodyear in drei Kategorien, wobei jeweils 10 % der Mitarbei- Zusammenarbeit im Unternehmen fördern? Auf Forced-Distribution-Systeme verzichten! Von Dr. Thomas Glökler und Prof. Dr. Kerstin Pull (Universität Tübingen) ter in die beste und die schlechteste Kategorie eingruppiert werden mussten (vgl. Stewart et al., 2010; Moon et al., 2016). Forced-Distribution-Systeme erfreuen sich in der Praxis großer Beliebtheit: So beziffern etwa Ovide/Feintzeig (2013) die Verbreitung von Forced-Distribution-Systemen unter den Fortune-500-Unternehmen auf 30 %. Dabei werden Forced- Distribution-Systeme sowohl in der Literatur als auch in der Praxis durchaus kontrovers diskutiert (Bashir et al., 2011): Befürworter von Forced-Distribution-Systemen argumentieren mit der durch Forced-Distribution-Systemen induzierten posi- tiven Leistungskultur, welche insbesondere die Leistungsträ- ger unter den Mitarbeitern motiviere (Blume et al., 2009) und zugleich klarmache, dass unterdurchschnittliche Leistungen nicht toleriert werden (vgl. Giumetti et al., 2015). Leistungs- bewertungen ohne erzwungene Verteilung führten hingegen aufgrund unterschiedlicher Verzerrungen (z.B.: Leniency Bias, Centrality Bias) häufig zu einer nicht hinreichenden Differen- zierung (Grund/Przemeck, 2012) sodass, so das Argument, schlechte Leistungen nicht hinreichend sanktioniert und gute Leistungen nicht ausreichend prämiert würden (vgl. Blume et al., 2009; Giumetti et al., 2015). Die Kritiker von Forced-Distribution-Systemen argumen- tieren hingegen, dass die erzwungene Verknappung guter Bewertungen Arbeitskollegen zu Konkurrenten um die be- sten Leistungsbeurteilungen mache. Dies schaffe ein „hals- abschneiderisches” Umfeld (Alsever, 2007), induziere eine „Dog-Eat-Dog“-Mentalität (McBriarty, 1988), reduziere die Kooperationsbereitschaft der Mitarbeiter untereinander und begünstige unethisches Verhalten wie Sabotage und Mobbing (vgl. Harbring/Irlenbusch, 2008). Insofern verwundert es nicht, dass zahlreiche Unternehmen, die mit Forced-Distribu- tion-Systemen experimentiert haben, diese zwischenzeitlich wieder eingestellt haben, darunter so bekannte Unternehmen wie Microsoft, Goodyear, Motorola, Cisco Systems und Intel (vgl. O’Rourke/Collins, 2008; Alsever, 2007; Bashir et al., 2011). Interessanterweise liegen jedoch bislang keine Feldstudien vor, in welcher die befürchteten adversen Effekte von Forced- Distribution-Systemen untersucht worden wären. Zwar gibt es mehrere einschlägige Laborexperimente, die darauf hindeuten, dass Forced-Distribution-Systeme tatsächlich die Gefahr von Abb. 1: Beispiel für ein Forced-Distribution-System Höchstleistung überdurchschnittliche Leistung durchschnittliche Leistung unterdurchschnittliche Leistung Schlechtleistung 10% 20% 40% 20% 10% Quelle: Eigene Darstellung
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