PERSONALquarterly 3/2020
35 03/20 PERSONALquarterly Motivator für malaiische Manager. Sie mögen es nicht, wenn sie aus der Gruppe herausragen, z. B. dadurch, dass sie vom Chef gelobt werden. Entsprechend niedrige Werte finden sich für Unabhängigkeit, Einfluss, Wettbewerb und Geld. Auch ihre intellektuelle Neugierde, Risikofreude und Macht- und Ein flussmotivation (das heißt die Führungsmotivation) sind ge ringer ausgeprägt. Viel eher wird ihr Handeln von Altruismus und Spiritualität geleitet. Fairness und Normen bei Assessments im internationalen Kontext Als Erklärung für die teils drastisch schlechteren Werte der Malaien im Vergleich zur westlichen Referenzstichprobe sind zwei Möglichkeiten denkbar: 1. Die Unterschiede sind auf den Test(-einsatz) rückführbar und 2. die Ergebnisse bilden tat sächliche Unterschiede in den diagnostizierten Merkmalen ab. Zunächst muss daran erinnert werden, dass es per se keinen fairen Test geben kann. Allenfalls können die Durchführung, Auswertung und Interpretation bzw. daran geknüpfte Ent scheidungen von Einzelnen (z. B. Bewerbern) oder Gruppen (z. B. weiblichen Bewerbern, auswählende Organisation) als fair empfunden werden und mögen anderen zugleich unfair erscheinen. So wurden die eingesetzten Verfahren für den westlichen Kulturraum konstruiert, was sich auch in ihrer Sprache und einem entsprechend kulturell geprägten Ver ständnis der geprüften Merkmale niederschlägt. Zudem ba sieren die Ergebnisse auf westlichen Normstichproben. Doch eine künftige Normierung an malaiischen Daten zeigt das grundsätzliche Problem von Normen auf: Das Kriterium der Sicherheit – übergeordnetes Projektziel des Auftraggebers – wird damit ggf. selbst von den besten Kandidaten nach malai ischer Norm nicht erreicht, zumal es ebenfalls an westlichen Standards und Konkurrenzunternehmen orientiert ist. Auch spricht das Selbstverständnis des malaiischen Staates für den Einsatz westlicher Normen: Malaysia hat sich das Ziel gesetzt, ein modernes, demokratisches und wohlhabendes Land zu werden, das sich in jeder Hinsicht (Erziehung, Infrastruktur, Führung, Wirtschaft, Politik) mit westlichen Ländern verglei chen kann. Eine eigene Norm wäre also zwar lokal „fair“, wür de aber wiederum nicht die internationale Vergleichbarkeit der Ergebnisse und Anlehnung an westliche (Sicherheits-) Standards ermöglichen. Eine Lösung könnte jedoch darin liegen, die westlichen Normen zu belassen, dabei aber die Cut-offs tiefer zu legen; das heißt, man senkt die Schwelle, ab der die Testergebnisse eine Person als „geeignet“ für Füh rungsaufgaben ausweist. So werden dann mehr Manager auf Basis der Testergebnisse positive Bewertungen erhalten – man wählt aber auch eine größere Zahl an faktisch ungeeigneten Managern aus („false positives“), die in Führungspositionen befördert werden, obwohl sie eigentlich nicht über die nötigen Potenziale dafür verfügen. Kultur als Chance Am Beispiel des Management-Audits in Malaysia zeigt sich der starke Einfluss von Kultur und Historie eines Landes auf Intelligenz-, Motivations- und Persönlichkeitsprofile von Ma nagern. Mit der Brille westlicher Berater stellt sich dabei die Frage, inwiefern eine Hochleistungsorganisation in einem Um feld aufgebaut werden kann, in dem es den meisten Führungs kräften an den dafür notwendigen Voraussetzungen fehlt: den kognitiven Fähigkeiten, der Führungsmotivation, dem Durchsetzungsvermögen, der Entscheidungsbereitschaft, der Ungewissheitstoleranz und allgemeinen sozialen Fähigkeiten. Auch wenn durch geeignete Trainings- und Coaching-Maßnah men die Führungsfähigkeiten verbessert werden können, so scheinen doch die Grenzen der Entwicklungsfähigkeiten im kognitiven und Persönlichkeitsbereich durch gesellschaftliche Entwicklungen und die Kultur vorgegeben. Neben einem soliden Diagnostikverständnis, das die verfah rensbezogenen Gründe (kulturelle Färbung des Tests, keine lokale Referenznorm) für die landesbezogen unterschiedlichen Profile berücksichtigt, müssen Berater in fremden Kulturkrei sen vor allem um den Einfluss von Situation, Kultur und Ge schichte auf das Verhalten, die Situationswahrnehmung und letztlich die Persönlichkeit(-stestergebnisse) wissen. Beratung und Auswahl in fremden Kulturkreisen findet daher besten falls in interkulturellen Beraterteams statt, die davon profi tieren, einen offenen (die Kulturfremden) und kritischen (die Einheimischen) Umgang miteinander und mit der Landeskul tur zu pflegen. Gerade auch bei Assessment Centern mit inter nationalen Kandidaten sind solche Beraterteams zu empfehlen, so etwa, wenn Personen unterschiedlichen kulturellen Hin tergrunds in gemeinsamen Diskussionen oder Rollenspielen beobachtet werden. Gelingt dies, ist die unterschiedliche Kultur nicht nur ein Hemmnis, sondern auch eine Chance. Im Beispiel des geschil dertenManagement-Audits hatte es sich in den anschließenden Coaching-Sitzungen bspw. als hilfreich erwiesen, auf religiöse Vorbilder zur Veranschaulichung des gewünschten Führungs verhaltens zurückzugreifen. Um Manager zu ermutigen, mehr Verantwortung zu übernehmen und Entscheidungen zu treffen (statt sich auf eine kollektivistische Kultur zu berufen), mach ten sich die westlichen Berater, unterstützt durch lokale Kolle gen, mit dem Leben des Propheten Mohammed und dem Koran vertraut und konnten so die Coachees an positive Beispiele für Führung und Verantwortungsübernahme aus dem Leben des Propheten erinnern. Mohammed musste lange Zeit gegen erhebliche Widerstände für seine Überzeugungen kämpfen und wurde von seinen Anhängern nicht nur aufgrund seiner Berufung zum Propheten als Führer akzeptiert, sondern auch aufgrund seiner Führungsfähigkeiten, seiner Integrität und Entschlossenheit. Die Erinnerung an diese kulturell bedeu tenden Beispiele ließ viele der malaiischen Manager erkennen,
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