PERSONALquarterly 3/2020

23 03/20 PERSONALquarterly Empfehlung 4: Vermeiden Sie Deckeneffekte bei einzelnen Fragen Wenn Sie die Engagementmessungen nutzen wollen, um Un­ terschiede zwischen Teams und Abteilungen im eigenen Haus zu analysieren, dann sollten die Fragen und Statements im besten Falle so gewählt sein, dass sie zwischen Teams mit niedrigem, mittlerem oder hohem Engagement diskriminieren können, um besser eine Erforschung der Ursachen dieser Un­ terschiede zu ermöglichen. Ein Unternehmen, das z. B. regel­ mäßig zu den besten Arbeitgebern gewählt wird, braucht eher strenger oder stärker formulierte Statements zu Engagement, die über ein „Mir gefällt die Arbeit, die ich mache“ hinausge­ hen, um sicherzustellen, dass im schlimmsten Fall nicht fast alle Mitarbeiter „ich stimme voll und ganz zu“ ankreuzen. In diesem Fall wäre nämlich eine Unterscheidung zwischen mehr und weniger engagierten Teams kaummöglich. Für ein solches Unternehmen wäre es dann sinnvoller, mindestens ein State­ ment wie z. B. „Ich bin begeistert von meiner Arbeit“ in ihre Skala mit aufzunehmen, bei welchem dann wieder nur wenige Mitarbeiter voll und ganz zustimmen und die oben genann­ te Differenzierung zwischen absolut begeisterten und etwas weniger begeisterten Mitarbeitern möglich wird. Zusätzlich erlauben solche stärker formulierten Items dann eben auch, in bei von Arbeitnehmern sehr beliebten Unternehmen weiterhin Verbesserungen über die Zeit festzustellen. Mitarbeiter, denen ihre Arbeit in dem einen Jahr sehr gefallen hat und die dann im nächsten Jahr absolut begeistert von ihr sind, können z. B. bei dem Statement „Mir gefällt die Arbeit, die ich mache“ ihr gestiegenes Engagement nicht mehr zum Ausdruck bringen, ein Phänomen, das man als Deckeneffekt („ceiling effect“) be­ zeichnet. Im Kontrast hierzu sollten Unternehmen mit einem Mitarbeiterzufriedenheitsproblem wiederum aufpassen, dass sie in ihrer Engagementskala gerade auch diese schwächeren Statements haben, bei denen es leichter ist zuzustimmen, um besser am unteren Ende der Engagementskala zwischen un­ zufriedenen und grundsätzlich zufriedenen Mitarbeitern zu differenzieren. Fazit Wir haben in diesem Beitrag verschiedene Möglichkeiten zur Messung von Engagement diskutiert und daraus einige Handlungsempfehlungen abgeleitet. Wir haben gezeigt, dass es keinen „one best way“ zur Messung gibt und auch die weitere Nutzung historisch gewachsener Fragebögen für ein Benchmarking sinnvoll sein kann. Die Auswahl des geeigneten Messinstrumentes ist ebenfalls vom geplanten Verwendungs­ zweck abhängig. Werden die Ergebnisse deskriptiv für diverse Dashboards und Berichte genutzt, reicht eine relativ globa­ le Abfrage, die z. B. schon mit der UWES-Kurzskala gelingen kann. Als Basis für tiefgreifende Veränderungen dagegen, die langfristig zu einer Verbesserung von Engagement im Unter­ validiert und erprobt sind viele Skalen zur Erfassung nicht nur von Engagement sondern auch vieler anderer Einstellungen. Eine sehr etablierte Skala für Engagement ist bspw. die oben diskutierte Utrecht Work Engagement Skala (Schaufeli et al., 2006). Das „Handbook of Management Scales“ (https:// en.wikibooks.org/wiki/Handbook_of_Management_Scales) ist ein Beispiel für eine breite Sammlung von Skalen, auf die man für die Zusammenstellung eigener Befragungen zurückgrei­ fen kann. Diese Skalen haben nicht nur den Vorteil, dass sie bekannte und definierte Konzepte erfassen, sondern daneben auch den Vorteil, dass die Formulierungen der Fragen in der Regel eindeutig und klar sind. Wenn bereits ein historisch gewachsener Fragenkatalog im Unternehmen verwendet wird, dann ist eine radikale Verände­ rung dieses Katalogs zum einen häufig aus politischen Grün­ den nicht ohne Weiteres möglich. Zum anderen ist es, wie bereits vorher erwähnt, auch hinderlich für ein verlässliches Benchmarking über die Zeit. Falls es schon eine etablierte Ska­ la im eigenen Hause gibt, dann muss man noch zusätzlich die möglicherweise weitreichenden Konsequenzen einer mög­ lichen Veränderung der Skala bedenken. Das Problem mit der Vergleichbarkeit zu vorherigen Messzeitpunkten ist z. B. dann sehr zentral, wenn die bestehende Skala und die daraus resul­ tierenden Ergebnisse für die Erfolgsmessung im Unternehmen und die Berechnung etwaiger Boni verwendet werden. Des Wei­ teren kann es auch sein, dass die Skalen und deren Ergebnisse für bestimmte Arbeitgeberrankings verschiedener Portale ge­ nutzt werden und auch genau aus diesem Grund ausgewählt wurden. Änderungen sollten also, genau wie die erste Einfüh­ rung einer solchen Skala, gut durchdacht werden, um dem Unternehmen die bestmöglichen Einblicke zu ermöglichen. Bei einer Veränderung bestehender Skalen empfehlen wir daher eine Hybridlösung, bei der man soweit wie möglich historisch entstandene Fragen oder ganze Skalen beibehält und diese dann durch etablierte wissenschaftliche Skalen ergänzt. Mög­ lich sind auch kleine Tests, bei denen die historischen Fragen für eine Teilstichprobe bei der Mitarbeiterbefragung um eine wissenschaftlich etablierte Skala ergänzt werden, die dasselbe Konstrukt messen soll. So kann sehr einfach festgestellt wer­ den, ob die bis dato genutzte Messung in die richtige Richtung geht oder etwas ganz anderes erfasst, und gleichzeitig kann so eine schrittweise Optimierung des Fragebogens empirisch vorbereitet werden. Für den Fall, dass ein Unternehmen noch keine Historie mit Engagementskalen hat, gibt es dementsprechend eine Vielzahl an Möglichkeiten und gleichzeitig eine Vielzahl an Faktoren, die es von vorneherein bei der Auswahl der Statements zu be­ denken gilt, damit die oben erwähnte schrittweise Anpassung in Zukunft gar nicht erst nötig ist. Neben Themen wie z. B. dem Benchmarking zu anderen Unternehmen sollte sich hier auch über das folgende Thema Gedanken gemacht werden.

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==