PERSONALquarterly 3/2020
PERSONALquarterly 03/20 22 SCHWERPUNKT _ENGAGEMENT gung häufig verschiedene Gremien involviert, die in der Regel (mehr oder weniger qualifizierte) Veränderungs- und Ergän zungsvorschläge unterbreiten und Einfluss auf die Fragenfor mulierungen nehmen. Die Personalabteilung kann dies kaum verhindern. Zweitens ist ein Vergleich mit vorherigen Jahren nur dann möglich, wenn die Fragen exakt gleich formuliert sind. Wenn in den letzten Jahren also im Unternehmen bereits Engagement mit einem bestimmten Fragenkatalog erhoben wurde, können nur über die fortlaufende Verwendung der selben historisch entstandenen Fragen Veränderungen über die Zeit festgestellt werden. Solange die Fragen sorgfältig for muliert wurden, ist dies kein Problem. Unsere Empfehlungen sollen deshalb helfen, Fragen zu entwickeln, die tatsächlich noch Engagement oder verwandte Konstrukte messen können, oder, falls bereits ein Fragenkatalog etabliert ist, diesen Kata log mit den kleinstmöglichen Änderungen für diesen Zweck zu optimieren. Empfehlung 1: Vermischen Sie nicht die Messung verschiedener Konstrukte Millionen von Mitarbeitern füllen jährlich in den verschie denstenMitarbeiterumfragen der großen Unternehmen Fragen zu Engagement aus, um dem Unternehmen einen Überblick darüber zu geben, wie sehr Mitarbeiter ihre Arbeit mögen und an dieser hängen. Dabei verwenden verschiedene Unterneh men häufig je nach Fragebogenanbieter, Berater oder Unter nehmenshistorie unterschiedliche Skalen und behalten diese Skalen dann auch langfristig unverändert bei, um eine Ver gleichbarkeit zu den Vorjahren zu ermöglichen. In der Praxis gibt es also nicht eine etablierte Engagementskala, sondern viele verschiedene, weswegen wir im Folgenden versuchen wollen zu beantworten, was denn eine gute Engagementskala ausmacht und wie man aus der bereits etablierten Skala den größten Mehrwert ziehen kann. Für ein besseres Verständ nis der Messung von Engagement lohnt sich ein Blick auf die Entwicklung der Erfassung von Mitarbeitereinstellungen in Unternehmen über die letzten Jahrzehnte. Engagement war hier nicht immer im Zentrum des Interesses des Personal managements. Stattdessen hat es nach und nach Indikatoren wie die reine Arbeitszufriedenheit und das organisationale Commitment als zentralen Indikator für die Einstellung der Mitarbeiter gegenüber dem Unternehmen beerbt. Teile der En gagementskalen in vielen Unternehmen enthalten auch jetzt noch Facetten von organisationalem Commitment, auch wenn es inzwischen anders genannt wird. Besonders das affektive Commitment, welches die emotionale Bindung des Mitarbei ters an das Unternehmen misst, wird in der Praxis oft in Enga gementskalen integriert. So finden sich neben Statements wie z. B. „Die Themen, an denen ich arbeite, begeistern mich“ auch „commitment“-fokussierte Statements wie z. B. „Ich bin stolz darauf, für dieses Unternehmen zu arbeiten“ in den Skalen zu Engagement wieder. Das in Unternehmen abgefragte Engagement ist also häufig eine Mischung aus dem in der Vergangenheit viel beachteten organisationalen Commitment und dem nun stärker im Fo kus stehenden Engagement. Dies ist kein rein akademisches Problem, da sich bei ungenauer Messung auch nur ungenaue Handlungsempfehlungen ableiten lassen. Wenn momentan bereits eine Engagementskala im Unternehmen genutzt wird, in der nicht nur typische Engagementstatements, sondern auch Statements zum organisationalen Commitment enthal ten sind, sollten diese Facetten in eigenen Analysen getrennt werden. Es handelt sich zwar um stark zusammenhängende, aber eben doch auch verschiedene Konstrukte. Ein Mitarbeiter kann z. B. begeistert von seiner Arbeit sein, aber trotzdem darüber nachdenken, dieser Begeisterung bei einem vielleicht besser zahlenden Konkurrenzunternehmen nachzugehen. Im umgekehrten Fall könnte ein Mitarbeiter auch z. B. wegen eines schlechten Managers ungern zur Arbeit kommen, aber trotzdem dem Arbeitgeber an sich loyal gegenüber sein und entsprechend nur über einen internen Wechsel nachdenken. Wenn man in der unternehmenseigenen Engagementskala beide Facetten vermischt, könnte in den beiden oben beschrie benen Fällen ein identischer Engagementscore herauskom men, obwohl das Problem und die möglichen Lösungswege komplett verschieden sind. Empfehlung 2: Leiten Sie Handlungsempfehlungen aus konkreten Defiziten ab Verbunden mit unserer ersten Empfehlung besteht die Ge fahr, sehr globale Engagementmessungen als Grundlage für Handlungsempfehlungen zu verwenden, die sich nicht direkt aus diesen Messungen ableiten lassen. Bspw. könnten Sie aufgrund gesunkener Engagementwerte im Unternehmen zu dem Schluss kommen, dass agilere Arbeitsformen eingeführt werden müssen, um das Engagement der Mitarbeiter nachhal tig zu erhöhen. Eine intensivere Analyse könnte aber zeigen, dass es vornehmlich die Unzufriedenheit mit der Teamführung und unklare Rollenerwartungen in manchen Teams waren, die zu den geringeren Engagementwerten führten. Engagement ist eine zentrale Messgröße für Einstellungen der Mitarbeiter, verfügt aber auch über ein breites Spektrum an Einflussmög lichkeiten und Vorbedingungen, die vom Unternehmen erfasst werden müssen, um gezielt Maßnahmen zu implementieren, die tatsächliche Defizite beseitigen. Empfehlung 3: Verwenden Sie etablierte Skalen Engagement und andere Mitarbeitereinstellungen sind schon lange im Fokus wissenschaftlicher Forschung. Entsprechend
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