PERSONALquarterly 3/2020
17 03/20 PERSONALquarterly Die bisher diskutierten Erkenntnisse zu Zeitdruck und den existierenden Kontextfaktoren lassen sich zu einem Gesamt- bild zusammenfügen, aus dem ersichtlich wird, wann und unter welchen Bedingungen sich Zeitdruck positiv auf das En- gagement von Mitarbeitern auswirken kann (vgl. Abbildung 1). Implikationen für die Praxis Aus der Forschung geht hervor, dass Zeitdruck mit gewünsch- tem Arbeitsverhalten wie höherer Leistung und Engagement einhergehen kann, aber immer auch mit Befindensbeeinträch- tigungen in Verbindung steht. Für eine gesundheitsförderliche Arbeitsplatzgestaltung kann daraus geschlussfolgert werden, dass eine Reduktion von Zeitdruck unter gewissen Umständen womöglich nicht immer notwendig ist. Das könnte besonders deswegen hilfreich sein, da einige zeitdruckbehaftete Arbeits- situationen, wie z. B. der bereits angesprochene projektbezo- gene Zeitdruck, tief mit der eigentlichen Arbeit verwurzelt sind und dann mit einem zumutbaren Gestaltungsaufwand für den Arbeitgeber nicht beseitigt werden können. Dies trifft aber nicht zu, wenn der Zeitdruck bspw. allein aus einer un- zureichenden Personalkapazität entsteht. Um herauszufinden, wie der Zeitdruck an einzelnen Arbeitsplätzen erlebt wird, welche Auswirkungen er nach sich zieht und ob die Ursa- che mangelnde personelle Ressourcen sind, empfiehlt sich eine nach den Empfehlungen der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) gestaltete Gefährdungsbeurtei- lung. Ein Screening der Beschäftigten kann dabei helfen, Be- lastungsschwerpunkte und Überlastungsreaktionen zielgenau zu erkennen und Maßnahmen zur optimalen Gestaltung von Zeitdruck zu entwickeln. Dennoch muss dabei stets gelten, dass weder projektbezogener Zeitdruck noch andere Arten von Zeitdruck mit der Hoffnung auf höheres Engagement ein- fach erhöht werden sollten, da die positiven und negativen Effekte immer gleichzeitig auftreten (Irmer et al., 2019). Die unter hohem Zeitdruck arbeitenden Mitarbeiter engagieren sich womöglich für den Preis langfristiger gesundheitlicher Konsequenzen. Aus diesem Grund ist es besonders ratsam, Mitarbeiter mit ausreichend Ressourcen im Umgang mit Zeit- Abb. 2: Merkmale von Zeitdruck als herausfordernde oder hinderliche Arbeitsbedingung Zeitdruck als ... herausfordernde Arbeitsbedingung hinderliche/bedrohliche Arbeitsbedingung Legitimität • legitimer Aspekt der Arbeit, der mit persönlich wichtigen Zielen verbunden ist • unnötiger oder unzumutbarer Aspekt der Arbeit, der den Arbeitsprozess erschwert Kognitive Bewertung • Bewertung als Herausforderung • Aufwandssteigerung steht im Verhältnis zum Wert des Ergebnisses • realistische Chance einer erfolgreichen Bewältigung • Bewertung als Bedrohung/ Behinderung • unangemessenes Verhältnis zwischen Aufwand und Wert des Ergebnisses • entweder Hürde im Prozess der Zielerreichung, die über- wunden werden muss, oder gar nicht mehr bewältigbar Motivationale Prozesse • mit überwiegend positiven Emotionen, aber auch Angst verbunden • spricht das Selbstwertgefühl und Kompetenzerleben an • ausschließlich mit negativen Emotionen verbunden • bedroht das Selbstwertgefühl und vereitelt Befriedigung von Bedürfnissen Bewältigung • verbraucht Energie und Ressourcen • mit physiologischen und psychologischen Kosten verbunden • aktiver und problemfokussierter Bewältigungsstil • Verfügbarkeit von ausreichend Ressourcen (z. B. Handlungs- spielräume) • verbraucht Energie und Ressourcen • mit physiologischen und psychologischen Kosten verbunden • passiver und emotionsfokussierter Bewältigungsstil • unzureichende Ressourcen Zielerreichung • enge Verbindung zu persönlich wichtigen Zielen oder Arbeitszielen • keine Verbindung zu wichtigen Zielen oder Behinderung der Zielerreichung Positive Bezie- hungen mit • Leistung und Engagement • Wohlbefinden • Gesundheitsbeeinträchtigungen • Rückzugsverhalten und Resignation • Unwohlsein • Gesundheitsbeeinträchtigungen Quelle: Eigene Darstellung Anmerkung: Diese Übersichtstabelle stellt eine Erweiterung der Kriterien dar, die von van den Broeck et al. (2010) und Zapf et al. (2019) postuliert wurden.
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