PERSONALquarterly 3/2020

15 03/20 PERSONALquarterly ABSTRACT Forschungsfrage: Zeitdruck am Arbeitsplatz steht in enger Verbindung mit negativen Ge- sundheitsfolgen, kann aber auch das Arbeitsengagement fördern. Der Beitrag zeigt, unter welchen Bedingungen Zeitdruck das Engagement von Mitarbeitern fördern kann. Methodik: Die Ergebnisse empirischer Untersuchungen werden mit der Zielsetzung integriert, Bedingungen für die positiven und negativen Auswirkungen von Zeitdruck aufzuzeigen. Praktische Implikationen: Die Unterscheidung von herausforderndem und hinderlichem Zeitdruck kann bei der gesundheitsförderlichen Arbeitsplatzgestaltung helfen. In anderen Studien wiederum zeigten sich statt der üblicher- weise untersuchten linearen umgekehrt u-förmige Zusammen- hänge zwischen Zeitdruck und Engagement (Ohly/Fritz, 2010; Schmitt et al., 2015), wie sie bereits im Yerkes-Dodson-Gesetz postuliert wurden. Das bedeutet, dass niedriger Zeitdruck mit geringem Engagement einhergeht, weil „Nichtstun“ bzw. Lan- geweile kein befriedigender Zustand für Menschen ist (Zapf et al., 2019). Steigt der Zeitdruck an, nimmt zunächst auch das Engagement zu, erreicht dann ein Plateau bei mäßiger Ausprägung und fällt bei extrem hohem Zeitdruck wieder ab. Dies impliziert, dass es ein optimales Aktivierungslevel gibt, bei dem Mitarbeiter durch den Zeitdruck zwar gefordert sind, diesen aber noch ausreichend bewältigen können. Neben diesen sog. kurvilinearen Effekten ist auch plausibel, dass eine Reihe von Kontextfaktoren für die jeweils positiven und negativen Auswirkungen auf das Arbeitsengagement verantwortlich ist. Inwieweit Zeitdruck das Engagement am Arbeitsplatz beeinflusst, muss also vor dem Hintergrund exis­ tierender Rahmenbedingungen beantwortet werden. Es kommt auf den Kontext an: Randbedingungen und Merk- male herausfordernder Arbeitsbedingungen Eine Vielzahl von Untersuchungen hat sich mittlerweile mit der Frage befasst, unter welchen Bedingungen Zeitdruck das Arbeitsengagement von Mitarbeitern fördern kann. Eine Studie von Bakker und Sanz-Vergel (2013) zeigte bspw., dass Zeitdruck bei Krankenpflegenden als hinderliche Belastung empfunden wird und daher mit einem verringerten Arbeits- engagement einhergeht. In einer Untersuchung von Polizei- beamten und Callcenter-Mitarbeitern beeinflusste Zeitdruck hingegen das persönliche Engagement positiv (van den Broeck et al., 2010). Dies kann damit erklärt werden, dass der Zeit- druck in verschiedenen Berufsgruppen eine unterschiedliche (soziale) Bedeutung hat. Für Krankenpflegende besteht das Hauptziel der eigenen Arbeit darin, Patienten im Genesungs- prozess bestmöglich zu begleiten und zu unterstützen. Unter hohem Zeitdruck zu arbeiten, verhindert es, diesem Ziel voll- umfänglich gerecht zu werden. Für Polizeibeamte hingegen gehört es mitunter dazu, bei einem Einsatz unter Zeitdruck Entscheidungen treffen zu müssen. Es kommt also darauf an, inwieweit der Zeitdruck als zumutbarer und legitimer Aspekt der eigenen Arbeit betrachtet wird (Semmer et al., 2019). Ein Projektmanager, der durch eine projektbezogene Deadline un- ter Zeitdruck gerät, wird die Situation eher als motivierend erleben, als wenn der Zeitdruck bspw. durch eine zu geringe Mitarbeiterzahl verursacht wird. Zeitdruck wird immer dann als hinderlich und störend erlebt, wenn er von einem Mitarbei- ter eigentlich nicht erwartet oder durch eine bessere Arbeitsor- ganisation vermieden werden kann, z. B. im Fall von Zeitdruck durch viele bürokratische Sekundäraufgaben (Semmer et al., 2019). Schmitt et al. (2015) untersuchten diese Annahme und zeigten, dass es beim Zusammenhang von Zeitdruck und Ar- beitsengagement tatsächlich auf die Menge von illegitimen Aufgaben ankommt. Auch in einer Studie von Kronenwett und Rigotti (2019) zeigte sich, dass Zeitdruck nur dann zur Errei- chung von Zielen beiträgt und mit einem höheren Arbeitsen- gagement einhergeht, wenn Mitarbeiter über wenige unnötige Arbeitsaufgaben berichten. Aus Ressourcentheorien (z. B. dem Job Demands Resour- ces Modell) geht hervor, dass Mitarbeiter gut mit Zeitdruck umgehen können, wenn sie über ausreichend Bewältigungs- möglichkeiten verfügen. Reis et al. (2017) konnten in diesem Zusammenhang zeigen, dass Zeitdruck insbesondere dann das Arbeitsengagement fördert, wenn Mitarbeiter über aus- reichend Handlungs- und Entscheidungsspielräume verfügen. Wenn das nicht der Fall ist, steht Zeitdruck mit verringertem Engagement in Verbindung. Es gibt eine Reihe von weiteren Studien, die zeigen, dass Zeitdruck als herausfordernd erlebt wird, solange ausreichend Ressourcen, z. B. in Form von Auto- nomie und Kontrolle, zur Bewältigung zur Verfügung stehen. Zu diesen Ressourcen gehört auch, dass es einem Mitarbeiter gelingt, sich von berufsbezogenen Anforderungen und damit auch vom Zeitdruck am Arbeitsplatz zu erholen (Zapf et al., 2019; Sonnentag/Frese, 2013). Darüber hinaus spielt die Dauer von Zeitdruck eine große Rolle. Aus der Literatur geht hervor, dass die positiven Effekte von Zeitdruck nur kurz- bis mittelfristig bestehen. Besteht Zeitdruck an einem Arbeitsplatz kontinuierlich über einen längeren Zeitraum von sechs bis acht Wochen und wird damit zu einem chronischen Dauerzustand, kehren sich die Effekte

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