PERSONALquarterly 3/2020
14 PERSONALquarterly 03/20 SCHWERPUNKT _ENGAGEMENT Z u viel zu tun. Keine Zeit dafür, eine Aufgabe gewissen- haft und in Ruhe zu vollenden. Dieses Gefühl kennen die meisten Menschen in Deutschland nur zu gut. Zeitdruck am Arbeitsplatz spiegelt in der heutigen eit einen der häufigsten Stressfaktoren wider und wird daher seit Jahrzehnten intensiv untersucht, um die positiven und negativen Folgen auf Beschäftigte abschätzen und wenn nötig geeignete Maßnahmen zur Vermeidung treffen zu können. In der Forschung wird Zeitdruck als das Ausmaß verstanden, in welchemMitarbeiter das Gefühl haben, dass für die Erledigung von Arbeitsaufgaben nicht ausreichend Zeit zur Verfügung steht (Ohly/Fritz, 2010, S. 544). Auswirkungen von Zeitdruck auf die Gesundheit und das Arbeitsengagement Seit langem ist bekannt, dass eine dauerhafte Konfrontation mit hohem Zeitdruck zu erheblichen Gesundheitsbeeinträch- tigungen bspw. in Form von emotionaler Erschöpfung, psycho- somatischen Beschwerden und Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen kann (Irmer/Kern/Schermelleh-Engel/Semmer/Zapf, 2019; Sonnentag/Frese, 2013). Das liegt daran, dass ein hoher Zeitdruck am Arbeitsplatz nur mit einer gesteigerten Anstren- gung und dem Einsatz individueller Ressourcen erfolgreich bewältigt werden kann. Zugleich kann unnötiger Zeitdruck auch die Erreichung wichtiger persönlicher Ziele bedrohen, z. B. wenn man durch dringliche administrative Aufgaben ein wichtiges Projekt nicht weiterverfolgen kann. Diese Erhöhung der eigenen Anstrengung und die Bedrohung von persönlichen Zielen stehen mit einer Reihe von physiologischen und psycho- logischen Kosten in Verbindung (Kronenwett/Rigotti, 2019). Daraus resultierte häufig die Empfehlung für die Praxis, Zeit- druck weitgehend zu vermeiden bzw. zu reduzieren (Sonnen- tag/Frese, 2013). Interessanterweise kommen verschiedene neuere Studien zu dem Ergebnis, dass Zeitdruck neben den negativen Aus- wirkungen auch zu erhöhtem Arbeitsengagement führen kann (Kern/Zapf, 2019; Schmitt/Ohly/Kleespies, 2015). Diese Ergebnisse zeigen, dass eine Betrachtung von Zeitdruck auf der Basis von klassischen Stresstheorien nicht ausreicht. Aus diesem Grund wurde vorgeschlagen, Merkmale der Arbeit in Brauchen wir Zeitdruck vielleicht manchmal für echtes Engagement? Von Dr. Marcel Kern (Goethe-Universität Frankfurt) und Prof. Dr. Sandra Ohly (Universität Kassel) herausfordernde und hinderliche Arbeitsbedingungen aufzu- teilen (vgl. z. B. van den Broeck/de Cuyper/de Witte/Vansteen- kiste, 2010). Unter den herausfordernden Arbeitsbedingungen werden Aspekte wie Zeitdruck, quantitative Arbeitsbelastung sowie ein hohes Maß an Verantwortlichkeit zusammengefasst. Eine Auseinandersetzung mit diesen Stressfaktoren erfordert einerseits zwar Anstrengung und führt damit zu einer kurz- fristigen Beanspruchung, beinhaltet anderseits aber zugleich auch ein motivationales Potenzial, da die erfolgreiche Bewäl- tigung mit Kompetenzerleben und der Erreichung wichtiger Ziele verbunden ist. Auf diese Weise kann das Arbeitsengage- ment und das Wohlbefinden gefördert werden. Herausfor- dernde Arbeitsbedingungen stehen demnach gleichzeitig mit positiven wie negativen Konsequenzen in Verbindung (van den Broeck et al., 2010). Stressfaktoren wie bürokratische Hürden, Rollenunsicherheit oder arbeitsorganisatorische Probleme hin- gegen, die die Erreichung von wichtigen Arbeitszielen behin- dern, werden als hinderliche Arbeitsbedingungen klassifiziert und stehen ausschließlich mit negativen Auswirkungen, das heißt mit Gesundheitsbeeinträchtigungen und mit verringer- tem Engagement, in Verbindung. Diese generelle Unterteilung von Arbeitsbedingungen als herausfordernd oder hinderlich konnte die ambivalenten Be- funde zu Zeitdruck dennoch nicht vollständig aufklären. So finden manche Studien bedeutsame Unterschiede darin, wie Zeitdruck von verschiedenen Personen in verschiedenen Situ- ationen beurteilt wird und wie dieser sich dann auf das Enga- gement auswirkt (z. B. Reis/Hoppe/Arndt/Lischetzke, 2017). Zeitdruck wird demnach manchmal stärker als Herausforde- rung, manchmal aber auch stärker als Bedrohung in Bezug auf wichtige Ziele gesehen. Klar ist, dass die eigenen Bewälti- gungsfähigkeiten imUmgang mit Zeitdruck dazu beitragen, in- wieweit eine Situation als Herausforderung angesehen werden kann. Personen, die bspw. ihre Fähigkeiten im Umgang mit der Situation als gut einschätzen, sehen Zeitdruck eher als Heraus- forderung und weniger als Bedrohung an (Ohly, 2019). Auch die generelle Selbstwirksamkeit, also der Glaube einer Person, im Umgang mit Schwierigkeiten in aller Regel erfolgreich sein zu können, beeinflusst diese Beurteilung (Jerusalem/Schwarzer, 1992).
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