PERSONALquarterly 4/2020
8 SCHWERPUNKT _INTERVIEW PERSONALquarterly 04/20 Andreas Hartmann: Für die Teams ist es wichtig, jemanden zu ha- ben, der fest in der Wirtschaft verankert ist. Ich versuche ihnen das Vertrauen zu vermitteln, dass jemand da ist, der Halt gibt, damit das Team nicht in ein Loch fällt. Auf der anderen Seite kann ich den Teams sozusagen aus einer Vogelperspektive Orientierung und Überblick geben – über die Logistikbranche, Marktmechanismen, strategische Optionen und natürlich über Werkzeuge, die für die Führung eines Unternehmens wichtig sind. Zudem kann ich ihnen mit meiner Legitimität Kontakte vermitteln. PERSONALquarterly: Die meisten Innovationsteams sind beim Projektstart mit vier oder fünf Mitgliedern besetzt. Welche Fä- higkeiten benötigen die Teammitglieder? Wie beschreibst du die optimale Teamkomposition? Andreas Hartmann: Zunächst einmal braucht es zwischen den Team- mitgliedern eine gewisse Sympathie. Wenn darüber hinaus ge- meinsame Ziele für die Entwicklung des Innovationsprojekts formuliert werden können und nicht frühzeitig Ressortegois- men existieren, sind die Grundvoraussetzungen für ein starkes Team gegeben. Zur Komposition auf Ebene der Fähigkeiten neh- men wir das Business Model Canvas zur Hand und diskutieren, ob alle Fähigkeiten vorhanden sind, die für die Ausgestaltung und Prüfung des spezifischen Geschäftsmodells nötig sind. Das sind vor allem Markt- und Umsetzungsintelligenz. Das sind die wesentlichen Fähigkeiten, die ein Innovationsteam in der frühen Phase benötigt – entweder intern oder durch externe Partner. Diese Fähigkeiten werden teils im Team durch die Teil- nahme an den Innovationsformaten aufgebaut. Weitere Fähig- keiten besetzt das Team nach, sobald es eine eigene Identität und Kultur herausgebildet hat. Aus der gemeinsamen Identität und Kultur heraus können sie dann zielgerichteter rekrutieren. PERSONALquarterly: In den Innovationsprojekten sind in der Regel die Hälfte des Teams durch etablierte Mitarbeiter der Cargo-Line besetzt. Die andere Hälfte sind „junge Wilde“ aus dem hiesigen Ökosystem. Wie setzt die Cargo-Line Anreize, um positiven Einfluss auf die kurz- und langfristige Performance des Teams zu nehmen? Andreas Hartmann: Es ist ein Zusammenspiel von weichen und harten Faktoren. Zunächst muss sich ein Team wohlfühlen und Entwicklungschancen sehen. Das versuchen wir über einen möglichst unkomplizierten Zugang zum Top-Management-Team herzustellen. Die harten Faktoren kommen bei disruptiven Ge- schäftsmodellen dazu, da mit ihnen die Aussicht auf große fi- nanzielle Erfolge verbunden sind. Hier können wir die Teams an dem finanziellen Wachstumspotenzial beteiligen. Unsere Ver- bundstruktur im Cargo-Line-Netzwerk begünstigt die Bildung von Spin-offs, das heißt die Ausgründung der Projekte als eigene rechtliche Entitäten. Im Gesellschafterkreis der Cargo-Line dis- kutieren wir dann die optimale Aufteilung der Anteile, wohl wis- send, wie schwer es ist, solch ein Team in jeder einzelnen unserer „Bewahrerorganisationen“ aufzubauen. Aus meiner Erfahrung haben rein interne Teams, denen wir Budgets für IT Services, Consulting etc. zur Verfügung stellen, eine völlig andere Motiva- tion als die Teams, die wir in der Garage33 entwickeln. Die Treiber der potenziellen Spin-offs sagen: Wir sind Unter- nehmer. Es ist unsere Leistung, die wir zusammen erarbeitet ha- ben. Das Projekt ist unsere Zukunft. Solche Einstellungen führen dazu, dass sich die Teams über Monate hinweg die Wochenenden um die Ohren schlagen, weil sie für ihre Aufgaben brennen. Für klassische interne Projekte sind meine Möglichkeiten, Anreize zu setzen, beschränkter. Natürlich kann ich meine Mitarbeiter mit allen möglichen Vergünstigungen und materiellen Vorteilen motivieren, aber ich kann ihnen nicht die Möglichkeit geben, mit einem Projekt die eigene Zukunft zu gestalten. Unser Credo: Wir wollen den Gründerpersönlichkeiten durch unser Anreizsystem ermöglichen, die Architektur ihrer Lebensplanung zu gestalten. In unserem Ökosystem. Also geben wir ihnen die Möglichkeit, persönliche und materielle Ziele zu erreichen. Um diese Möglich- keiten aufzuzeigen, committen wir bei sehr vielversprechenden Projekten frühzeitig auf die Option der Ausgründung und die Vergabe von Gesellschafteranteilen. PERSONALquarterly: Du hast die hoffnungsvollsten Talente und wertvollsten Mitarbeiter in die Innovationsprojekte entsendet. Was sind deine Anreize und Hindernisse, dies zu tun? Andreas Hartmann: Die Entscheidung, die besten Talente zu schi- cken, haben wir im Cargo-Line-Gesellschafterkreis früh getrof- fen. Das sind Mitarbeiter, die typischerweise schon vorab im Betrieb hervorstechen und Initiative zeigen. Ihnen geben wir Entwicklungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten. Sie lernen, Probleme zu spezifizieren und in einer neuen Systematik an- zugehen, aber auch spontan vor einer Gruppe von 50 Leuten zu pitchen oder innerhalb von drei Minuten ein Geschäftsmodell zu erklären. Natürlich ist die Situation auch ambivalent, da der Prozess dazu führen kann, die hoffnungsvollsten Talente zu verlieren. In Zukunft würde ich die ungewisse Situation vertraglich absichern und im vorhinein Verträge mit den Mitarbeitern schließen, sie bei einem eventuellen Abbruch des Innovations- projekts wieder ins Unternehmen zu integrieren. PERSONALquarterly: In der Entwicklung der Teams finden zwei Din- ge gleichzeitig statt. Auf der einen Seite treiben die Teams ihre Ideen voran. Auf der anderen Seite entwickeln sie ihre eigene Identität und Dynamik. Als Mitglied der Steuerungskreise hast du signifikanten Einfluss auf den Entwicklungsprozess. Auf welchem Aspekt liegt hier dein Augenmerk? Andreas Hartmann: Wenn die Personalentscheidungen getroffen sind, unterstützen wir die Teams, ihre eigenen Identitäten zu finden. Wir geben den Teams jetzt deutlich mehr Freiraum,
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