PERSONALquarterly 4/2020
51 04/20 PERSONALquarterly rungskräften wie Mitarbeitern innerhalb jeder Generation „tiefe Unterschiede, wenn man die berufsbedingten Ängste misst“. Auch deshalb sagt Trost: „Arbeitsplatzsicherheit als Faktor ins Thema Arbeitgeberattraktivität zu stecken, ist nicht die Lösung.“ Denn die Hauptfrage sei, wen das Unternehmen ansprechen wolle. „Start-ups suchen niemals Mitarbeiter, für die Sicherheit ein wichtiges Kriterium ist.“ Vielmehr gehe es darum, mit Unsicherheit bei den Arbeitsaufgaben umgehen zu können. Dazu gehört es, horizontal zu denken statt lateral und im Team Komplexität zu bewältigen. „Mitarbeiter spüren extrem schnell, ob sie damit zurechtkommen“, so Personal- stratege Trost. Und sie wissen um ihre Risiken. Denn auch in Zukunft werden repetitive Aufgaben durch die Transformation der Prozesse aufgefressen und kreative Technologieentwick- lung wird extrem gefragt sein. Armin Trost ist sicher: „Da spielt Corona überhaupt keine Rolle.“ Schätzungen zum langfristigen Umbau der Wirtschaft und dem Einfluss auf die Beschäftigten mögen verunsichern. Aber als Psychotherapeutin warnt Beate Muschalla davor, aus all- gemeinen Bevölkerungsdaten auf den Einzelfall zu schlie- ßen: „Zwar hat ein Viertel bis ein Drittel der Deutschen eine psychische Erkrankung, dennoch muss im Einzelfall bei Be- handlungssuchenden immer eine individuelle Diagnostik und gegebenenfalls ein Behandlungsplan erarbeitet werden.“ Dazu gehört auch eine Wiedereingliederung in den Betrieb, die gut zwischen Patient, Arbeitgeber und Betriebsarzt abgestimmt wird. „Es wirkt angstreduzierend, wenn jemand möglichst bald wieder einsteigt“, sagt Muschalla, die sich auch in der somatischen Rehabilitation dagegen ausspricht, die Menschen wochenlang mit dem Thema Arbeit in Ruhe zu lassen. „The- rapiestudien zeigen, dass bereits zwei Stunden in der Woche bewältigungsorientiert über Arbeit und den späteren Wieder- einstieg nachzudenken, dazu beitragen, dass Menschen weni- ger Ängste entwickeln und rückkehrbereiter sind.“ Auch wenn also die einen sicherheitsbedürftiger sind als die anderen, so wirken wirtschaftliche Einflüsse von außen auf alle Menschen. Daniela Lohaus beobachtet genau, was Stu- dierende und junge Berufstätige gerade erleben: „Praktikums plätze sind rar und die Absolventen haben Mühe, überhaupt einen ersten Job zu kriegen.“ Das sei eine ganz neue Erfahrung für viele der „Generation Pampered“, die sich bisher selten beweisen mussten und jetzt erstaunt in ihrem Umfeld sehen, dass es schwieriger wird, eine spannende Aufgabe zu finden oder überhaupt hineinzukommen ins Arbeitsleben. Die Professorin für Arbeits-, Organisations- und Perso- nalpsychologie an der Hochschule Darmstadt hat in den vergangenen Jahren immer wieder die Faktoren der Arbeitge- berattraktivität abgefragt. Arbeitsplatzsicherheit steht in einer Studie mit mehr als 60.000 Teilnehmern auf Platz 6, wenn es sich um Absolventen und Young Professionals handelt. Die Arbeitsaufgabe und Arbeitsatmosphäre, Work-Life-Balance, Weiterbildung und Karriere waren wichtiger. Nach mehr als zehn Berufsjahren verschieben sich die Dimensionen. So liegt in einer Befragung mit 3.000 Teilnehmern die Arbeitsplatz- sicherheit auf Platz 3, gleich hinter Identifikation mit dem Unternehmen oder der Marke und Work-Life-Balance. In allen Befragungen stand das Gehalt hinter der Sicherheit. „Ob sich bei Berufseinsteigern das Sicherheitsbedürfnis in Zeiten der Corona-Unsicherheit weiter nach oben schiebt, müssten wir im Herbst oder Winter untersuchen“, sagt For- scherin Lohaus, die erwartet, dass die Bewerbungserlebnisse einschneidend sind und die Wechselwilligkeit der Berufser- fahrenen sinkt. „Vor allem wird aber die Kreativität unter der Arbeitsplatzangst leiden“, meint die Wirtschaftspsychologin. „Das wirkt sich auf die Innovationskraft aus.“ Auch deshalb fordert sie mehr Investitionen in Mitarbeiter: „Firmen agieren kurzsichtig in ihrer Aus- und Weiterbildung, denn sie werden die Fachkräfte brauchen.“ V. l. n. r.: Prof. Dr. Beate Muschalla (TU Braunschweig), Prof. Dr. Armin Trost (Hochschule Furtwangen), Prof. Dr. Daniela Lohaus (Hochschule Darmstadt)
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