PERSONALquarterly 4/2020

50 SERVICE _DIE FAKTEN HINTER DER SCHLAGZEILE PERSONALquarterly 04/20 M it Corona kam die Angst vor dem Arbeitsplatz- verlust in die Medien. „Was die Jobangst mit uns macht“, schreibt Karriere.de am 20. Mai 2020. Und der Spiegel überschreibt am 20. April seinen Wirtschaftsmonitor mit: „Angst vor Arbeitsplatzverlust steigt deutlich“. Auch die Süddeutsche online beschäftigt sich mit Zahlen: „Dreiviertel der Deutschen haben Angst vor Jobver- lust“, titelt sie – allerdings nicht etwa in der Corona-Hochzeit, sondern schon am 26. Januar 2020. Der Artikel basiert auf der Umfrage „Trust Barometer“ der Agentur Edelmann und stellt den technologischen Wandel als gefühltes Risiko der Befragten in den Mittelpunkt. Auch vor Corona waren Angst und Druck, Stress und see- lische Belastung am Arbeitsplatz also schon Thema. Die jähr- lichen Fehlzeitenstatistiken der Krankenkassen weisen eine steigende Zahl von Diagnosen rund um psychische Erkran- kungen wie Depression, Ängste, Zwangs- und Belastungsstö- rungen aus. Der Tagesspiegel wählte dazu am 5. Dezember 2019 die Überschrift: „Wenn die Arbeit krank macht“. Gegen eine solche Vereinfachung stellt Beate Muschalla die Erkenntnisse ihrer psychologischen Forschung. Für sie fängt es schon mit den Genen an. „Die physiologische Erregbarkeit ist in unterschiedlichem Ausmaß angeboren“, beschreibt die Professorin für Psychotherapie und Diagnostik an der Tech- nischen Universität Braunschweig. „Je nach individueller Grundausstattung kommen Menschen im Job gut zurecht oder aber in Schwierigkeiten.“ Was auf die einen Mitarbeitenden anregend wirkt, versetzt andere Beschäftigte in Sorge. Die Merkmale, die an jedem Arbeitsplatz vorhanden sind, aber bei dem einen oder anderen auch Angst erzeugen oder min- destens anstrengend wirken können, hat die Forscherin in Studien zu arbeitsbezogenen psychischen Erkrankungen und Arbeits(un)fähigkeit herausgefiltert: Hierarchie, Leistungsan- forderung, Einordnung in Teams, Unterordnung im Verhältnis zum Chef, soziale Anforderungen unter Kollegen. Nicht das Arbeiten an sich, sondern die Arbeitsbedingun- gen ändern sich. Ob Kundenservice oder Verkauf, die Frei- heitsgrade werden geringer, das Controlling nimmt zu, die gefühlte psychische Belastung steigt. Muschalla untersuchte bei Psychosomatikpatienten, welche Umstände in der Arbeits- Die Corona-Pandemie verunsichert Unternehmer und Beschäftigte. Ob Arbeitsplatzsicher- heit als Versprechen hilfreich gegen diese Belastung ist, scheint eher ungewiss. Die Kreativität leidet unter der Angst welt manchen Mitarbeitern zu schaffen machen: Es sind Ri- valitäten und Rangkämpfe unter Kollegen, sanktionierende und überwachende Vorgesetzte, Mitarbeiterrankings, Com- puter-Monitoring von Mitarbeitern, Unfallgefahren sowie Un- gewissheiten, was an betrieblichen Neuerungen oder gar an Arbeitsplatzunsicherheit auf einen zukommen mag. Nichtwissen trotz ständig neuer und wechselnder Informati- onen und damit einhergehend ein erheblicher Kontrollverlust sind Phänomene, die mit Corona zum Dauerzustand geworden sind. Das kann Angst provozieren, die bei Menschen mit psy- chischen Erkrankungen zur Arbeitsunfähigkeit führen kann. Gerade Regeltreue und ausgeprägte Gewissenhaftigkeit kön- nen mit der unklaren Situation in von Corona geschüttelten Unternehmen kollidieren und zu wachsender Ängstlichkeit beitragen. Führungskräfte sollten ungute Gefühle abfedern, indem sie transparent informieren, Wirtschaftsberichte ein- ordnen sowie Daten und Fakten herunterbrechen auf die Abteilungen. „Außerdem sollten sie ihre Mitarbeiter kennen und ansprechbar sein“, sagt Beate Muschalla, die im Übrigen vorübergehende Krisen auch für entwicklungsfördernd hält, zumindest bei Beschäftigten mit einer guten psychischen Grundgesundheit und mit Lebenserfahrung: „Wir haben es am Homeschooling gesehen und daran, dass Menschen in ihrer joblosen Zeit neue Ideen entwickeln.“ Start-ups: Sicherheitsorientierung nicht gefragt Einen positiven Schub durch Corona sieht auch Armin Trost. Doch ganz unabhängig von Corona habe die Unternehmens- welt an Komplexität, Unsicherheit und Dynamik zugenommen und die Digitalisierung gehe weiter. Der konstante Wandel treffe auf Menschen, die je nach Lebensphase unterschied- liche Präferenzen haben: Bis Mitte 30 probieren sich Einsteiger und Young Professionals aus, dann suchen Mitarbeitende in der Familienzeit etwas mehr Sicherheit und Flexibilität und schließlich werden andere Lebensaufgaben in den Mittelpunkt gestellt. Beim Thema Arbeitsplatzangst steht der HRM-Professor an der Business School der Hochschule Furtwangen anders als bei der beruflichen Entwicklung einer Differenzierung nach Generationen allerdings kritisch gegenüber. Er findet bei Füh- Ruth Lemmer , Freie Wirtschaftsjournalistin in Duisburg

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==